Eine Million Downloads mit Growth Hacking: Wie Kickbase das Comunio der Mobile-Ära werden will

Martin Gardt21.8.2017

Kann Fantasy Football auch in Europa zum Big Business werden?

Kickbase Gründer
Kickbase-Gründer Anatol Korel, Daniel Wagner und Felix van de Sand (v.l.)
Inhalt
  1. Deutsche Player übernehmen das Spielprinzip
  2. Live-Daten und User Experience als Abgrenzung zur Konkurrenz
  3. Ohne Budget zum Growth Hacking verdammt
  4. Influencer Marketing für eine App?
  5. Sky als Medienpartner
  6. Die Community ist aktiv dabei

Eigentlich sollte das Bundesliga-Manager-Spiel Kickbase nur ein Showcase für die Münchner Digitalagentur Cobe sein. Heute ist der hauptsächlich auf App-Nutzung ausgelegte Dienst mit mehr als einer Million Downloads und 200.000 aktiven Nutzern eines der größten Fußball-Manager-Spiele Deutschlands – Tendenz steigend. OMR erklärt, mit welchen Growth-Hacking-Mitteln die Kickbase-Macher ihr Spiel gepusht haben, was ihnen ein Auftritt bei „Die Höhle der Löwen“ gebracht hat und wie sie ihr Unternehmen durch eine neue Partnerschaft mit Sky auf ein neues Level heben wollen.

In den USA sind Fantasy Football, Baseball und Basketball ein riesiges Thema. Millionen Amerikaner stellen sich aus Spielern in den Profi-Ligen eine Fantasie-Mannschaft zusammen und bekommen Punkte für deren Leistung in den Spielen. Gekämpft wird dann in privaten oder öffentlichen Ligen um die Meisterschaft – und manchmal auch um große Geldbeträge. Angeführt wird das Business von den großen Playern FanDuel und DraftKings, die Umsätze im zwei- bis dreistelligen Millionen-Dollar-Bereich und Milliarden-Bewertungen einfahren.

In den USA ist das Geschäft vor allem lukrativ, weil die Nutzer mit echten Geldeinsätzen auf ihr Fantasie-Team setzen – damit hat es das Geschäftsmodell in Deutschland durch die Glücksspielproblematik schwer. In Übersee sollen die eingesetzten Geldbeträge bis 2020 auf über fünf Milliarden US-Dollar steigen. Und das ist eine konservative Schätzung.

Deutsche Player übernehmen das Spielprinzip

Auch ohne echte Geldeinsätze ist das Spielprinzip seit 2000 auch schon in Deutschland angekommen. Der Macher von Comunio hatte sich von Fantasy Football inspirieren lassen und eine Plattform für die Bundesliga geschaffen. Und die kommt gut an. Bis heute ist das Unternehmen mit über 600.000 Nutzern führend auf dem Gebiet der Bundesliga-Fantasy-Manager und verdient mit Subscription-Modellen und Display-Ads auf der eigenen Seite, die laut Analyse-Tool Similar Web auf knapp drei Millionen Visits pro Monat kommt. Aber seit 2000 hat sich Communio nicht besonders stark verändert und durch die historisch gewachsene Fokussierung auf den Browser ist eine Lücke im Mobile-Geschäft entstanden. Und in die wollen drei Jungs stoßen, die eigentlich eine Agentur führen.

„Kickbase basierte darauf, dass wir selbst Fußball-Freaks sind und früher einen altbackenen Bundesliga-Manager gezockt haben, der aber wahnsinnig weit von einer coolen App weg war“, sagt Anatol Korel, Co-Gründer und Managing Director bei Kickbase zu OMR. 2012 gründet er mit zwei Kollegen die Digital-Agentur Cobe. Diese sollte eine Produktentwicklungsschmiede werden und nach ersten Projekten für Kunden habe das Team Lust auf etwas eigenes gehabt. Das Cobe-Team will Comunio mit einem vom Start weg mobil gedachten Produkt etwas entgegensetzen. Also startet 2013 die Entwicklung von Kickbase als Wochenend-Projekt, 2014 geht die App in die Stores.

Live-Daten und User Experience als Abgrenzung zur Konkurrenz

Kickbase funktioniert wie die Vorbilder aus den USA und Comunio. Dank offizieller Lizenz werden in der App wie bei der Konkurrenz echte Spieler und Mannschaften gezeigt. Trotzdem will sich das Team mit einer Funktion absetzen: „Bei allen anderen Managern werden die Spieler mit Noten von Redakteuren bewertet. Bei uns wird jede Bewegung der Fußballer erfasst und live zu Kickbase übertragen“, sagt Co-Gründer Korel. Bei Comunio fließen tatsächlich redaktionelle Bewertungen in die Punktevergabe mit ein. Hinzu kommen Statistiken wie Tore, die weitere Punkte bedeuten. Allerdings findet die Bewertung hier erst nach dem Spieltag statt.

