Porsches Digitalstrategie: Karaoke singen mit der virtuellen Influencerin im 911er
Warum sich der Autobauer an einer chinesischen Firma beteiligt hat, die virtuelle Influencer:innen produziert
- Porsches Kunden sind in China im Schnitt erst 35
- Virtuelle Karaoke-Partys im 911er?
- Der 911er als NFT und digitale „Traumgaragen“
- Autos müssen bessere Erlebnisse liefern als Smartphones
Virtual Influencer sind hierzulande noch weitgehend unbekannt. In Asien – und dort vor allem China – sind die komplett im Computer generierten und animierten Avatare allerdings bereits eine Multi-Millionen-Industrie. Das chinesische Research-Unternehmen iiMedia beziffert den Umsatz, der 2021 über virtuelle Influencer:innen hauptsächlich durch Werbung generiert wurde, auf umgerechnet 860 Millionen Euro. Dieser Wert werde sich bis zum kommenden Jahr annähernd verdreifacht haben, glauben die Marktforscher.
„Insbesondere die Altersgruppe der 14- bis 28-Jährigen interessiert sich für virtuelle Influencer und konsumiert die entsprechenden Inhalte am intensivsten“, sagt Xia Bing, der diese Umsatzprognosen kennt. Er ist Mitgründer von iMaker. Das chinesische Unternehmen verdient Geld mit virtuellen Influencer:innen. Erfolgreichstes Produkt ist aktuell Ayayi, die hyperrealistische Figur einer jungen Großstädterin, die auf ihren Social-Media-Accounts Werbung für Modelabels wie Louis Vuitton und Balenciaga macht.
Porsches Kunden sind in China im Schnitt erst 35
Auch vor einem Porsche Taycan posierte Ayayi schon. Hinter diesem im Dezember 2021 geposteten Foto steckt aber wohl kein Werbe-Deal. Das Bild dürfte eher ein freundschaftlicher Gruß nach Stuttgart sein. Denn im vergangenen Oktober hat Porsche seine Beteiligung an iMaker öffentlich gemacht. Doch warum steckt ein Sportwagenbauer Geld in eine Firma, deren Business mit Autos auf den ersten Blick eher wenig zu tun hat?
Die Antwort auf diese Frage kennt Ostin Gong von Porsche Digital China. Er verantwortet Partnerschaften und Beteiligungen des Konzerns in dem asiatischen Land. „Aus Marken- und Marketingperspektive ergibt sich für Porsche ein enormes, unmittelbares Potenzial“, sagt Gong. Virtuelle Avatare und Influencer spielten in China eine immer wichtigere Rolle im Hinblick auf die Kundenkontaktpunkte, insbesondere mit der Generation Z.
Die ist für das Unternehmen extrem relevant. Das Durchschnittsalter der Porsche-Kund:innen in China liegt bei 35 Jahren. Mit seinen Avataren, wie die virtuellen Figuren auch genannt werden, setze iMaker an einem „Sweet Spot der Gen-Z“ an, so Gong. Das könne Porsche dabei helfen, „äußerst spannende und eindringliche Markenerlebnisse“ zu schaffen.
Das Auto der Zukunft wir immer mehr Raum für solche Erlebnisse bieten. Denn mit der zunehmenden Autonomisierung – auch hier kommt China eine Vorreiterrolle zu – wandelt sich die Funktion des Pkw vom reinen Transportmittel zu einem „dritten Ort“, wie Xu Bing von iMaker es nennt. Dort werde sich neben dem Zuhause und dem Arbeitsplatz künftig ein Großteil des digitalen Lebens abspielen.
Virtuelle Karaoke-Partys im 911er?
Damit gehe eine Ablösung der aktuell meist auf Sprachassistenten basierenden Anwendungen durch bildbasierte und interaktive Inhalte einher, so Bing. Er denkt dabei an virtuelle Assistenten, die den Nutzer:innen bei der Navigation, der Suche nach Restaurants, der Überprüfung des Straßenzustands oder der Wiedergabe von Musik helfen oder auch in Form von Unterhaltungsmedien daherkommen. Wie genau das aussieht, könne er noch nicht sagen. Er erwähnt „virtuelle Karaoke-Partys“, allerdings würden sich diese Anwendungen noch im Entwicklungsstadium befinden.
