Wildling Shoes: Mit Facebook-Gruppen zu 150.000 verkauften Schuhen im Jahr

Martin Gardt13.2.2020

Anna und Ran Yona wollen mit Wildling Shoes eine neue Art des Schuhs etablieren – und haben sich eine treue Community aufgebaut

Wildling Shoes Gründer
Die Wildling-Shoes-Gründer Ran und Anna Yona
Inhalt
  1. DTC in nachhaltig
  2. Facebook-Gruppen mit Zehntausenden Fans
  3. Community Building ab der ersten Sekunde
  4. Drop-Marketing wider Willen
  5. Influencer helfen auch beim Content

Drei Jahre nach dem Start ihres Online Shops verkaufen Anna und Ran Yona 150.000 Paar ihrer Wildling Shoes pro Jahr – exklusiv über die eigene Seite. Sie wollen die Nische des „Minimalschuhs“ besetzen und mit Nachhaltigkeit überzeugen. Wir zeigen, wie die beiden schon während der Entwicklung des ersten Schuhs eine Community aufgebaut haben, fast durch Zufall eine heute riesige Facebook-Gruppe rund um die Brand entstanden ist und sie fast unter dem Radar das vielleicht erfolgreichste Direct-to-Consumer-Startup Deutschlands aufgebaut haben.

Anna Yona lernt ihren Mann Ran in dessen Heimat Israel kennen. Die beiden starten ihr gemeinsames Leben dort, führen ein Fitness-Studio und bekommen drei Kinder. Dann ziehen sie wegen besserer Bildungschancen für die Kinder nach Deutschland und müssen überlegen, wie es weitergeht. „Unsere Kinder sind in Israel viel barfuß unterwegs gewesen. Nach dem Umzug nach Deutschland mussten sie dann Schuhe tragen und in denen konnten sie gar nicht richtig laufen“, sagt Wildling-Shoes-Gründerin Anna Yona gegenüber OMR. Das Gründerpaar erdenkt ein Konzept, dass sie „Minimalschuh“ nennen – auch, um sich von den etwas nerdigen Barfußschuhen abzusetzen. Die besonders flexible Sohle und die leichten Materialien sollen den Trägern das Gefühl geben, barfuß unterwegs zu sein – mit allen Freiheiten für den Fuß. Anna und Ran Yona nennen ihr Unternehmen deshalb Wildling Shoes.

Wildling Shoes Schuhmodell

Das Wildling Shoes Modell Nebula. Vor allem die Sohle soll das Barfuß-Gefühl unterstützen

„Jeder macht seine Füße mit konventionellem Schuhwerk kaputt. Wir wollen einen Schuh bieten, den man kaum spürt und der sich an den Fuß anpasst“, so Yona. „Erst hatten wir nur einen Kinderschuh geplant, aber sofort haben viele Eltern gefragt, ob wir für sie nicht auch einen entwickeln könnten.“  

DTC in nachhaltig

2014 starten Anna und Ran Yona mit der Entwicklung des Produkts. 2015 nehmen sie bei Kickstarter 75.000 Euro mit ihrer ersten Kollektion ein. 2016 geht der Online-Shop an den Start. „Die Schuhe gibt es nur direkt bei uns. Wir möchten die Marken-Darstellung in der eigenen Hand haben und so die Geschichte selbst aufbauen“, sagt Yona. Im Shop sind aktuell 54 Schuhmodelle gelistet, hinzu kommen Accessoires wie Schnürsenkel und Einlegesohlen. „Unsere Hauptzielgruppe sind Mütter, die dann ihre ganze Familie und am besten noch ein paar Nachbarn mit Wildling-Schuhen ausstatten“, so die Gründerin. „Weil wir direkt an die Kund*innen verkaufen, können wir uns auch die hohen Herstellungskosten leisten.“ Die seien so hoch, weil Wildling vor allem auf reine Naturstoffe wie Baumwolle, Hanf, Leinen und Kork setzt. Einige Modelle sind komplett vegan. „Wir können die komplette Materialverarbeitung bis zum Rohstoff nachvollziehen“, so Yona. 

