LeBron James, Facebook & Amazon – wer alles auf ein Revival des Teleshoppings hofft

Martin Gardt3.12.2018

Verschiedene Player versuchen Teleshopping in die digitale Welt zu bringen – wir zeigen, wie das gelingen soll

Teleshopping
Schafft Teleshopping den Sprung in die digitale Welt? (Bild: Youtube / Screenshow

Teleshopping ist immer noch ein Milliardengeschäft. Den Sprung ins Digitale hat das Format bisher trotzdem nicht geschafft. Dabei bietet es einige Vorteile: Produkte können erklärt werden und die ganze Aufmerksamkeit liegt nur auf einem Artikel. Jetzt versucht ein Startup, in das unter anderem Beats-Gründer Jimmy Iovine und Basketball-Star LeBron James investiert sind, Teleshopping in einer App zu liefern. Facebook und Amazon wollen aber auch mitspielen.

Snapchat-Ikone und Rapper DJ Khaled verkauft Beats-Kopfhörer, NFL-Star Odell Beckham Jr. bietet Nike-Sneaker an und Hollywood-Schauspieler Jonah Hill (The Wolf of Wall Street, 21 Jump Street) bringt einen Hoodie zu seinem neuen Film Mid90s unters Volk. Sie alle treten in Verkaufsshows in der iPhone-App „NTWRK“ auf. Nutzer können nur während der Live-Shows die limitierten Produkte kaufen. Mit diesem Konzept will NTWRK-Gründer Aaron Levant Teleshopping in den USA digitalisieren und in die junge Zielgruppe pushen. Er scheint einige Stars von dem Konzept überzeugt zu haben.

Wer die App öffnet findet eine Übersicht der demnächst ausgestrahlten Live-Shows (demnächst mit Ninja, dem größten Twitch-Streamer der Welt, und Rapper Lil Yachty) und Zusammenfassungen der bereits gesendeten Verkaufssendungen. Meist startet die Show mit einem offenbar vorproduzierten Video des Stargastes, der etwas über das Produkt erzählt. Anschließend treten zwei weniger bekannte Protagonisten auf, die nochmal detaillierter auf die Vorzüge von Kopfhörern, Schuhen & Co. eingehen. Bisher waren laut NTWRK alle Produkte noch während der Show ausverkauft.

Teleshopping hat den Drop erfunden

NTWRK App

Odell Beckham JR. in der NTWRK-Show

„Konsumenten wollen exklusive Inhalte, Produkte und Erfahrungen, aber der Zugang zu diesen Dingen kann sehr schwer sein“, sagt NTWRK-Gründer Aaron Levant gegenüber Business of Fashion. Er wolle Exklusivität zugänglicher machen. Nicht mehr nur Bewohner der großen Städte sollen die Chance haben, an Produkte zu kommen, die ansonsten exklusiv in physischen Stores angeboten werden. Levant macht sich dabei der Marketing-Strategie des Drops zu Nutze (hier hatten wir ausführlich darüber geschrieben). Dabei bringen Marken Kollektionen in kleineren Stückzahlen zu einem ganz bestimmten Datum auf den Markt. Im Vorwege wird auf den Plattformen für den anstehenden Drop kräftig getrommelt und so entsteht die bekannte „Fear of Missing Out“ bei vielen Kunden. Dieses Prinzip musste er nicht einmal auf sein Teleshopping-Konzept übertragen, schließlich wurden Teleshopping-Produkte schon immer irgendwie in Drops verkauft. Käufer mussten auch hier darauf warten, dass ein Produkt gezeigt wurde, um es zu kaufen, zum Teil gibt es Countdowns bis zum Verkaufsstart. 

Für die NTWRK-App übernehmen die Stargäste zum Teil selbst das Anschmeißen der Hype-Maschine. So hatte DJ Khaled vor dem exklusiven Verkaufsstart seiner Beats-Kopfhörer gleich in sechs Instagram-Posts auf die anstehende NTWRK-Sendung hingewiesen. Zusammengezählt verzeichnen diese Posts über 290.000 Likes, Khaled hat auf Instagram fast 13 Millionen Follower. Und auch auf dem eigenen Instagram-Kanal pusht NTWRK seine Drops. Zwar hat die App bisher nur knapp über 10.000 Abonnenten, einzelne Posts – etwa mit NFL-Star Odell Beckham Jr. – kommen trotzdem auf über 13.000 Likes, ein Bild des von ihm mitgestalteten Nike-Schuhs auf über 21.000. 

