Der „Akinator“ weiß immer noch, an welchen Promi Ihr denkt – und setzt Millionen um

Martin Gardt28.9.2018

Vor elf Jahren entwickelte ein Franzose den "allwissenden" Akinator. Bis heute sammelt das Unternehmen Nutzer auf der ganzen Welt

Akinator
Akinator

Ihr habt es bestimmt schon alle mal ausprobiert: Sich einfach mal einen Promi vorstellen und den Akinator raten lassen – im Stile der früher populären TV-Show „Wer bin ich“. Der Flaschengeist stellt dem Nutzer Ja-Nein-Fragen, um auf die gedachte Person zu kommen. Seit elf Jahren begeistert das einfache Spiel Millionen Nutzer. Wir zeigen, wie es die kleine 10-Mann-Firma hinter Akinator schafft, den Dschinni auf immer neue Plattformen zu bringen, Millionen Zugriffe im Monat zu generieren und diese dann zu monetarisieren.

Jerome Soreau Akinator

Jerome Soreau, CMO bei Elokence

„Unser Gründer Arnaud Megret hat seinen Job gekündigt, um das Spiel zu reproduzieren, das er immer mit seinen Kindern auf langen Autofahrten gespielt hat“, sagt Jerome Soreau, der CMO von Elokence, zu OMR. Die kleine französische Firma wurde von Megret gegründet, nachdem dieser entschieden hatte, aus Akinator ein Geschäftsmodell zu machen. In Frankreich sei es laut Soreau ein typischer Zeitvertreib, Kinder Tiere raten zu lassen, an die man gerade denke. „Zum Start hatte das Spiel hundert zu erratende französische Charaktere. Arnaud ließ sich damals von Wikipedia inspirieren“, sagt Soreau. Der Algorithmus des Akinators lernt mit jeder gespielten Runde mit und wird so Jahr für Jahr immer genauer in Sachen Promi-Raten.

Zum Start 2007 heißen das Spiel und der Flaschengeist noch „Devinator“ nach dem französischen Wort für „erraten“ deviner. Um auch international erfolgreich zu werden, benennt Erfinder Megret das Spiel 2009 in Akinator um – ein Fantasiebegriff. Damit erschafft er eine Marke, die bis heute Millionen Nutzer kennen. „Als Akinator 2009 zur neuen Brand wurde, haben wir direkt eine passende App für iOS und Android veröffentlicht“, so Soreau.

Produkt als erster wichtiger Hebel

„Die beiden wichtigsten Schlüssel für den Erfolg von Akinator sind das Produkt selbst, das ja einen Wow-Faktor hat und verschiedene Growth-Hacking-Strategien“, sagt CMO Soreau. Die ersten lokalen Erfolge in Frankreich hätten komplett auf Word-Of-Mouth der Nutzer basiert. Deshalb sei der nächste Schritt gewesen, den Akinator ins Englische zu übertragen. Auf der englischen basieren in der Folge alle weiteren Sprach-Versionen. Heute rät der Akinator in 16 verschiedenen Sprachen, an welchen Prominenten oder welche Sache der Nutzer denkt. Das Team hinter dem Spiel schaue ständig, aus welchen Ländern viel Traffic auf der englischsprachigen Seite lande, um zu entscheiden, welche Sprache als nächstes umgesetzt werde.

Akinator Screenshot

Akinator rät, an welchen Prominenten oder welche fiktive Figur Ihr denkt.

So verzeichnet der Akinator auch heute noch nach Unternehmensangaben über elf Millionen Spieler pro Monat auf der ganzen Welt – vor allem aus den USA, Japan und Europa. „Fünf Millionen kommen über unsere Apps, drei Millionen über das Web“, so Soreau. Laut dem Berliner App-Analytics-Tool Priori Data wurde die kostenlose iOS-App in 2018 bisher 5,3 Millionen Mal heruntergeladen, die Android-Variante 14,2 Millionen Mal. Hinzu kommen die drei weiteren Akinator-Versionen VIP (kostenpflichtig, werbefrei, mit allen Funktionen), Safari (Tiere raten) und Akinator & Co (Multiplayer gegen Freunde). Laut Soreau gibt es in der Nutzung Unterschiede zwischen App und Web. Der durchschnittliche Desktop-Nutzer spiele 15, der App-Nutzer im Durchschnitt 22 Rate-Spiele im Monat.

Aggressive Ad-Strategie

Pro Nutzer mache Elokence nur wenig durchschnittlichen Umsatz. Ohne Level und Spielfortschritt sei es schwer, die Spieler immer wieder zurück in die App oder auf die Webseite zu holen. Laut Soreau liege der Jahresumsatz zwischen drei und vier Millionen Euro. Im Web monetarisiert das Unternehmen die Millionen Zugriffe über Googles Ad Manager (Googles neuer Name für die Ad Exchange). „Wir monetarisieren die Freemium App mit einer Kombination aus Display Ads, Interstitials (ganzseitige Video- oder Display-Ad) und Reward-Videos“, so Soreau. Die Display-Formate liefert die Hamburger Ad-Tech Firma Addapptr. Die lässt in Echtzeit Auktionen der großen Werbenetzwerke gegeneinander laufen und spielt dann die Ad des Meistbietenden aus.

