Das Startup Markt-Pilot kommt dank handgeschriebener Briefe zum Millionen-Investment

Beim Vertrieb verzichteten die Esslinger bislang auf Online Marketing – stattdessen verschicken sie Post

Amin Oumhamdi und Tobias Rieker (v.l.) haben das Startup Markt-Pilot gegründet. Foto: Björn Brenner
Amin Oumhamdi und Tobias Rieker (v.l.) haben das Startup Markt-Pilot gegründet. Foto: Björn Brenner
Inhalt
  1. Ganz frisch am Markt
  2. Auch die Celonis-Gründer haben Briefe verschickt
  3. Das Potenzial für Markt-Pilot ist groß

Markt-Pilot hat eine Software entwickelt, mit der Maschinenbauer ihren Ersatzteil-Vertrieb optimieren können. Der Risikokapitalgeber Capnamic ist offenbar so stark vom Potenzial überzeugt, dass er mehr als sechs Millionen Euro investiert – dabei hat das Unternehmen aus Baden-Württemberg bislang beim Marketing überwiegend auf handgeschriebene Briefe gesetzt. Wir haben uns angeschaut, was hinter der Marketing-Strategie steckt.

Es gibt Startups, die investieren in Suchmaschinen-Werbung. Andere arbeiten mit Influencern zusammen, um das eigene Produkt bekannter zu machen. Und wieder andere können es sich sogar leisten, Fernsehspots zu schalten. Markt-Pilot hat nichts davon bislang gemacht. Stattdessen haben die Gründer Briefe an potentielle Kunden geschrieben. Per Hand.

Die Kundenakquise verlief offenbar so erfolgreich, dass die beiden Markt-Pilot-Gründer auch den Risikokapitalgeber Capnamic überzeugen konnten. Die Kölner investieren im Rahmen einer Seed-Runde insgesamt 6,2 Millionen Euro in das Startup, das mit seiner Software die Preise für Ersatzteile im Maschinenbau transparenter machen will. Mit dem frischen Kapital will Markt-Pilot die Expansion auf dem US-Markt vorantreiben – und gleichzeitig das rund 60-köpfige Team weiter ausbauen. „Wir hatten bis vor einem Monat zum Beispiel gar keine Marketing-Abteilung“, sagt Gründer und Geschäftsführer Tobias Rieker.

Ganz frisch am Markt

Rieker hat Markt-Pilot im April 2020 zusammen mit Amin Oumhamdi als GmbH gegründet. Zuvor hatten die beiden bereits knapp vier Jahre an der Idee gearbeitet. „Wir haben damit während unseres Studiums ein paar Euro verdient“, sagt Tobias Rieker. Damals musste er die Daten händisch zusammensuchen, mit denen seine Kunden dann sehen konnten, welche Lieferzeiten und Preise ihre Konkurrenten für Ersatzteile verlangten – um anschließend ihre Preise entsprechend anzupassen. „Mein Stundenlohn lag damals bei elf Euro, unsere Kunden hatten aber realisierte Mehreinnahmen im siebenstelligen Bereich pro Jahr“, sagt Tobias Rieker: „Da haben wir irgendwann gedacht: Da muss doch noch mehr gehen.“

Rund 70 Unternehmen setzen heute schon auf die Software von Markt-Pilot, darunter bekannte Namen wie die Landmaschinen-Hersteller Claas oder John Deere. Gewonnen hat das Startup den Großteil von ihnen dank eines handgeschriebenen Briefes. „Die Idee kam uns nach einem Erlebnis im ersten Jahr unserer Gründung“, erzählt Tobias Rieker. Damals wollte das Startup seinen knapp 15 Kunden zu Weihnachten jeweils eine Flasche Wein zukommen lassen. „Wir haben dazu dann noch einen Brief per Hand geschrieben“, sagt Tobias Rieker: „Am Ende haben sich fast alle Kunden für den Brief bedankt statt für den Wein.“

Auch die Celonis-Gründer haben Briefe verschickt

Markt-Pilot ist nicht das erste Unternehmen, das auf handschriftliche Botschaften setzt. Auch der Modehändler Outfittery hat seinen Bekleidungsboxen zu Beginn Karten mit handschriftlichen Grüßen der vermeintlichen Stylistin beigelegt (hier geht es zum OMR Podcast mit Gründerin Julia Bösch). Die Gründer von Deutschlands aktuell wertvollstem Startup Celonis haben wiederum zu Beginn ihrer Karriere rund 1.000 Briefe per Hand geschrieben und an potenzielle Kunden verschickt. Und auch beim Kosmetikkonzern L’Oreal experimentierte man bereits mit handschriftlichen Botschaften.

Das überrascht nur auf den ersten Blick. Denn ein handgeschriebener Brief sticht natürlich aus der Masse an E-Mail-Anfragen und Akquise-Anrufen heraus. Er überrascht. Längst gibt es daher Anbieter, die sich auf diesen Bereich spezialisiert haben. Beim 2016 gegründete Unternehmen Wunderpen können Unternehmen Briefe und Karten von einem Roboter schreiben lassen. Die Ergebnisse sind täuschend echt. Zu den Kunden zählen neben L’Oreal Deutschland zum Beispiel auch noch den Blumenhändler Fleurop oder der Online-Versand Shop-Apotheke. Andere Anbieter wie Pensaki werben mit ähnlichen Angeboten – inklusive verschiedener Typen von Handschrift.

Das Potenzial für Markt-Pilot ist groß

Und auch die Markt-Pilot-Gründer begannen, Briefe als Vertriebskanal zu testen – und wurden vom Erfolg überrascht. „Wir haben Rücklaufquoten von mehr als 80 Prozent“, sagt Tobias Rieker. Statt Geld in Werbeanzeigen bei Suchmaschinen zu investieren, bauten die beiden Gründer stattdessen lieber die Briefpost aus. Sie entschieden sich allerdings bewusst gegen den Einsatz von Handschrift-Robotern. Stattdessen schreiben inzwischen Freelancer für Markt-Pilot die Briefe. Dabei hat Tobias Rieker inzwischen ein paar Faustformeln entwickelt: Die Handschrift muss lesbar sein, darf aber auch nicht zu schön aussehen. Und vor dem Absenden wird noch eine Visitenkarte beigelegt – „nicht rein geheftet oder getackert“, sagt Tobias Rieker.

Der Gründer glaubt, der Erfolg hänge auch mit der Branche zusammen, in der Markt-Pilot unterwegs ist. Maschinenbauer, so Rieker, seien ähnlich wie sie selbst häufig noch etwas konservativer. Dennoch will das Unternehmen künftig verschiedene Marketing-Kanäle bespielen. Gleichzeitig soll auch das Produkt weiterentwickelt werden. So will das Startup künftig auch Preisempfehlungen geben. Das Potenzial ist aus Sicht der Gründer jedenfalls riesig. Allein in Deutschland gibt es laut Markt-Pilot im Maschinenbau mehr als 65 Millionen unterschiedliche Ersatzteile und mehr als 8.000 mögliche Bezugsquellen. Jede Menge Potenzial also – und jede Menge Adressen, bei denen bald ein Brief ankommen könnte.

Startup
Florian Rinke
Autor*In
Florian Rinke

Florian Rinke ist Host des Podcast "OMR Rabbit Hole" und verantwortet in der OMR-Redaktion den "OMR Podcast". Vor seinem Wechsel Anfang 2022 zu OMR berichtete er mehr als sieben Jahre lang für die Rheinische Post über Start-ups und Digitalpolitik und baute die Rubrik „RP-Gründerzeit“ auf. 2020 erschien sein Buch „Silicon Rheinland".

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