City-to-City-Marketing: So wächst Neotaste nach dem Flaschenpost-Modell aktuell kräftig
Die App bietet in elf Städten Rabatte für über 1.000 Restaurants. Wir zeigen, wie das Wachstum auf 170.000 Nutzer*innen funktioniert hat
- Der moderne Dining-Club
- Mit dem City-to-City-Modell wachsen
- Das Henne-Ei-Problem
- Botschafter*innen in jeder Stadt
Es gibt Unternehmen, die starten mit einem großen Knall. Und dann gibt es Firmen, die gehen Stück für Stück durch das Land. Vor allem Flaschenpost wurde in Deutschland mit dem sogenannten City-to-City-Modell bekannt. Erstmal in einer oder wenigen Städten starten, da alles richtig machen und dann die nächste angehen. Wir zeigen, wie Neotaste das Flaschenpost-Playbook mit einer Restaurant-App nachahmt, warum das City-to-City-Modell für bestimmte Geschäftsmodelle so gut funktioniert und wie das Startup das Henne-Ei-Problem vieler Plattformen löst.
Es gibt offenbar Probleme, da wissen wir noch gar nicht, was es für coole Lösungen geben könnte. Das sagt zumindest Neotaste-Co-Gründer Hendrik Sander, wenn er über seine App spricht. Denn Neotaste will es besser machen als Food-Guides, Google Maps und Reservierungstools und wirklich einen Ort schaffen, wo Menschen die coolsten Restaurants in ihrer Umgebung entdecken – und mal wieder rausgehen in die Welt und nicht nur im Stammlokal abhängen. Sander bringt die App im September 2021 gemeinsam mit Co-Gründer Tobias Düser in Hannover auf den Markt. Durch den Ansatz, Schritt für Schritt in einzelnen Städten mit viel zielgerichteter Marketing-Power zu starten, lösen schon jetzt 170.000 Nutzende ihre Restaurant-Finde-Probleme mit der App. Im ersten Schritt angezogen von Rabatten.
Der moderne Dining-Club
„In Deutschland werden fünf Millionen Gutscheinbücher verkauft. Mit der Idee, das zu digitalisieren sind wir gestartet“, sagt NeoTaste-Gründer Hendrik Sander gegenüber OMR. In der App können Nutzende Restaurants in ihrer Umgebung entdecken und dort Rabatte benutzen. Meist sind das 2-für-1-Deals – also zwei Getränke oder auch ganze Speisen zum Preis von einer. Das Besondere: „Die Restaurants zahlen bei uns nichts und können selbst ihre Rabatte wählen. Wir monetarisieren die Nutzer“, so Sander. „Jeder Versuch, solche Apps zu bauen und dann die Restaurants zu monetarisieren, ist kläglich gescheitert.“ Pro Monat kosten die Neotaste-Angebote 4,99 Euro. Wer direkt ein Jahresabo abschließt, zahlt 2,99 Euro monatlich.
In der App sehen die Nutzenden die Restaurants in der Umgebung, dazu Bewertungen anderer, typische Infos wie Öffnungszeiten oder Speisekarten und zentral die angebotenen Rabatte. Wer diese nutzen will, muss sich vorher ein Zeitfenster in dem jeweiligen Restaurant buchen. Das hätten sich viele Betreiber*innen gewünscht. Am Ende sollen so ruhigere Stunden und Tage überbrückt werden und Restaurants durch die Rabattaktionen viele neue Kund*innen gewinnen.
Mit dem City-to-City-Modell wachsen
Das soll aber nur der Einstieg sein. „Unser langfristiges Ziel: Alle Informationen auf einer Plattform bündeln, die Nutzer brauchen, um sich für ein Restaurant zu entscheiden“, sagt Hendrik Sander. An diese Vision glaubt offenbar auch das City-to-City-Vorbild Flaschenpost. Zumindest sind die Flaschenpost-Co-CEOs Christopher Huesmann und Niklas Plath als Business Angels investiert. „Das ist ein Geschäftsmodell, das für sich steht. Selbst Google hat Produkte zu dem Thema gebaut, die eigentlich nur mittelmäßig sind. Bei Neotaste bekommen die Leute wirklich gute Empfehlungen“, sagt Huesmann im Gespräch mit OMR. „Ich habe einige Parallelen zu Flaschenpost gesehen. Die Traction ist extrem stark und die ersten Zahlen haben mich fasziniert.“ In elf Städten habe Neotaste jetzt über 1.000 Restaurants angebunden. Und von den 170.000 Nutzenden hätten im vergangenen Monat 70.000 auch Rabatte in Anspruch genommen.
