VC-Legende Albert Wenger erklärt: Diese Thesen bestimmen seine Investment-Strategie

Martin Gardt9.10.2022

Im OMR Podcast spricht er über Elon Musks Twitter-Fiasko und den Klima-Fonds von USV

Albert Wenger von Union Square Ventures
Albert Wenger, Partner bei Union Square Ventures (Bild: USV / Sebastian Weinmann)
Inhalt
  1. Netzwerke: Erst geliebt, jetzt verachtet
  2. Milliarden-Deals für die Infrastruktur
  3. Der Weg ins Wissenszeitalter
  4. Die Themen des OMR Podcasts mit Albert Wenger im Überblick:

Albert Wenger lebt seit über 20 Jahren in den USA, ist General Partner bei der renommierten VC-Firmen Union Square Ventures (USV) und nach 2018 zum zweiten Mal im OMR Podcast zu Gast. Hier erzählt der Investment-Profi, nach welchen Thesen USV in junge Startups investiert, was es für eine robustere Antwort auf den Klimawandel braucht und warum der Twitter-Deal von Elon Musk gerade so schiefgeht.

Mit Albert Wenger könnten wir alle möglichen Themen besprechen – von der Weltpolitik bis zum US-Sport. Um den Podcast aber im zeitlichen Rahmen zu halten, geht Philipp Westermeyer die Thesen von Wengers Arbeitgeber Union Square Ventures mit ihm durch. Die Venture-Capital-Firma investiert seit Jahren getrieben durch aktuelle Thesen in neue Projekte – und fährt damit extrem erfolgreich. Das Unternehmen war unter anderem Frühinvestor bei Twitter, Stripe, Cloudflare und Coinbase. Wenger selbst treibt bei USV vor allem den Klima-Fonds voran, über den das Unternehmen zielgerichtet in Technologien investiert, den Klimawandel abmildern oder die Anpassung an neue Bedingungen unterstützen.

Netzwerke: Erst geliebt, jetzt verachtet

Das große Thesengewitter beginnt bei Union Square Ventures mit Version 1.0. Das Unternehmen investiert Ende der Nullerjahre vor allem in große Netzwerke, die sich durch User-Experience absetzen und durch Netzwerkeffekte Wettbewerbsvorteile genießen. Heißt zu der Zeit: Twitter, Tumblr, Etsy, Zynga, Soundcloud. Weil USV früh dabei ist, lohnen sich viele der Deals extrem. Heute denken Albert Wenger und USV etwas anders über große Netzwerke. „Wir denken, dass viele dieser großen Systeme anders reguliert werden müssen und eine offene API brauchen“, sagt er im OMR Podcast. „Wir sollten Systeme wie Amazon, Facebook, Twitter, usw. programmierbar machen, damit Innovation stattfinden kann.“

Mit seiner Twitter-Erfahrung blickt Wenger auch auf das Durcheinander des Elon-Musk-Deals. „Er macht viele Dinge einfach mal so. Er ist ein unglaublicher Unternehmer, der mehrere ikonische, wichtige Firmen gebaut hat“, so Wenger. „In diesem Fall wäre es besser gewesen, wenn jemand in seinem Umfeld gesagt hätte: nicht so schnell, nochmal nachdenken.“ Der Unterschied zu Musks ikonischen Firmen: „SpaceX und Tesla haben Herausforderungen, die man mit Ingenieuren lösen kann. Die Probleme von Twitter haben mit sozialen Systemen zu tun. Das sind komplexere Probleme.“

Milliarden-Deals für die Infrastruktur

Union Square Ventures habe diese Probleme erkannt – auch weil Netzwerke durch den Regulationsdruck und die marktdominierenden Player nicht mehr die spannendsten Geschäftsmodelle sind. Deshalb steigt das Unternehmen schon ab 2008 langsam auf These 2.0 um: Startups, die digitale Infrastruktur bauen, haben das größte Potenzial. In der Phase investiert USV in Twilio, Cloudflare, Stripe, Coinbase oder DuckDuckGo. „Wir haben gesagt: Wir brauchen Infrastruktur, auf der digitale Innovation leicht stattfinden kann“, so Wenger.