Kickbase App

Kickbase-App

Mit der Live-Funktion wolle Kickbase ein echtes Second-Screen-Erlebnis auslösen. Das soll die Nutzer während des Spieltags dazu bewegen, die App nicht nur nach Ende der Spiele zu öffnen, sondern auch schon währenddessen. Dadurch dürfte sich die Verweildauer in der App erhöhen. Der britische Dienstleister Opta, der auch die Daten für Sky, das ZDF, viele Vereine und Zeitungen liefert, schickt die Daten direkt zu Kickbase, wo sie schon fünf Sekunden nach der Aktion auf dem Platz im Punktekonto des Spielers sichtbar sein sollen.

Der zweite große Trumpf für Kickbase sei die App und die User Experience an sich, so Korel. Kickbase blendet Spieltagsergebnisse in schicken Grafiken ein, analysiert detailliert die Leistungen der Spieler. Das kommt bei den Nutzern offenbar gut an. Im App Store kommt Kickbase auf durchschnittlich 4,7 Sterne bei knapp 9.000 Bewertungen, im Google Playstore auf 4,2 Sterne bei knapp 13.000 Bewertungen. Die Vielzahl der guten Bewertungen hätte beim Erreichen der Download-Zahlen extrem geholfen. Die App liegt im App Store etwa bei Suchbegriffen wie „Bundesliga Manager“ oder „Manager“ vor der großen Konkurrenz. Mittlerweile hat sich allerdings auch der offizielle Fantasy Manager der DFL im App Store weiter oben platziert. Andere Player haben also erkannt, wie lukrativ das Geschäft sein kann und der Kampf im Manager-Business dürfte damit nur noch härter werden.

Ohne Budget zum Growth Hacking verdammt

„Aktuell haben wir zwei Einnahmequellen: Das Subscription-Modell und In-App-Werbung. In Zukunft sollen aber Premiumpartner, die z.B. Spieltage präsentieren, ein drittes Standbein werden“, sagt Korel zu OMR. Zum Umsatz wolle er keine Auskünfte geben, 2016 hatte er gegenüber Gründerszene aber zumindest erwähnt, dass er 2017 einen Umsatz von 300.000 bis 400.000 Euro anstrebe. Damit sind keine großen Marketing-Sprünge möglich. „Wir konnten uns Paid-User-Akquisition gar nicht leisten und sind seit Stunde 0 auf Growth Hacking gepolt“, sagt Korel. Zum Vergleich: Konkurrent Comunio wies im Bundesanzeiger schon im Jahr 2015 einen Bilanzgewinn von 219.000 Euro aus.

Ein erster Glücksfall für die Macher war die Berichterstattung kurz nach dem Launch. Schon 2014 gab es Empfehlungen von Chip.de und vom Sportportal Spox (damals hieß die App noch Kkstr). Das dürfte für erste Downloads und Anmeldungen gesorgt haben.

Neben Aufforderungen an die Nutzer, die App zu bewerten, um so in den Store-Charts und Empfehlungen zu landen und einer vernünftigen PR-Strategie, hätte sich die von Dropbox bekannte Referral-Taktik bewährt. Jeder Nutzer, der einen Bekannten zur Anmeldung wirbt, bekommt eine bestimmte Belohnung, zum Beispiel einen Frei-Monat der Premium-Version. Herausragend funktioniert habe auch der Auftritt bei der Vox-Show „Die Höhle der Löwen“. Dieser sollte laut Korel schon von Anfang an nur dazu dienen, kostenlos Airtime zu bekommen. Tatsächlich wurde die App damals von Frank Thelen als Fail bezeichnet. Das änderte aber nichts am Download-Push für Kickbase: „Der übertragene CPI war auf dem Niveau einer sechsstelligen Kampagne, die wir kostenlos bekommen haben“, sagt Korel. Sowohl Webseite wie auch App seien unter dem Ansturm neuer Nutzer kurz zusammengebrochen. Innerhalb kürzester Zeit hätte das Team über 20.000 Neuanmeldungen registriert.

Influencer Marketing für eine App?

Aktuell schaut sich das Team verstärkt Möglichkeiten an, um mit Influencern zu arbeiten. Korel wisse, dass einige Spieler oder bekannte Youtuber bei Kickbase aktiv sind. Auf der Webseite wird zum Beispiel BVB-Spieler Sebastian Rode als Testimonial gezeigt. „Aktuell sprechen wir schon Influencer an, von denen wir wissen, dass sie Kickbase zocken. Wir wollen in dem Bereich ohne große Deals gemeinsam mit den Influencern eine schöne Story stricken“, sagt er.