Produziert wird in Portugal, wo Wildling zwei Fabriken komplett auslaste und mit weiteren zusammenarbeite. Die Produktion in Europa ist teurer als in anderen Ländern. Dementsprechend ruft das Unternehmen Preise zwischen 65 Euro für Babyschuhe und 120 Euro für die teuersten Erwachsenenmodelle auf. Anna Yona will im Gespräch mit OMR zwar nicht über explizite Umsatzzahlen sprechen, bei 150.000 verkauften Paaren in 2019 lässt sich die Größenordnung aber erahnen. Seit 2016 sei das Unternehmen in Sachen Umsatz jedes Jahr um 100 Prozent gewachsen – und das ohne Risikokapital oder Investoren. Mittlerweile hat Wildling Shoes 120 Mitarbeiter – die meisten arbeiten im Home Office in ganz Deutschland verteilt.

Facebook-Gruppen mit Zehntausenden Fans

Diese Zahlen hat Wildling vor allem seiner engagierten Community zu verdanken. Wir sind testweise der offiziellen Facebook-Gruppe „Wildling Community“ beigetreten – hier tummeln sich mehr als 19.000 Fans der Marke. Und die teilen ihre Erfahrungen, fragen nach Farbvarianten und freuen sich gemeinsam auf die nächste Kollektion. Das Engagement in so einer Gruppe ist noch einmal deutlich höher als auf dem Unternehmensaccount mit immerhin mehr als 35.000 Fans. Da kommt ein Bild mit einem Wildling-Schuh von einer Kundin auch schonmal auf 160 Likes und 340 Kommentare.

Zwar nehme solch eine Gruppe dem Kundenservice viel Arbeit ab, verursache an anderer Stelle aber wieder neue. „Eine große Community in einer Facebook-Gruppe ist extrem betreuungsintentiv.“ Sie habe mehrere Kolleginnen, die sich ausschließlich um die Moderation der Gruppe kümmern, Beiträge freigeben und aufkommende Fragen beantworten. Und trotzdem betreibt Wildling Shoes noch eine zweite Gruppe: Eine Verkaufsbörse, in der auch schon mehr als 12.000 Fans der Marke Mitglied sind.

Community Building ab der ersten Sekunde

Entstanden sei die starke Community durch die frühe Einbindung durch Anna und Ran Yona. „Als wir 2014 mit der Produktentwicklung gestartet sind, haben wir direkt die Community auf Facebook mit aufgebaut. Beim Start unserer Crowfunding-Kampagne auf Kickstarter ein Jahr später haben viele Fans direkt Schuhe gekauft“, sagt die Gründerin. Schon zum Start habe sie die Vision hinter Wildling Shoes mit den Fans geteilt – zu der Zeit noch, eine neue Art Schuh für Kinder zu entwickeln. Das Gründerpaar habe direkt eine Facebook-Seite gestartet und dort gezeigt, wie die Entwicklung der Produkte abläuft. Und das gelte bis heut: „Unser Marketing funktioniert komplett Content-basiert. Wir wollen eine ganz besondere Beziehung zu unserer Kundschaft aufbauen und sie immer wieder einen Blick hinter die Kulissen werfen lassen“, sagt Yona.

Ein anderer Effekt habe dann aber die Facebook-Gruppe so richtig explodieren lassen. Während der Kickstarter-Kampagne 2015, bei der das Unternehmen direkt Schuhe für 75.000 Euro verkauft, entsteht die heute offizielle Gruppe als Sammelplatz für Schnäppchenjäger. Weil das Wildling-Team auch ein Paket mit zehn Schuhen für 500 Euro anbietet (deutlich günstiger, als einzeln), finden sich auf Facebook potenzielle Käuferinnen zusammen, die sich solche Pakete jeweils aufteilen. Wenig später übernimmt Wildling Shoes die Gruppe selbst und stellt die Gruppen-Gründerin direkt ein.