Reward-Videos schauen Spieler, die dadurch Coins erhalten oder zusätzliche Features freischalten wollen. Mit den Coins können sie zum Beispiel neue Kleidung für den Flaschengeist in der App kaufen. Die aggressive Ad-Strategie scheint zwar das Unternehmen über Wasser zu halten, sorgt bei vielen Nutzern aber für Unmut – wie die durchschnittliche 3-Sterne-Bewertung im App Store zeigt. Hier beschweren sich viele über dauernde Werbung und störende Video-Ads. Vielleicht steckt bei den Machern auch ein wenig Kalkül dahinter. Die Bezahlvariante des Spiels kostet immerhin 2,29 Euro.

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Zum Growth Hacking gezwungen

Wie schafft es ein so altes und kaum verändertes Spiel Jahr für Jahr Millionen Downloads zu generieren? Laut Jerome Soreau habe das Unternehmen zu Beginn versucht, mit PR-Stories und klassischen Banner-Ads für Aufmerksamkeit und Traffic zu sorgen. Viel Geld für Marketing ist wegen des geringen Umsatzes pro Nutzer nicht da. Deshalb setzen die Akinator-Macher seit jeher auf verschiedene Growth-Hacking-Mechanismen.

Zuerst sei da ASO (App Store Optimization) gewesen, so Soreau. Weil die Akinator-Apps schon in der Anfangsphase der App Stores (Apple und Google starteten 2008 damit, Apps anzubieten) verfügbar waren, sei man unter vielen kurzfristig auf den Markt geworfenen Programmen direkt aufgefallen. Bis heute arbeitet das kleine französische Team eng mit Apple und Google zusammen. Laut CMO Soreau lande das Spiel oft in den mittlerweile wichtigen Empfehlungen der Plattform-Betreiber, weil es immer noch viele Downloads generiere, viele Nutzer nach dem Testen der Free Version auch zahlen würden und weil die Bewertungen gut seien – wogegen allerdings die 3-Sterne-Bewertung der deutschen Version spricht. Lang gehegte Beziehungen helfen vielleicht am Ende am besten, wenn es um die Black Box App-Empfehlungen in den Stores geht.

Influencer und schnelle Plattform-Strategie

Der zweite günstige Wachstumshebel seien Youtube-Influencer. „Verschiedene Influencer haben Akinator schon ihrer Community empfohlen. Wir glauben, dass sie auf das Spiel aufmerksam geworden sind, weil viele ihrer Fans den Influencer vom Flaschengeist raten lassen“, sagt Soreau. Zum Teil müsse das Unternehmen diese nicht einmal bezahlen. In Deutschland tut sich vor allem der Let’s Player Luca Scharpenberg alias „ConCrafter“ hervor. Seinen 3,3 Millionen Youtube-Abonnenten hat er schon mehrfach Akinator vorgestellt. Das Spiel bietet sich für diese Art des Influencer Marketings geradezu an. ConCrafter freut sich in seinen Videos darüber, dass der Akinator ihn selbst, seinen Popel oder seine Kissen-Kollektion kennt. Die Videos haben jeweils mehrer Millionen Aufrufe. Die Youtube-Strategie lässt sich für das Unternehmen weltweit skalieren, es finden sich unzählige Videos in verschiedenen Sprachen auf der Plattform – vor allem von Gaming Youtubern.

Der dritte Growth-Hebel für Akinator ist laut Soreau die schnelle Reaktion auf die Einführung neuer Plattformen. „Wir haben direkt eine Akinator-App für die Voice-Plattformen Amazon Echo, Google Home und Microsoft Cortana veröffentlicht, um hier einen Vorsprung zu haben und schnell Traffic über diese Kanäle zu generieren“, so Soreau. Bereits Ende 2017 wird die deutsche Version des Akinator-Skills für Amazons Echo veröffentlicht. Auch aktuell zeigt Amazon Deutschland das Spiel unter den Top-Skills an.

Über Spiele hinausgehen

In Zukunft sollen nicht nur weitere Akinator-Versionen für eine Umsatzsteigerung sorgen. Eine Version mit Tieren ist bereits erschienen, auch Objekte- und Orte-Raten sind angedacht. Vielmehr überlegt Elokence, wie es möglich wäre, DSGVO-konform die Location-Daten der Nutzer an interessierte Unternehmen zu verkaufen. Vor allem die Daten der US-Nutzer seien wertvoll. Außerdem lässt Soreau im Gespräch bereits ein neues Projekt durchscheinen. Das Unternehmen wolle die Akinator-Technologie nutzen, um Menschen das Finden von Dingen im Netz zu ermöglichen. Mehr wollte Soreau gegenüber OMR nicht verraten. Daran arbeite Elokence allerdings bereits seit zwei Jahren – im nächsten Jahr soll das Projekt öffentlich gestartet werden.

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Martin Gardt

Martin kümmert sich vor allem um neue Artikel für OMR.com und den Social-Media-Auftritt. Nach dem Studium der Kommunikations- und Medienwissenschaft ging er zur Axel Springer Akademie, der Journalistenschule des Axel Springer Verlags. Danach arbeitete er bei der COMPUTER BILD mit Fokus auf News aus der digitalen Welt und Start-ups. Am Wochenende findet Ihr ihn auf der Gegengerade im Millerntor.

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