Wie Ableton-Gründer Bernd Roggendorf mit EIDU das globale Bildungssystem umkrempeln will
Die Soft- und Hardware für Musik ist einer der Marktführer, jetzt will er Schulen digitalisieren
- Erst Musiksoftware, jetzt Schulsoftware
- Die ganz großen Pläne
- Alle Themen des Podcasts mit Bernd Roggendorf im Überblick:
Als sich die Welt der Musikproduktion massiv ändert – Rechenleistung steigt und Studios wandern immer stärker in Laptops – ist Bernd Roggendorf zu Stelle. Für ihn sei diese Zeitenwende ein großes Glück gewesen; aus der 1999 gegründeten Musiksoftware Ableton wird einer der Weltmarktführer. Nach einem persönlichen Schreckensmoment verabschiedet sich der Informatiker 2013 aber vom operativen Geschäft und arbeitet mit EIDU seit einigen Jahren stattdessen an einer digitalen Infrastruktur für Bildung. Die soll erst das System in Kenia und dann in der ganzen Welt revolutionieren. Welche Rolle dabei Organisationen wie die Bill & Melinda Gates Foundation spielen und weshalb er so sicher ist, die größte soziale Verbesserung der Welt bewirken zu können, verrät er im Podcast.
Konkrete Namen nennt Bernd Roggendorf zwar nicht, man arbeite schließlich auch nicht gezielt mit Testimonials. Aber man könne davon ausgehen, dass viele der großen Musikproduzent:innen Ableton nutzen und entsprechend viele Songs aus den Charts und anderen Toplisten unter anderem auch mit der Software aus Berlin produziert werden. „Ein Musiker, der damit arbeitet, nutzt das jeden Tag viele, viele Stunden. So eine Software wechselt man nicht mal so einfach“, sagt Roggendorf im Gespräch mit Philipp Westermeyer im OMR Podcast.
Dabei ist Ableton längst mehr als nur Software. Bernd Roggendorf hatte das Unternehmen 1999 gemeinsam mit Gerhard Behles gegründet, nachdem beide beim heute ebenfalls weltweit erfolgreichen Native Instruments aus Berlin gearbeitet hatten. Rund 500 Mitarbeitende sind für das Ökosystem aus Hardware und allen Produkten rund um Musikproduktion heute tätig. Wie viel Umsatz das Unternehmen derzeit erwirtschaftet, kann Roggendorf gar nicht genau sagen. „Noch keine 100 Millionen, aber irgendwas dadrunter“, sagt er.
Erst Musiksoftware, jetzt Schulsoftware
Dass er nicht mehr so nah dran und seit 2013 auch nicht mehr im operativen Geschäft aktiv ist, hat allerdings auch einen klaren Grund. „Hauptauslöser war die Diagnose eines Tumors in der Halswirbelsäule. Es ist alles gut gegangen, aber ich habe mich mit dem Tod beschäftigen müssen“, erklärt Roggendorf. „Und irgendwann habe ich mich dann gefragt, was ich eigentlich mit meiner Zeit, meinen Fähigkeiten und auch meinem Geld noch so erreichen will.“ Gemeinsam mit seiner Frau und den damals drei und fünf Jahre alten Kindern reist er ein Jahr um die Welt – und verbringt unter anderem drei Monate in Kibera, einem Slum in Nairobi, der Hauptstadt von Kenia. „Das waren die lehrreichsten drei Monate meines Lebens. Da habe ich gelernt, wie komplex die Welt ist“, so Bernd Roggendorf.
Weil in der Berliner Schule seiner Tochter anschließend schon früh Lernsoftware zum Einsatz kommt, sei eine Idee entstanden. „Mein naiver Gedanke war, eine Software zu entwickeln, mit der sich Kinder alles selber beibringen können“, erklärt Roggendorf. Der Informatiker legt los; eine erste dreimonatige Testphase mit zehn Tablets in einer Schule in Kenia liefert positive Zahlen. Heute würden bereits 30.000 Kinder die Software von EIDU nutzen, Ende des Jahres sollen es 100.000 sein. „Eigentlich sind wir noch ziemlich klein und auch ziemlich überfordert mit dem Wachstum, was wir gerade hinlegen“, sagt Bernd Roggendorf. „Aber damit sind wir trotzdem schon so groß und wichtig, dass wir zum Beispiel mit Unicef sprechen und von der Gates Foundation finanziert sind.“
Die ganz großen Pläne
Die Software von EIDU sei eine Plattform für Content von verschiedenen Bildungs-Tools. „Wir nehmen den besten Content, den es gibt und integrieren ihn in die Software. Dazu bauen wir Analysetools, ein Ökosystem und einen Marktplatz“, erklärt Bernd Roggendorf.
Dass seine Ambitionen ziemlich groß sind, wird spätestens dann klar, wenn er über das aktuelle Projekt von EIDU spricht. 20 bis 40 Millionen benötige man, um in Kenia alle Public Schools der Pre Primary Grades auszustatten. „Sowas gibt es auf der Welt noch nicht. Es gibt kein Beispiel, wo sowas mit Technologie gemacht wurde“, sagt Roggendorf. „Ich glaube, wir haben alles zusammen, um das größte soziale Improvement der Welt zu bewirken, was es je gegeben hat. Ich weiß, das klingt anmaßend, aber wir sind ziemlich kurz davor.“
Weshalb Bernd Roggendorf nie ein Fan von Marketing war, was die großen Herausforderungen sind, wenn man das Bildungssystem revolutionieren will und welche Rolle die Unternehmensform Verantwortungseigentum für seine Projekte spielt, hört Ihr in der aktuellen Folge des OMR Podcasts.
Alle Themen des Podcasts mit Bernd Roggendorf im Überblick:
- Die Gründungsgeschichte von Ableton, der frühe Markt digitaler Musikproduktion und das Geschäftsmodell von Audio-Software (02:30)
- Über das Wachstum von Ableton, das spezielle Verhältnis zu Marketing und Verkaufskanäle (12:00)
- Profitabilität, Investoren, die besondere Unternehmensform Verantwortungseigentum und Bernd Roggendorfs Rückzug 2013 (19:00)
- Drei Monate im kenianischen Slum Kibera und die Geburtsstunde der Lernsoftware Eidu (26:30)
- Größe, Vision und prominente Supporter von Eidu (43:50)
- Herausforderungen und KPIs von Bildung, Abhängigkeiten vom Internet und Smartphones und das Verhältnis zu Regierungen (1:00:00)