„Anta Sports“: Kaum bekannt und trotzdem drittgrößte Sportartikel-Marke der Welt
Der chinesische Konzern Anta Sports ist fast so viel wert wie Adidas – und will auch Marktführer Nike jetzt weltweit gefährlich werden
- Aufstieg einer Billo-Marke
- Angriff auf die ganze Welt
- Auf allen Kanälen
- Nike trotzdem uneinholbar vorn?
In China kennt Anta Sports jedes Kind – im Rest der Welt dürfte kaum jemand wissen, dass es die Brand überhaupt gibt. Mit einem Börsenwert von derzeit über 45 Milliarden US-Dollar ist das Unternehmen nach Nike und Adidas aber die drittgrößte Sportartikel-Marke der Welt. Auch außerhalb Chinas will Anta Sports jetzt die großen Marken angreifen und wird sogar als möglicher Reebok-Käufer gehandelt.
Die Gründungsgeschichte von Anta Sports hört sich fast ein bisschen zu schön an, um wahr zu sein. 1986 kauft Ding Shizhong für umgerechnet 1.500 US-Dollar, die er von seinem Vater geliehen hatte, 600 Paar Schuhe. Er macht sich aus der südlichen Provinz Fujian auf nach Peking und verkauft alles mit Gewinn. Den investiert er in der Heimat in eigene Fabriken, um Schuhe für internationale Brands herzustellen.
1991 reicht ihm das nicht mehr und Shizhong gründet Anta. Bis heute hat er daraus die drittgrößte Sportartikel-Marke der Welt gebaut – mit der er 2020 einen Umsatz von 5,37 Milliarden US-Dollar und einen Gewinn von 1,4 Milliarden Dollar erwirtschaftet hat. Bisher kommt ein Großteil dessen aus dem Heimatmarkt. Doch der Anta-Gründer hat große Pläne. Sein Mantra: „Ich will nicht das Nike Chinas bauen, sondern das Anta der Welt.“ Bis 2025 plant Anta Sports mit einem Umsatz von über 15 Milliarden US-Dollar.
Aufstieg einer Billo-Marke
Dabei ist Anta Sports sogar selbst auf dem Heimatmarkt lange Jahre unter dem Radar geflogen. „Ich war überrascht von der Bewertung zu hören“, sagt Yi Keijie, Content Manager bei China Marketing Insights gegenüber Business of Fashion. „Anta war in den Köpfen vieler Chinesen eine Brand für die kleineren Städte. Aber derzeit verbessert sich das Image immer weiter.“ In der Zeit bevor Nike, Adidas & Co. auch für chinesische Konsument*innen spannend wurden, kämpften lokale Player wie Anta, Li Ning und Peak mit günstigen Angeboten um den Massenmarkt. Als die großen westlichen Brands mit Hochglanz-Marketing auf dem Markt auftauchten, hatten die einheimischen Billo-Marken erst einmal keine Chance.
Der große chinesische Rivale Li Ning entscheidet sich für eine radikale Neuausrichtung seiner Brand – voll auf Qualität, sogar Richtung Luxus. Das Unternehmen taucht auf den Fashion Weeks von New York und Paris auf, wird Hauptsponsor der NBA und lanciert mit Superstar Dwyane Wade eine eigene „Way of Wade“-Linie an Schuhmodellen. Anta geht einen anderen Weg. Statt die Hauptmarke aufzupolieren, kauft das Unternehmen andere Brands mit anderen Zielgruppen.
Angriff auf die ganze Welt
2009 kauft Anta Sports das China-Geschäft der damals kriselnden Sportmarke Fila. Seitdem ist die Brand nicht nur in China wieder extrem beliebt und spricht dort eine kaufkräftigere Zielgruppe an als die Kernmarke. 2020 stellte das Fila-Segment in Sachen Umsatz die Hauptmarke Anta Sports sogar in den Schatten (2,67 Milliarden US-Dollar vs. 2,4 Milliarden US-Dollar). Allein im vergangenen Jahr ist das Geschäft von Fila China um 18 Prozent im Vergleich zum Vorjahr gewachsen. „Wir können nicht mit Nike oder Adidas mithalten mit nur einer Marke. Eine Multi-Brand-Strategie wird uns mehr Möglichkeiten geben“, so Gründer Ding Shizhong.