Soll bedeuten: Kickbase will am liebsten nicht übermäßig viel Geld bezahlen, sondern lieber mit bekannten Fans der App Aktionen starten. Zuletzt hätten sich die Jungs von Freekickerz, dem mit 5,7 Millionen Abonnenten größten Youtube-Kanal Deutschlands, in einem Video verplappert und einfach erwähnt, dass sie Kickbase zocken. Jetzt überlege Korel, ob er mit den Freekickerz nicht auf dem eigenen Twitch-Kanal Fifa spielen könne oder anders mit den Youtubern zusammenarbeiten kann.

Sky als Medienpartner

Vor wenigen Tagen hat Kickbase aber einen anderen ganz wichtigen Schritt Richtung Mainstream geschafft und den Pay-TV-Sender Sky als Partner gewonnen. Die App ist jetzt der exklusive Fußball-Manager von Sky Sport, dem digitalen Sportangebot des Senders. Mit diesem will Sky in den Wettbewerb mit Kicker, Sportbild & Co. eingreifen. Um das frisch gelaunchte Portal schnell mit Content zu füllen, suchte der Sender offenbar schnell nach externen Partnern und umgeht jetzt die Entwicklung eines eigenen Manager-Spiels. „Wir bieten Sky immer wiederkehrende Nutzer und bekommen als Gegenleistung Media auf allen Kanälen“, sagt Kickbase-Gründer Korel. Die Webseite von Kickbase ist deshalb seit Kurzem in Sky Sport integriert. Nur hier können die Nutzer den Manager auch im Browser spielen. Die App bleibt davon aber unberührt.

Kickbase Sky Coop

Die Kickbase-Seite – eingebunden bei Sky Sport

Kickbase dürfte ordentlich von der Sky-Reichweite profitieren. Die runderneuerte Seite des Pay-TV-Senders verzeichnete laut dem Analyse-Tool Similar Web schon im ersten Monat (Juli 2017) über 2,2 Millionen Visits. Neben den TV-Spots spiele Sky auch bei Snapchat Discover Inhalte zur App aus und mache so Werbung für Kickbase. Sky Sport ist neben Bild, Spiegel Online und Vice einer der wenigen deutschen Publisher auf der Plattform.

Einen direkten Impact auf Neuanmeldungen durch die Spots oder die Snapchat-Stories habe Korel jedoch nicht bemerkt. Er hoffe auf langfristige Branding-Effekte. „Der Push durch den Start der Saison ist schon allein extrem. Aktuell verzeichnen wir von Woche zu Woche ein Wachstum von 100 Prozent in Sachen täglicher Neuanmeldungen“, sagt er.

Die Community ist aktiv dabei

Was ebenfalls zu vielen Manager-Spielen gehört, aber meist mit teuren Kooperationen oder Mitarbeitern verbunden ist, löst Kickbase auch ohne Budget: den News-Bereich. Hier landen aktuelle Nachrichten zu Transfers und Verletzungen, damit die Manager-Spieler ihre Startelf vor dem Spieltag anpassen können. Bei Kickbase wird dieser Bereich von etwa 15 Leuten aus der Community bespielt. Dieser harte Kern an Redakteuren sei Teil des Teams und erhalte für seine Mitarbeit eine kostenlose Premium-Mitgliedschaft. Gleichzeitig kommuniziere das Kickbase-Team über Slack aktiv mit diesen Schreibern, habe diese aber noch nie gesehen.

Hinzu komme ein überaus flexibles Team, das je nach Arbeitsaufkommen zwischen Kickbase und Projekten bei der Agentur Cobe hin und her wechselt. Wie Gründer Korel erklärt, bestehe eben der größte Arbeitsaufwand jeweils vor einer Saison. Das Kernteam aus ihm, Social Media, Technik und Entwicklern bestehe aus ungefähr zehn Leuten, wenn es eng wird, skaliere man das aber auch mal deutlich nach oben. Und das könnte in Zukunft häufiger nötig sein. Kickbase wolle ab nächster Saison in den fünf großen europäischen Ligen aktiv sein und überlege den Bundesliga-Manager auch in Asien verfügbar zu machen.

Growth HackingYoutube
MG
Autor*In
Martin Gardt

Martin kümmert sich vor allem um neue Artikel für OMR.com und den Social-Media-Auftritt. Nach dem Studium der Kommunikations- und Medienwissenschaft ging er zur Axel Springer Akademie, der Journalistenschule des Axel Springer Verlags. Danach arbeitete er bei der COMPUTER BILD mit Fokus auf News aus der digitalen Welt und Start-ups. Am Wochenende findet Ihr ihn auf der Gegengerade im Millerntor.

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