Drop-Marketing wider Willen

„Wir haben Anfang 2016 die ersten Schuhe an die Kickstarter-Käufer*innen verschickt und den Online-Shop gestartet. Wir dachten, die für den Shop zusätzlich produzierten Produkte würden für ein halbes Jahr reichen. Nach ein paar Tagen waren wir komplett ausverkauft“, so Anna Yona. Durch Zufall macht das Unternehmen direkt zum Start Bekanntschaft damit, wie rund um einen angekündigten Produktstart Hype entstehen kann. Seitdem bleibt Wildling dabei, seine neuen Kollektionen im Vorfeld genau zu terminieren und die Zielgruppe auf Social Media schon einmal heiß zu machen. Mit mehreren Posts auf Instagram werden neue Schuhmodelle angeteasert, in einem Posting kurz vor Verkaufsstart wird dann die genaue Zeit bekannt gegeben. Das gleiche Konzept spielt das Team auch über Instagram Stories. Auf der Plattform folgen Wildling Shoes über 38.000 Nutzer.

„Wir wussten zum Start gar nicht, dass man es Drop-Marketing nennt. Für uns hat diese Art des Produkt-Launches einfach am meisten Sinn gemacht“, sagt Gründerin Anna Yona. „Durch einen Drop können wir schon direkt nach dem Marktstart Schlüsse ziehen und dann unsere Produktion für die nächsten Wochen anpassen.“ Wildling umgehe so, große Lagerflächen für weniger nachgefragt Produkte zu reservieren und könne schnell aufspüren, welche Schuhe am besten ankommen. Gleichzeitig vermeidet das Team, dass im ersten Anlauf zu wenig bestellte Modelle oder Größen am ehesten nachproduziert werden. Ausverkauf oder künstliche Verknappung seien kein Teil der Strategie. Trotzdem müssen die Lager am Ende der Saison offenbar nur selten ausgeräumt werden: „Wir machen keine Rabatt-Aktionen. Zweimal im Jahr gibt es einen Sale, um Fehler im Forecasting auszugleichen“, sagt Yona.

Influencer helfen auch beim Content

Um die Zahl der Follower bei Facebook und Instagram zu erhöhen, setzt Wildling Shoes auf Unterstützung von außen. „Wir haben langfristige Kooperationen mit kleineren bis mittelgroßen Influencern. Viele zeigen ihrer Community unser Produkt und gleichzeitig produzieren sie Content für unsere Accounts“, so die Gründerin. Accounts wie „wildandboho“ (13.400 Follower) oder „ancientrootsmama“ (14.200 Follower) zeigen die Schuhe immer wieder auf dem eigenen Kanal und liefern Wildling zusätzlich Fotos für ihren Instagram-Account.

Darüber hinaus habe das Unternehmen kaum Geld für Marketing ausgegeben. Zuletzt habe es einen ersten Performance-Marketing-Test gegeben. Aktuell laufen aber keine Anzeigen von Wildling Shoes auf Facebook und Instagram. Stattdessen wolle Yona weiter am Newsletter arbeiten, den das Team einmal die Woche verschickt. Der habe extrem hohe Öffnungsraten, obwohl es in den Texten vor allem um die Vision des Unternehmens und Geschichten rund um die Produktion der Schuhe gehe. „Unsere langfristige Vision ist, Menschen zu bewegen – nicht nur unsere Kund*innen, sondern auch im Zusammenspiel mit anderen Unternehmen. Das Ziel ist mehr Nachhaltigkeit und faire Zusammenarbeit“, so Yona. Sie fügt aber auch hinzu, dass die Öffnungsrate vor einem Launch neuer Produkte doch nochmal deutlich in die Höhe schießt. 

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MG
Autor*In
Martin Gardt

Martin kümmert sich vor allem um neue Artikel für OMR.com und den Social-Media-Auftritt. Nach dem Studium der Kommunikations- und Medienwissenschaft ging er zur Axel Springer Akademie, der Journalistenschule des Axel Springer Verlags. Danach arbeitete er bei der COMPUTER BILD mit Fokus auf News aus der digitalen Welt und Start-ups. Am Wochenende findet Ihr ihn auf der Gegengerade im Millerntor.

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