Dieser Bauarbeiter verarscht Influencer auf Instagram – und ist selbst eine Werbefigur

Wie ein Café mit einem gefaktem Fake Influencer Aufmerksamkeit generiert

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Es klingt nach einer Geschichte, wie sie nur das Internet schreiben kann: Ein stämmiger Bauarbeiter mit Glatze und Kinnbart persifliert auf seinem Instagram-Account mit Witz und Charme typische Influencer-Motive, gewinnt – nachdem seine Tochter über ihn getweetet hat – damit mehr als eine halbe Million Follower und wird Gegenstand weltweiter Medienberichterstattung. Doch die Wahrheit ist weitaus ernüchternder.

Es ist alles da: Auf seinem Instagram-Account „just a construction guy“ („Einfach ein Bauarbeiter“) postet der Bauarbeiter Omar (sein Nachname ist der Öffentlichkeit unbekannt) aus dem texanischen Austin Fotos, die jedem Influencer zur Ehre gereichen würden. Etwa appetitlich aussehende, von oben fotografierte Mahlzeiten.

Einen Kaffee mit einem liebevoll gestalteten Herz aus Milchschaum an der Oberfläche – wenn auch im Becher einer Thermoskanne:

Ein so genanntes „Splash Foto“, bei dem eine Flüssigkeit durch die Luft schwebt und wie in der Zeit eingefroren wirkt:

Ein so genanntes Flatlay-Bild, bei dem „Daily Essentials“ auf dem Boden ausgebreitet aus der Vogelperspektive fotografiert werden.

Sogar die berühmte „#followmeto„-Pose, die ihrem Erfinder, dem russischen Fotografen Murad Osmann, zu mehr als vier Millionen Instagram Followern und weltweiter Bekanntheit verholfen hat, kopiert Omar mit einem seiner Kollegen in typischer Bauarbeiter-Montur:

Die ersten Posts des Accounts stammen von Anfang Mai. Mitte Juni setzt der Twitter-Account „barbzlovescarbs“ folgenden Tweet ab, der auf den Instagram-Account verweist: „Mein Vater hat mich gefragt, was ein Influencer ist, und nachdem ich es ihm erklärt habe, sagte er: ‚Pfff, das könnte ich auch.‘ Nunja… das hat er dann auch. Das beste daran ist, dass er ein Bauarbeiter ist.“ Der Meme-Account „middleclassfancy“ (aktuell 1,3 Millionen Follower auf Instagram) postet einen Screenshot des Tweets, inklusive einiger Fotos von Omar, auf Instagram – und plötzlich steigt die Abonnentenzahl von Omars Account rasant an.

Vor dem Post von „middleclassfancy“ soll die Zahl von Omars Instagram Abonnenten bei unter 10.000 gelegen haben. Danach steigt sie innerhalb weniger Tage auf mehrere Hunderttausend an. Aktuell zählt Instagram 518.000 Follower von Omar. Zu dem enormen Reichweitenanstieg noch beigetragen haben dürfte, dass weltweit diverse Medien über den Bauarbeiter-Influencer berichtet haben, in Deutschland beispielsweise die Welt (mittlerweile gelöscht, hier noch im Google-Cache abrufbar), Ströers Boulevard-Portal Watson sowie Gruners Promi-Postille Gala.

Ein erfundener „Blaumann-Influencer“

Doch wie sich nun herausgestellt hat, hat sich die schöne Geschichte nicht ganz so zugetragen, wie es bisher schien. Denn Omars Account wurde als Marketing-Gag von einem Café in Austin eingerichtet und betrieben. Die Aktion sei Ergebnis eines Brainstormings gewesen, das vor etwa einem Monat stattgefunden habe, so Mike McKim, Inhaber von „Cuvée Coffee“ gegenüber Buzzfeed. „Die ganze Idee bestand darin, dass Influencer, so wie wir sie bisher kennen, nicht zu unserer Marke gepasst hätten. Wir brauchten eine andere Art Influencer: einen harten Arbeiter, einen Blaumann-Typen.“

McKim habe deswegen gemeinsam mit der Agentur „Bandolier Media“ den Omar-Account geschaffen. Die Agentur habe Omar angestellt und ihn für die erstellten Fotos bezahlt. Wer den Tweet von Omars angeblicher Tochter abgesetzt habe, wisse er nicht, so McKim gegenüber Buzzfeed. Es sei kein Geld ausgegeben worden, um den Account zu promoten, schreibt der Café-Inhaber im Blog von Cuvée Coffee.

„Anti-Influencer-Marketing-Marketing“

Unter dem Post von Cuvée Coffee zeigen sich einige Nutzer enttäuscht von der Auflösung: „Mein Herz ist gebrochen; ich dachte, die Geschichte sei echt“, lautet der meist-gelikte Kommentar. Rein aus aufmerksamkeitsökonomischen Gesichtspunkten war die Aktion vermutlich trotzdem clever gewählt. Kaum ein Thema hat innerhalb der vergangenen 24 Monate im Netz dauerhaft so polarisiert wie Influencer Marketing. Entsprechend groß ist die Aufmerksamkeit dafür.

Während Abermillionen von Menschen den großen Influencer-Accounts folgen, reagieren viele andere mit Ablehnung auf das Phänomen. Ein Rant-Video über Influencer einer deutschsprachigen Facebook-Seite verzeichnet bislang 1,7 Millionen Abrufe. Auch auf OMR.com verzeichnen wir mit Artikeln über die kuriosen Ausprägungen von Influencer Marketing sowie die unfreiwillig komischsten Influencer-Werbeposts enorme Abrufzahlen. Mit „Anti-Influencer-Marketing-Marketing“ lässt sich also offensichtlich ebenso eine enorme Aufmerksamkeit generieren.

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Roland Eisenbrand
Autor*In
Roland Eisenbrand

Roland ist seit mehr als zehn Jahren als Journalist in der Digitalbranche aktiv. Seit 2014 verantwortet er als Head of Content (und zweiter Mitarbeiter) alle inhaltlichen Komponenten von OMR, darunter vor allem den OMR Blog und redaktionelle Arbeit rund um das OMR Festival.

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