Kampf um die nächste Plattform: Push-Nachrichten auf dem Smartphone haben es Google und Facebook angetan

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Worum es bei den jüngsten Neuerungen im Messenger und dem Chrome-Browser wirklich geht

Facebook und Google liefern sich einen spannenden Kampf um die Vorherrschaft bei Push-Notifications. (Quelle: Petri Damstén)

Facebook und Google liefern sich einen spannenden Kampf um die Vorherrschaft bei Push-Notifications. (Quelle: Petri Damstén)

Egal ob Smartphone-Nutzer eine persönliche Textnachricht erhalten haben, jemand ihren Social-Media-Post kommentiert hat, sie über eine Nachrichten-App von „Breaking News“ erfahren, oder ob eine Shopping-App sie über ein Sonderangebot unterrichtet: Immer häufiger informiert sie ihr Gerät mit Push-Nachrichten. Die kleinen Text-Pop-ups sind mit der zunehmenden Mobile-Nutzung und der wachsenden Zahl an Apps auf Nutzerseite immer wichtiger geworden. Die steigende Relevanz weckt offenbar Begehrlichkeiten: Hinter den Kulissen der großen Digitalkonzerne hat scheinbar ein Kampf darum begonnen, wer die Infrastruktur für Push-Notifications stellt – und wer damit diesen Bereich kontrolliert. Im Mittelpunkt stehen erneut die großen Plattformkonzerne Facebook und Google.

„Facebook greift mit dem Messenger das Benachrichtigungs-Panel von iOS und Android an“, glaubt Benedict Evans, Partner bei der renommierten US-Wagniskapitalfirma Andreessen Horowitz. Facebook wolle die Push-Nachrichten, die Nutzer bislang auf der Betriebssystemebene erhalten, in die eigene Messenger-App „hineinziehen“, schreibt Evans in einer lesenswerten Analyse der Pläne Facebooks für die unternehmenseigene Messaging-App.

Die Erweiterung des Messengers ist Facebooks erster Schritt

Vor wenigen Wochen hatte Facebook die Öffnung des Messengers für externe Entwickler bekannt gegeben. Mit diesem Schritt baut Facebook die einstmalige Chat-App zu einer Plattform aus: Unternehmen und App-Entwickler sollen darüber, so das Ziel, künftig ihre Kommunikation mit Bestandskunden abwickeln. So könnten Shops Service-Anfragen beantworten, Versandbestätigungen verschicken und möglicherweise sogar Verkäufe über den Messenger abschließen. Hat Facebook mit den Plänen Erfolg, könnte dies im digitalen CRM für vollkommen neue Verhältnisse sorgen.

Die Info-Seite zu Facebooks neuem Messenger.

Die Info-Seite zu Facebooks neuem Messenger.

Benedict Evans, zuvor als Investment-Banker im Mobile-Bereich aktiv und nun für Andreessen Horowitz als Inhouse Analyst tätig, sieht in den Plänen sogar noch mehr: Auf Mobil-Geräten sei mit Notifications eine vollkommen neue Form der Interaktion entstanden, für die Facebook der primäre Kanal werden wolle, so der Brite in einem Podcast. Push-Benachrichtigungen, die bislang über gesonderte Apps verschickt werden, würden dann zunehmend über den Messenger abgesetzt. Der Vorteil für die Entwickler neuer Apps: Sie können auf diese Weise (zumindest theoretisch) aus dem Stand 600 Millionen Nutzer erreichen, ohne dass diese ihre App installiert haben müssen. Facebook könnte damit den eigenen Einflussbereich auf Mobile-Geräten deutlich ausbauen.

Push-Benachrichtigungen sind dritte Kraft nach Web und App

Die Kontrolle über die technische Infrastruktur der Push-Benachrichtigungen dürfte für die großen Online-Konzerne von strategisch wichtiger Bedeutung sein. Die digitale Welt hat sich – schon allein wegen der immer noch wachsenden Zahl digitaler Angebote – in den vergangenen Jahren immer mehr von einem „Pull-Modell“ (Anbieter stellen Informationen oder Dienste auf einer Website zur Verfügung und die Nutzer kommen von selbst) zu einem „Push-Modell“ (Informationen werden auf die Geräte der Nutzer gepusht) entwickelt. Nach Ansicht von Evans haben sich Notifications damit nach Apps und dem Web als dritte, grundlegende Nutzungsform mobiler Geräte etabliert. Im Laufe der Jahre sind die Kurzbenachrichtigungen zudem deutlich potenter geworden: So können die Nutzer über sie teilweise Funktionen der App nutzen, ohne die App selbst zu öffnen – etwa einen Termin bestätigen oder eine Nachricht beantworten. Zudem haben sowohl Apple als auch Google in ihren mobilen Betriebssystemen für die Benachrichtigungen ein „Notification Center“ eingerichtet, damit den Nutzern keine Informationen verloren gehen.