Ostin Gong nennt noch zwei weitere Felder, auf denen Porsche künftig Avatare einsetzen will. Zum einen seien das die klassischen Influencer-Tätigkeiten im Rahmen von Marketingkampagnen. Zudem sei denkbar, Avatare als virtuelle Gastgeber:innen für Porsche-Veranstaltungen und auf Autoshows einzusetzen oder als virtuelle Verkaufsberater:innen bei Händlern, so Gong. Das alles seien aber nur erste Ansätze und Ideen.
Der 911er als NFT und digitale „Traumgaragen“
Konkreter klingen Porsches Pläne zum Thema Metaverse. Wobei es den Stuttgartern wichtig ist zu unterstreichen, dass sie hier nicht auf den aktuellen Hype aufgesprungen sind. Das Investment in iMaker wurde bereits 2020 abgeschlossen. Bei der strategischen Beteiligung gehe es, so Gong, „nicht nur um Avatare, sondern vielmehr um digitale Vermögenswerte oder digitale Inhalte und die zugrunde liegende Technologie“. Also fälschungssichere Besitztitel für virtuelle Güter auf Basis der Blockchain, kurz NFT genannt, die im Metaverse eine zentrale Rolle spielen.
Xu Bing veranschaulicht, welche Überlegungen dahinter stecken: „Im Metaverse könnten Automarken vielfältige digitale Inhalte und Produktformen bereitstellen“, sagt er. Digitale Güter im Stil der Marke, zum Beispiel Häuser, exklusive Möbel und Kleidung, die von den Kund:innen erworben werden könnten. „Dazu gehören dann selbstverständlich auch virtuelle Fahrzeuge wie ein 911“, so Bing. Den können sich vor allem junge Leute in der realen Welt vielleicht nicht leisten können. „Im Metaverse können sie ihre eigene, private Traumgarage besitzen und die Autos auf immersive Weise erleben.“
Porsches Einstieg in die Welt der Virtual Influencer, Avatare und das Metaverse erfolgt also aus zwei Gründen: Zum einen will der Sportwagenbauer den Zugriff auf nachwachsende Käufer:innen nicht verlieren. Und weil die in China im Schnitt rund 20 Jahre jünger sind, geben die Interessen dort die Strategie vor. Zum anderen lässt sich mittlerweile mit digitalen Gütern jede Menge Geld verdienen.Gerade wächst eine Generation heran, die mit der Selbstverständlichkeit groß geworden ist, für digitale Objekte in Computerspielen reales Geld auszugeben. Sollten diese Generation sowie die ihr folgenden – und danach sieht es aus – einen immer größeren Teil ihrer Lebenszeit im Metaverse verbringen, werden sie auch ihren Konsum dorthin verlagern. Ein Hersteller von Autos – Produkten, die im Metaverse keinen praktischen Nutzen mehr haben – tut also gut daran, sich hier als Marke zu positionieren und nicht den Anschluss zu verlieren.
Autos müssen bessere Erlebnisse liefern als Smartphones
Doch die Digitalisierung verändert auch die Erwartungen an das Kernprodukt von Porsche. Über Jahrzehnte seien die Ansprüche in Bezug auf Autos ziemlich „fix“ gewesen, sagt Ostin Gong. Es sei mehr oder weniger um Design, PS, Geschwindigkeit, Komfort und den Preis gegangen. Doch die Digitalisierung habe die Kundenwünsche radikal verändert. „Autos sind nicht mehr nur Hilfsmittel, um Menschen von A nach B zu bringen“, sagt Gong. Sie seien zumindest in China zu Orten geworden, an denen Menschen mindestens das gleiche, wenn nicht sogar ein interaktiveres und intensiveres digitales Erlebnis als bei Smartphones und Tablets erwarten würden.
Verglichen mit den USA und Europa sei diese Erwartungshaltung in China bereits extrem wichtig. Darum geben die Entwicklungen dort auch vor, in welche Richtung sich der Sportwagen-Konzern bewegen muss. „Wir bei Porsche haben immer danach gestrebt, nicht nur etwas zu schaffen, was die Menschen brauchen“, sagt Gong, „sondern wovon sie träumen.“ Am Ende geht es also um nicht weniger als die Frage, wie Porsche es schafft, dass seine Produkte auch nach der digitalen Transformation noch immer ein Mythos umgibt.
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