Die Zahlen seien laut Gründer Sander nur möglich, weil das Team die App städteweise ausrollt und nicht sofort in ganz Deutschland. Mit dem City-to-City-Modell hatte es Flaschenpost zum Milliarden-Exit geschafft. Und auch der niederländische Supermarkt-Lieferservice Picnic nutzt die schrittweise Ausroll-Taktik. Bei Flaschenpost und Picnic hat das auch mit dem Geschäftsmodell zu tun. Lieferservices müssen Lagerflächen und ein Lieferantennetz in den Städten aufbauen und das geht auf einen Schlag nur mit sehr viel Geld und Risiko. Auch Neotaste geht es erst einmal darum, das Modell zu testen. „Wir machen das ein wenig wie Flaschenpost: Wir sind erstmal in Städte mit 100.000 bis 600.000 Einwohnern gestartet, bevor wir NeoTaste in die Millionen-Städte wie Köln und Hamburg gebracht haben“, so Gründer Hendrik Sander.
Das Henne-Ei-Problem
Aber egal ob jetzt von Stadt zu Stadt oder bei landesweitem Start: Jede Plattform kämpft mit dem Henne-Ei-Problem. Ohne Nutzende keine Anbieter. Sind keine Restaurants da, kommen auch keine Nutzenden. Neotaste startet auf der Angebotsseite. „Das entscheidende ist es, erstmal viele spannende Restaurants aus der Stadt auf der Plattform zu haben. Dafür waren z.B. in Hamburg sechs Neotaste-Partnermanager einen Monat vor Ort, die direkt über 150 Gastronomen überzeugt haben“, sagt Sander. Am Ende hätten drei Argumente den Ausschlag für viele Restaurants gegeben, dabei zu sein. Die kostenfreie Listung, das Potenzial für Neukund*innen und die App als Produkt an sich. Auch mit dem Timing habe das Team Glück gehabt. Aufgrund der Pandemie seien viele Gastronom*innen für digitale Lösungen offen.
Welche Plattform für bezahlte Werbung ist für Euer Unternehmen am wichtigsten, damit Eure Marketingziele erreicht werden?
Jetzt voten!
YouTube Amazon Instagram Facebook Keine der genannten
Der aktuelle Start in Hamburg zeige beispielhaft, welche Grundlagen Neotaste legt, bevor die App in einer Stadt verfügbar ist. 120 Restaurants seien in der Millionenstadt zu Beginn angebunden gewesen. Kurz nach dem offiziellen Start und ersten Erfolgsmeldungen aus der Restaurantszene sind es jetzt bereits 170. Deutschlandweit sind jetzt auch große Franchise-Ketten wie Vapiano, Sausalitos und L’Osteria bei Neotaste dabei. Das macht den Launch in weiteren Städten einfacher. In München habe es 40 Partner gegeben, bevor das Produktteam die Stadt überhaupt angegangen ist.
Botschafter*innen in jeder Stadt
Wenn die Restaurants an Bord sind, beginnt in jeder Stadt aufs Neue die Marketing-Maschine von Neotaste. Dabei bespiele das Team ganz klassisch die großen Social-Plattformen mit gezieltem Targeting auf Menschen in der jeweiligen Stadt. Viel wichtiger seien aber andere Strategien. „In einer neuen Stadt wachsen wir, indem wir erstmal 1.000 Menschen dort erreichen. Für solche Botschafter müssen wir interessant sein und dann sind schnell mehrere Tausend auf der Plattform, die über Word of Mouth viele weitere begeistern“, sagt Hendrik Sander. Zum Teil gehe sein Team auf bestimmte Unternehmen zu, die viele junge, digitalaffine Mitarbeitende beschäftigen. Die bekommen dann die App für einen oder mehrere Monate kostenfrei und sollen viele weitere anstecken. Der kostenlose Testmonat – wie bei Abomodellen üblich – ist auch bei Neotaste dabei. So komme der Ball ins rollen und ein Viral-Effekt entstehe.
Die Preisfrage dürfte insgesamt über Erfolg und Misserfolg von Neotaste entscheiden. Nutzende sind es eigentlich gewöhnt, dass Apps kostenfrei sind. Der Neotaste-Gründer ist sich aber sicher, dass die Kosten kein Hindernis sein sollten. Denn wer die Rabatte nutzt, dürfte durch die Ersparnisse nach ein bis zwei Abendessen direkt im Plus sein. Insgesamt will Neotaste also mit Produkt und Spar-Versprechen punkten. Und langfristig wolle das Unternehmen eben das große Problem der Restaurant-Entdeckung lösen. „Wir hatten das auch ein bisschen: Niemand hat wirklich nach Getränkelieferungen gesucht“, sagt Flaschenpost-Co-CEO Christopher Huesmann. „Es hat einfach keiner damit gerechnet, dass es so ein Angebot gibt. Der positive Überraschungseffekt bleibt dann umso mehr hängen und aus Kunden werden Fans.“ Und mit dem Rückenwind sollen dann weitere Features an den Start gehen, damit eine Plattform entsteht, die über Rabatte hinausgeht. „Wenn du so einen direkten Kunden- und Partnerzugang hast wie wir, dann wird es definitiv Möglichkeiten geben, die nächsten Funktionen oben draufzusetzen“, sagt Hendrik Sander.