Für App-Entwickler sind die kurzen Nachrichten ebenso von enormer Wichtigkeit. Weil die Smartphone-Besitzer nur wenige Apps regelmäßig und dauerhaft benutzen, sind Push Notifications ein wichtiges Mittel um die „Retention“ der Nutzer zu erhöhen und diese zur App zurückzuführen. Auswertungen des US-Statistikdienstleisters Localytics zufolge ist bei Nutzern, die die Push-Benachrichtigungen einer App aktiviert haben, die Wahrscheinlichkeit drei- bis viermal höher, dass diese die Anwendung innerhalb von vier Monaten nach dem Download erneut öffnen. Zudem sei bei diesen Usern die App-Nutzung um 88 Prozent höher.

Google wählt anderen Ansatz, verfolgt aber die gleichen Ziele

Wer die Infrastruktur für die Notifications kontrolliert, verfügt also über eine enorme Macht. So erscheint es durchaus vorstellbar, dass Push-Benachrichtigungen künftig gefiltert und mit einem Monetarisierungsmodell verknüpft werden. „Man kann sich schon heute beim Blick auf den Benachrichtigungs-Screen eines iPhones oder eines Android Handys fragen: ‚Wo ist der Algorithmus, der all das filtert?’“, schreibt Evans.

Beim Aufruf von vice.com mit Googles Browser Chrome erscheint die Frage, ob der User Push-Nachrichten zulassen möchte.

Beim Aufruf von vice.com mit Googles Browser Chrome erscheint die Frage, ob der User Push-Nachrichten zulassen möchte.

Derzeit mögen solche Modelle noch Zukunftsmusik sein. Doch zeigen die jüngsten Bewegungen im Bereich Push Notifications, dass sich die großen Internetfirmen der Relevanz des Themas bewusst sind. Google etwa hat durchaus andere Pläne als Facebook. So ermöglicht das Unternehmen es mit der neusten Version seines Chrome-Browsers (der auf Android-Geräten als Standard eingestellt ist), Websites sowohl im mobilen als auch im Desktop-Internet Push-Benachrichtigungen zu verschicken, die mit denen aus dem App-Bereich vergleichbar sein sollen. Zu den ersten Test-Partnern gehören große Namen wie Ebay, Pinterest, Vice – und Facebook. Zudem können Website-Betreiber in Chrome regelmäßige Besucher auffordern, auf den Home-Screens ihrer Smartphones ein Symbol wie das einer App einzubinden, über das sie direkt auf die Website zugreifen können.

Push-Nachrichten im Browser als neues Modell mit Schwierigkeiten

Google betreibt mit Android zwar eine der der beiden großen Plattformen, die als technisches Backend für Push-Benachrichtigungen dienen. Doch trotzdem dürfte das Unternehmen aus Mountain View mutmaßlich mehr Geld über seine Suchmaschine und damit mit dem Web verdienen als mit Werbung in Apps – auch wenn der Konzern offiziell keine Angaben zum Mobile-Anteil seiner Umsätze macht. Vor diesem Hintergrund erscheint Googles Versuch, mittels Push-Benachrichtigungen im Browser das Web gegenüber Apps im Mobile-Bereich wieder mehr zu stärken, weniger erstaunlich. Um dabei wirklich erfolgreich zu sein, muss das Unternehmen noch einige Hürden überwinden. So funktionieren Chromes Push-Benachrichtigungen derzeit nicht auf iOS-Geräten. Die größte Schwierigkeit dürfte jedoch sein, die Nutzergewohnheiten zu ändern – ob man den Mainstream der Nutzer dazu bringen kann, Push-Nachrichten von Websites zu abonnieren, ist derzeit mindestens fraglich.

Der renommierte US-Blog Techcrunch hat derweil den Gründer des Analytics-Anbieters Snowball in einem Gastbeitrag die These begründen lassen, dass Notifications die „nächste Plattform“ sind. „Benachrichtigungen werden die ‚Eingangstür’ für alle Interaktionen auf dem Smartphone sein“, so Snowball-CEO Anish Acharya. „Weil die Welt sich weg vom Web in Richtung Apps bewegt, stellt es eine enorme kommerzielle Gelegenheit dar, über diese Eingangstür verfügen zu können. Benachrichtigungen werden entscheidende Engagement- und Umsatztreiber für die nächste Generation der Mobile-Firmen sein.“

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Roland Eisenbrand
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Roland Eisenbrand

Roland ist seit mehr als zehn Jahren als Journalist in der Digitalbranche aktiv. Seit 2014 verantwortet er als Head of Content (und zweiter Mitarbeiter) alle inhaltlichen Komponenten von OMR, darunter vor allem den OMR Blog und redaktionelle Arbeit rund um das OMR Festival.

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