In den folgenden Jahren kauft Anta Sports weitere Marken wie Kolon Sport, Descente und weitere, bevor der bisher größte Zukauf über die Bühne geht: 2019 übernimmt das Unternehmen den finnischen Sportartikel-Hersteller Amer Sports für 5,2 Milliarden US-Dollar. Wem das nichts sagt: Die Finnen stecken hinter Marken wie Salomon (Outdoor), Atomic (Wintersport) und Wilson (Tennis und Volleyball). Allein dieser Zukauf vergrößert den weltweiten Fußabdruck von Anta Sports direkt. Insgesamt 25 Marken gehören heute zum Anta-Portfolio. Aktuell wird gemunkelt, dass die Chinesen auch an Reebok interessiert sind. Adidas will die Brand ja abstoßen und wir hatten zuletzt schon geträumt, was man mit ihr anstellen könnte.
Was sich Anta aber von Konkurrent Li Ning abgeschaut hat, sind Sponsoring-Deals mit Basketballern, anderen Sportlern und Events. Das Unternehmen entwickelt etwa mit den NBA-Superstars Klay Thompson und Gordon Hayward eigene Schuhe oder stattet IOC-Mitglieder mit Sportbekleidung für offizielle Anlässe wie die Olympischen Spiele aus. Auch bei den Winterspielen in Peking 2022 ist Anta als Sponsor dabei und stattet das komplette chinesische Team mit Sportbekleidung aus. Und auch auf Instagram gibt sich die Kernmarke international ziemlich cool und präsentiert seine NBA-Stars, Designer und vor allem Trainings- und Running-Klamotten.
Auf allen Kanälen
Gleichzeitig mit dem Zukauf von Brands hat Anta Sports auch seine Verkaufskanäle diversifiziert. Zwar bietet Anta seine Produkte auch über die klassischen chinesischen E-Commerce-Player wie T-Mall an, ähnlich wie Nike und Adidas steht aber auch immer stärker der direkte Kundenkontakt im Mittelpunkt. Auf dem Heimatmarkt betreibt Anta knapp 10.000 Shops seiner Kernmarke und 2.000 Fila-Stores. Damit hat das Unternehmen in China eine größere Präsenz mit eigenen Geschäften als Nike oder Li Ning.
Hinzu kommt das wachsende Online-Business, das im vergangenen Jahr um 50 Prozent im Vergleich zu 2019 gewachsen ist. Innerhalb der nächsten fünf Jahre solle es 40 Prozent des kompletten Umsatzes ausmachen.
Nike trotzdem uneinholbar vorn?
Trotz allem hat Anta Sports eine Mammutaufgabe vor sich, will das Unternehmen Nike und Adidas weltweit oder auch nur in China wirklich gefährlich werden. Noch machen Nike- und Adidas-Produkte zusammen über 43 Prozent des Sportswear-Marktes im Reich der Mitte aus. Anta kommt aktuell auf 16,4 Prozent. „In unseren Köpfen, als chinesische Konsument*innen, liegt Nike auf Platz 1“, sagt Content Managerin Yi Keijie gegenüber Business of Fashion. „Ich sehe viele Influencer, die Fotos in Nike-Klamotten posten und wenn du in China die Straße runterläufst, siehst du so viele Menschen mit Nike-Jacken und dem großen Swoosh vorne drauf. Das finden die Jüngeren einfach cool.“
Anta könnten derzeitige politische Spannungen aber gerade Recht kommen. Zuletzt hatten westliche Hersteller die Wut chinesischer Politiker*innen und auch Konsument*innen auf sich gezogen, weil sie sich dazu bekannt hatten, keine Baumwolle mehr aus Xinjiang zu beziehen. In der Region sollen Uiguren als Zwangsarbeiter eingesetzt werden. Besondere Zielscheibe war zuerst H&M, später gab es aber auch heftige Boykott-Aufrufe gegenüber Nike, Adidas und Puma. Große KOL (Key Opinion Leaders), also in China so wichtige Influencer, kündigten ihre Zusammenarbeit mit den Brands auf. Die Produkte verschwanden zudem von großen E-Commerce-Seiten und aus den Regalen vieler Retailer.
Und Anta ist sich seiner Chance offenbar bewusst. Das Unternehmen kappte kurzerhand seine Zusammenarbeit mit der Better Cotton Initiative, die ebenfalls gegen Baumwolle aus Xinjiang eintritt. So will die Marke offenbar das Wohlwollen vieler Chinesen für sich gewinnen. Das Problem: Mit der Strategie wird Anta Sports am Ende vielleicht doch „nur“ das Nike von China – ob sich die Welt so erobern lässt, bleibt fraglich.