Große Ziele, kleine Zahlen

Seit dem Start am 11. Oktober 2018 mit DJ Khaleds Kopfhörern gab es zehn Verkaufs-Shows in der NTWRK-App – also etwas mehr als eine Sendung pro Woche. In Zukunft sollen es eher drei bis vier pro Woche werden. Um das umzusetzen, soll sicherlich auch das Geld dienen, das Gründer Levant von Warner Bros. Digital Networks und MSA Enterprises, einem Investment-Fond, in den unter anderem Beats-Gründer Jimmy Iovine und Basketball-Superstar LeBron James investiert sind, eingesammelt hat. Angeblich habe die Seed-Runde dem Startup 20 Millionen US-Dollar Kapital gebracht. Jetzt hoffen die Investoren, dass Teleshopping über NTWRK bei der Youtube-Generation ankommt.

Allerdings spielt sich das Ganze noch sehr auf Sparflamme ab. Laut App-Analytics-Tool Priori Data wurde die NTWRK-App weltweit bisher knapp 33.000 Mal heruntergeladen. Immerhin haben sich die Downloads von Oktober (knapp unter 10.000) zu November (über 20.000) mehr als verdoppelt. Wenn das Unternehmen aber nicht schnell Reichweite aufbaut, dürfte die Luft in der Welt zwischen Plattformen und den Brands sehr dünn werden. Denn warum sollten Brands nicht für die bestehenden Kanäle eigene Konzepte entwickeln? „Sie machen das nicht selbst“, sagt NTWRKs Chief Revenue Officer Shanon Kelley. Es gibt kleinere Brands, die es richtig gut machen, aber andere sind am Kämpfen. Sie fokussieren sich stärker auf Amazon als die eigene Plattform. NTWRK bringt Storytelling und Popkultur zusammen, wie es Brands nicht selbst können.“ 

Facebook baut eigenes Tool

Wenn NTWRK aber wirklich ein relevanter Retail-Kanal werden will, braucht es mehr, als nur Brands zu überzeugen, mitzumachen. Denn auch die großen Plattformen haben das Prinzip Teleshopping offenbar auf dem Radar. Facebook testet laut Tech-Journalist Jeff Higgins aktuell eine Live-Video-Funktion im Shop-Bereich der Seitenbetreiber. Viel ist noch nicht bekannt. Offenbar sollen Nutzer während des Live-Streams gezeigte Produkte screenshotten und die Bilder direkt als Nachricht an den Seitenbetreiber schicken können – inklusive Nachricht mit Kaufabsicht. Verkäufer sollen dann per Nachricht die Zahlungsmodalitäten mit den Käufern klären. 

Damit weitet Facebook seine Shopping-Features mit einem Live-Format aus. Bisher konnten Seiten im Shop ihre Produkte in Bildern und mit Preispunkt zeigen. Facebook versucht jetzt schon länger, Commerce-Funktionen sinnvoll in die eigene Plattform zu integrieren. Sei es der Marketplace (eine Art Ebay Kleinanzeigen) oder der Shop-Reiter auf Seiten-Ebene. Die neue Teleshopping-Funktion dürfte nun aber vor allem von der Kreativität einiger Nutzer inspiriert sein.

Teleshopping-Business auf Facebook

Denn über die Live-Video-Funktion auf der Plattform verkaufen schon jetzt findige Nutzer ihre Produkte. Die setzen sich nämlich einfach vor ihre Smartphone-Kamera und zeigen, was sie gerade loswerden wollen. Die Amerikanerin Tracie Reeves hat daraus sogar ein Business gemacht. Sie präsentiert ihre bunten Plastikperlen in Live-Videos auf ihrer Facebook-Seite „My Mermaid Treasure“ und da schauen dann Tausende Nutzer zu. Ihr letztes Video vom 1. Dezember verzeichnet über 8.000 Aufrufe, 11.500 Kommentare und mehr als 600 Likes.  

Reeves umgeht die große Schwäche von Facebook – auf der Plattform lassen sich Käufe nicht durch einen Klick abschließen – und schickt potenzielle Kunden auf ihre Webseite, wo sie die Angebote aus der Live-Show in einer eigenen Unterkategorie sammelt. Laut Wired verdiente Reeves schon 2017 pro Live-Show etwa 1.500 US-Dollar. Diese Umsätze fielen allerdings in eine Zeit, in der Facebook Live-Videos noch stark pushte. Aus 19.000 Zuschauern bei ihrer ersten Show sind heute die bereits beschriebenen 8.000 geworden.