Mit der Zeit habe sich die These auf das Web3 verlagert und USV investiere auch verstärkt in Blockchain- und Crypto-Firmen. „Wir glauben, dass nicht eine Firma den Markt komplett kontrollieren sollte“, sagt er. „Die Frage ist ja: Wie können wir eine gemeinsame Datenbank haben, ohne dass diese nur einer Firma mit Zugang Macht gibt. Amazon ist am Ende eine große Datenbank. Und die haben den kompletten Überblick und wir nur kleine Einblicke.“ Albert Wenger glaube weiterhin an die Chancen von Blockchain, Crypto, Web3 & Co. Er weiß aber, dass die Idee auch scheitern kann: „Viele Politiker sind gegen diese neue Infrastruktur. Deshalb wird das sehr viel länger dauern. Es könnte auch nie erfolgreich werden.“

Der Weg ins Wissenszeitalter

Jetzt ist USV bei der dritten These angekommen und investiert verstärkt in Startups, die Zugang zu Wissen, Kapital und Gesundheit bieten – und die Vertrauen in die eigene Marke aufbauen können. „Es geht um Dinge, die vorher wenigen Menschen zugänglich waren und jetzt vielen zugänglich sind“, so Wenger. Dazu zählt etwa der Zugang zu Krediten in vielen Ländern oder als einfachstes Beispiel Duolingo, die teilweise kostenlose Sprachlern-App. Die These ist noch frisch, viele der Firmen, in die USV investiert hat, eher unbekannt. Es passiere aber viel im Lernbereich, Wenger geht schließlich davon aus, dass wir derzeit in der Übergangsphase zwischen dem Industrie- und dem Wissenszeitalter stecken. „Der Übergang wird brutal, weil wir bei der Klimakrise hinten dran sind und nicht konsequent die Instrumente nutzen“, sagt er.

Diese Ansicht ist einer der Gründe, warum Albert Wenger und USV groß in Klima-Startups investieren. 162 Millionen Euro schwer ist allein der Klima-Fonds von USV. Insgesamt ist er aktuell nicht besonders optimistisch, dass sich allein mit solchen Geldbeträgen der Kampf gegen den Klimawandel gewinnen lässt: „Wir haben jetzt schon die Technologien. Was wir nicht haben, ist der politische Wille, die in ausreichendem Umfang einzusetzen. Wir müssten 50 Prozent des Bruttosozialprodukts darauf verwenden und sind aktuell eher bei zwei bis drei Prozent.“ Am Ende zeige sich hier, was Wenger in seinem neuen Buch „The World After Capital“ beschreibt: Aufmerksamkeit und nicht Kapital ist die Währung der Zukunft. „Solange wir denken, dass die Klimakrise in der Zukunft liegt, haben wir nicht genug Aufmerksamkeit auf dem Thema. […] Irgendwann ist man soweit hinten dran, dass man große Probleme bekommt.

Wie Albert Wenger sein privates Geld investiert, welche deutschen Unternehmen er gerade stark findet und warum er ein Fan der Rationierung auf dem Burning Man Festival ist, hört Ihr in der neuen Folge des OMR Podcasts.

Die Themen des OMR Podcasts mit Albert Wenger im Überblick:

  • Albert Wenger über den Twitter-Deal von Elon Musk (ab 4:30)
  • Die Infrastruktur- und Crypto-These von Union Square Ventures (ab 11:00)
  • These 3.0: Was sind die aktuellen Themen für Albert Wenger (ab 23:00)
  • Die Klimathese und Wengers Blick auf den Klimawandel (ab 29:00)
  • Über Wengers neues Buch und die Aufmerksamkeits-Ökonomie (ab 52:30)
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Autor*In
Martin Gardt

Martin kümmert sich vor allem um neue Artikel für OMR.com und den Social-Media-Auftritt. Nach dem Studium der Kommunikations- und Medienwissenschaft ging er zur Axel Springer Akademie, der Journalistenschule des Axel Springer Verlags. Danach arbeitete er bei der COMPUTER BILD mit Fokus auf News aus der digitalen Welt und Start-ups. Am Wochenende findet Ihr ihn auf der Gegengerade im Millerntor.

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