Amazon rüstet im Krieg mit Markenartiklern auf: „Kauf doch lieber ein Amazon-Produkt…“
Die Plattform verlinkt direkt neben Markenartikeln ihre Eigenmarken
- Erster Händler beschwert sich über die Kaperung seines Listings
- Auch Kategorienseiten sind offenbar betroffen
- Kapert Amazon auch Brand-Keywords?
- Kommt das Feature nach Deutschland?
- „Alexa, wie lange überlebt meine Marke noch?“
„Lieber Kunde, willst Du wirklich das Produkt dieser alteingesessenen Marke kaufen, oder nicht doch lieber das von unserer Amazon-eigenen Marke?“ – Diese Frage stellt Amazon aktuell offenbar implizit den eigenen Kunden in den USA. So verweist das Unternehmen beispielsweise neben Feuchttüchern von Pampers auf „vergleichbare Produkte unserer Marken“, in diesem Fall Amazon Essentials. OMR-Recherchen zeigen, dass das Feature offenbar auch in Deutschland eingeführt werden soll. Auf den ersten Blick mag es nur ein kleiner Teilsatz auf einer vollgestopften Seite sein – aber dieser birgt enorme Sprengkraft: „Similar item from our brands“ (also vergleichbare Produkte der Amazon-Eigenmarken) verlinkt der Handelsgigant auf seiner US-Plattform offenbar seit Kurzem neben den Artikeln anderer Markenartikel. Wie E-Commerce-Analyst Izzy Benoliel in einem Screenshot im Business-Netzwerk LinkedIn zeigt, ist ihm auf der Ergebnisseite zu einer Suche nach dem Begriff „baby wipes“ (also Baby-Feuchttücher) ein solcher Link mehrfach eingeblendet worden, u.a. neben den Produkt-Listings der Konsumgütermarken Pampers (Procter & Gamble) und Huggies (Kimberly-Clark).
Erster Händler beschwert sich über die Kaperung seines Listings
„Was würdet Ihr tun, wenn einer Eurer Mitbewerber mit einem einzigen Produkt zwölf Mal auf einer Suchergebnisseite auftaucht?“, kommentiert Benoliel seine Entdeckung. Bei Amazon sei genau dies der Fall. „Amazon geht den nächsten Schritt in Sachen Marken kapern und integriert einen Link zu einem eigenen Private-Label-Produkt auf nahezu jeder ersten Suchergebnisseite“, so Benoliel weiter in seinem Post, den er mit dem Hashtag #AmazonWarOnBrands versehen hat.
Im Seller-Forum von Amazon berichtet ein Händler davon, die gleiche Erfahrung gemacht zu haben und belegt dies mit einem Screenshot. So sei das Listing seines eigenen Produktes mit dem entsprechenden Zusatz versehen worden, der potenzielle Käufer möglicherweise zu einem ähnlichen Produkt einer Amazon-Eigenmarke weiterleitet.
Auch Kategorienseiten sind offenbar betroffen
Das Phänomen lässt sich von Deutschland aus rekonstruieren: Wer mittels Google Amazon.com nach der Phrase „similar item from our brands“ durchsucht und auf der Google-Suchergebnisseite einen Link aus dem Google Cache aufruft, stößt auf ebensolche Verweise. Die über Google gefundenen Beispiele legen zudem die Vermutung nahe, dass Amazon die Links zu den Eigenmarkenprodukten nicht nur auf Suchergebnisseiten, sondern auch Kategorienseiten (der Besucher klickt sich durch die Menüs zu einer bestimmten Produktkategorie) einblendet.
Kapert Amazon auch Brand-Keywords?
Nicht von Deutschland aus ermittelbar ist, ob Amazon auch auf die Eigenmarken verweist, wenn die Nutzer nach Markenbegriffen suchen. Würde ein Nutzer „pampers“ in den Amazon-Suchschlitz eingeben und bekäme gleich neben dem ersten Produktergebnis das Windel-Produkt von Amazon empfohlen, wäre dies ein noch größerer Affront Amazons gegenüber den Markenartiklern.
Unklar ist ebenfalls, ob Amazon diese Funktion Nutzern, die die US-Plattform von Deutschland aus besuchen, nicht anzeigt, oder ob das Phänomen nicht vielleicht doch nur im Rahmen eines zeitlich begrenzten Tests auftritt. Denn ruft man die von Google gefundenen Seiten, die die entsprechende Phrase enthalten sollen, direkt (und nicht aus dem Google-Cache) auf, ist der Verweis nicht mehr auffindbar. OMR hat bei Amazon eine entsprechende Presse-Anfrage gestellt. Doch selbst falls dies nur ein temporärer Test sein sollte, zeigt er, in welchem Maße Amazon dazu bereit ist, aus der eigenen Vormachtstellung gegenüber den Marken Profit zu schlagen.
Kommt das Feature nach Deutschland?
Die Recherche von OMR deutet zudem darauf hin, dass Amazon offenbar zumindest erwägt, dieses Feature in Deutschland einzuführen. Denn wer bei Google nach „ähnliche artikel unserer marken“ site:amazon.de sucht, und die von Google gelisteten Ergebnisse erneut aus dem Google Cache aufruft, stößt auch in diesem Fall auf entsprechende Seiten.
Zudem wird bei einigen der deutschen Beispielseiten (wie auf der oben abgebildeten Suchergebnisseite für Wasserkocher) ein weiteres Element eingeblendet, mit dem Amazon offenbar das Eigenmarkenportfolio pushen möchte: ein Kasten „Top-bewertete Produkte unserer Marken“, in dem die Produkte konkret zu sehen sind. Aktuell ist dieses Element auf der US-Plattform Amazon.com auf einigen Seiten offenbar schon live, beispielsweise auf der Suchergebnisseite für „teeth whitening“.„Alexa, wie lange überlebt meine Marke noch?“
Dass Amazon sein Eigenmarkenportfolio forcieren will, haben wir bereits im OMR Briefing #12 gezeigt. Mittlerweile ist die Zahl von Amazons Private-Label-Brands auf mehr als 70 angestiegen, wie der US-Blog Recode im vergangenen April ermittelt hat. Mindestens 15 davon verkauft Amazon auch in Deutschland, hat Internet World vor wenigen Wochen recherchiert.
Wie skrupellos Amazon darin sein kann, andere Marken von der eigenen Plattform zu verdrängen, hat Marketingprofessor Scott Galloway bereits 2017 gezeigt: So gab die US-Version von Amazons Sprachassistentin Alexa auf den Befehl „Alexa, buy batteries!“ an, alleine Batterien von Amazon Basics anbieten zu können. Obwohl doch auf Amazons Plattform über die Desktop-Suche auch Produkte von Markenherstellern wie Energizer und Duracell verfügbar sind.Danke an Christian Otto Kelm von Content Keyword Management für den Hinweis auf Izzy Benoliels LinkedIn-Post!