Facebook Gruppen mit Selbstmach-Teleshopping

Trotzdem entstehen auf Facebook weiter Amateur-Teleshopping-Formate – sowohl in privaten als auch in öffentlichen Gruppen. Die tragen Namen wie: „live-shopping was das Herz begehrt“, „Couchgeflüster Live“, „Live Verkauf ohne Termin“ oder „Live verkaufen im Wohlfühlparadies“. In diesen Gruppen zeigen meist private Verkäufer ihre gebrauchten Klamotten oder andere Produkte im Video. Das kann dann schon einmal zu einer fast vierstündigen Verkaufs-Show ausarten.

Gruppen wie die genannten haben meist ein paar Tausend, einige einige Zehntausend Mitglieder. So kann eine Amateur-Verkäuferin auch mal mehrere Tausend Views auf ihr Live-Video verzeichnen. Das ist ziemlich viel Aufmerksamkeit für einen Video-Flohmarkt. Und die muss bei potenziellen Käufern auch hoch sein: In den Shows legen die Verkäuferinnen die Produkte immer zu Buchstaben und nennen den passenden Preis. Wer zuerst Buchstabe und Preis in Kombination kommentiert, bekommt das Stück. Die Formate sind so beliebt, dass in manchen Gruppen Termine gesichert werden müssen, an denen dann die Teleshopping-Shows live gehen können.

Outlet-Verkäufe auf Instagram – per Live-Video

Das deutsche Online-Outlet Outlet46 testet hingegen Instagram als Shopping-Kanal. In Live-Videos auf der Plattform zeigen Moderatoren aktuelle Produkte aus dem Shop und verweisen die Nutzer direkt dorthin. „Wir versuchen, auf Instagram ein authentisches Live-Shopping hinzubekommen, indem wir die Produkte so vorstellen, wie sie sind. Die etablierten TV-Shopping-Kanäle sind im Vergleich sehr künstlich und das merkt der Konsument“, sagt Outlet46-Mitgründer Fatih Özdemir gegenüber OMR. „Wir versuchen auf diesem Weg der Instagram-Zielgruppe Live-Shopping nahezubringen und eine Kunden-Beziehung aufzubauen. Außerdem bekommen wir darüber direktes Feedback von den Zuschauern. Dieser Input ist für uns sehr wertvoll.“

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Bisher stecke das Format aber noch in den Kinderschuhen, jede Live-Show verzeichne etwa 400 Aufrufe, die Tendenz steige aber. „Wir sehen auf jeden Fall, dass Zuschauer auf Outlet46.de wechseln – wie viele in die App gehen, können wir derzeit nicht sagen. Allerdings merken wir aber seitdem mehr Traffic und auch Bestellungen von Instagram. Und: Unsere Instagram-Follower steigen stark“, so Özdemir. Produkte online stellen und warten, bis jemand sie kauft, ist ein Auslaufmodell. Wir müssen uns dorthin bewegen, wo unsere bestehenden und potenziellen Kunden sind. Das heißt: Mut für neue Formate und keine Angst, neue Plattformen zu nutzen.“

Amazon pusht neue Produkte

Auch Amazon hat in letzter Zeit immer wieder im Zusammenhang mit Teleshopping-Formaten für Aufmerksamkeit gesorgt. Anders als Facebook bietet die Plattform schließlich eine direkte Möglichkeit, Produkte zu kaufen. Anfang 2018 liefen Teleshopping-Shows zum Teil auf der US-Homepage des E-Commerce-Riesen, gleichzeitig gab es eigene Produkt-Shows für ausschließlich auf Amazon verfügbare Ware (hier hatten wir uns das schon einmal genauer angeschaut). Ein Patent, das Amazon im Januar 2018 angemeldet hat, zeigt darüber hinaus, was das Unternehmen noch vorhat. In Teleshopping-Shows sollen in Zukunft die Produktseiten der Produkte intelligent eingeblendet werden. Über Chat-Fenster soll eine Kommunikation mit den Moderatoren möglich sein.

Allerdings sind aktuell keine Teleshopping-Formate mehr auf der US-Seite von Amazon zu finden. Und auch Gerüchte, nach denen das Unternehmen den US-Teleshopping-Sender Evine Live kaufen wolle, haben sich bisher nicht bestätigt. Die Renaissance des Teleshoppings steht in der digitalen Welt also noch ganz am Anfang. Vielleicht ja doch eine gute Nachricht für den NTWRK-Gründer.

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Autor*In
Martin Gardt

Martin kümmert sich vor allem um neue Artikel für OMR.com und den Social-Media-Auftritt. Nach dem Studium der Kommunikations- und Medienwissenschaft ging er zur Axel Springer Akademie, der Journalistenschule des Axel Springer Verlags. Danach arbeitete er bei der COMPUTER BILD mit Fokus auf News aus der digitalen Welt und Start-ups. Am Wochenende findet Ihr ihn auf der Gegengerade im Millerntor.

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