„Perfectly Instagrammable“: Wie Marketing mit Selfie Spots die physische Welt formt

Museen, Restaurants und Häuserwände sollen sich viral verbreiten

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Eine Besucherin im "Museum of Ice Cream" (Quelle: Steve Jurvetson / Creative Commons BY 2.0)
Inhalt
  1. „Selfie-Fabriken“, die die immer selben Fotos produzieren
  2. „Guck mal, ich hab hier gerade die beste Zeit meines Lebens!“
  3. Wir machen es Dir leicht, für uns zu werben
  4. Das Instagram-Museum als Gelddruckmaschine
  5. Durch die Smartphone-Linse betrachtet wird Kunst wieder attraktiv
  6. Der Trend reicht bis in den öffentlichen Raum hinein
  7. Die (S)Elphi als Marketing-Hebel

Bereits 2013 war „Selfie“ das Wort des Jahres. Mit Instagram hat das Marketing nun einen Weg gefunden, vom rasanten Aufstieg des Selbstporträts zu profitieren: Restaurants, Bars und Museen gestalten ihre Räumlichkeiten immer häufiger so, dass sie die perfekte Selfie-Kulisse bilden – und sie sich so mit den Fotos und Posts ihrer Besucher von selbst verbreiten.

„Wir sehen die Kamera gerne als das neue Keyboard an“, sagte Facebook Manager Tony Leach im März 2017 gegenüber Techcrunch. Er brachte damit die jüngste nutzerseitige Entwicklung in der digitalen Welt auf den Punkt: In einer Zeit, in der die jüngere Generation sich auf Plattformen wie Instagram und Snapchat vor allem über Bilder selbst ausdrückt und miteinander kommuniziert, ist die Kamera wohl das wichtigste User Interface. Wenig verwunderlich, dass Snap sich als „Kamera-Unternehmen“ bezeichnet und auch Firmen wie Google und Facebook an ihren Bilderkennungs-Technologien arbeiten („Targeting auf Foto-Basis – Woran Google, Snapchat und Pinterest im Verborgenen arbeiten“).

„Selfie-Fabriken“, die die immer selben Fotos produzieren

Aber nicht nur die großen Tech-Unternehmen reagieren auf diese Entwicklung (und steuern sie sicherlich auch mit). In der physischen Welt haben kleine und mittlere Unternehmen einen Weg gefunden, aus dem Boom der visuellen Kommunikation Profit zu schlagen: Sie designen „Selfie-Fabriken“, von denen sich die Bilder von selbst verbreiten.

Die Gründerinnen des Restaurants „Media Noche“ aus San Francisco beispielsweise haben ihren Innenarchitekten angewiesen, ihr Ladenlokal so zu gestalten, dass es „perfectly instagrammable“ ist, wie sie im vergangenen Jahr gegenüber The Verge erklären.  Das beliebteste Motiv: Die dekorativen Bodenfliesen, von denen sich Tausende von Fotos in nur äußerst geringfügig voneinander abweichenden Variationen auf Instagram finden lassen.

Fun fact: I have a vans tan on my feet

A post shared by @ delanaah on May 15, 2018 at 5:39pm PDT

 

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Sucker for a good tile situation (and unintentionally matching my pink ? to it) ???‍♀️ Successful 24 hour trip to SF to surprise @jerilynch for Mother’s Day! #thetravelinos #californiatravelinos

A post shared by Mackenzie Lynch Laurino (@mackenzielaurino) on May 13, 2018 at 11:08am PDT

 

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Pattern Clashing ✨ One of the prettiest tiles I ever did see.

A post shared by Eunice Razo (@eunice.razo) on May 9, 2018 at 8:03pm PDT

„Guck mal, ich hab hier gerade die beste Zeit meines Lebens!“

Die ebenfalls in San Francisco ansässige Bar The Riddler hat an ihrer Außenwand ein Gemälde einer Champagnerflasche, aus der der Korken hinausschießt, anbringen lassen – ein ebenfalls sehr beliebtes Instagram-Motiv. Das Konzept der „Shareability“ sei bei der Gestaltung der Bar absolut zentral gewesen, heißt es im Artikel von The Verge. „Fast jeder in den Fotos, die The Riddler gepostet hat, sieht aus als hätten sie die beste Zeit ihres Lebens. Man kann sich kaum eine bessere Werbekampagne vorstellen“, schreibt Journalist Casey Newton.

 

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Poppin bottles in the ice, like a blizzard When we drink we do it right gettin slizzard Sippin sizzurp in my ride, in my ride, like G6 Now I'm feelin so fly like a G6 Like a G6, Like a G6 Now now now now now now I'm feelin so fly like a G6 Like a G6, Like a G6 Now now now now now now I'm feelin so fly like a G6

A post shared by riles (@riles_ford) on Mar 24, 2018 at 5:10pm PDT

Nicht nur das Lokaldesign wird von manchen Restaurants wird auf Instagram abgestimmt, sondern auch die Speisen und Getränke. Wenig erstaunlich, verzeichnet der Hashtag #foodporn auf Instagram doch mehr als 160 Millionen Beiträge. Der New Yorker Coffeeshop beispielsweise zielt mit u.a. mit Iced Caffee Latte in Regenbogenfarben erfolgreich darauf an, dass die Besucher Bilder seine Getränkekreationen auf Instagram weiterverbreiten. 

have u ever seen a cooler cup of coffee?

A post shared by Brigid Murphy (@brigidmurphyy) on Feb 15, 2018 at 3:29pm PST

Wir machen es Dir leicht, für uns zu werben

Einige Gastro-Unternehmer gehen sogar so weit, dass sie es ihren Gästen besonders leicht machen wollen, ihr Restaurant und ihre Erzeugnisse zu fotografieren. Das spanische Restaurant Bellota in San Francisco beispielsweise hat besonders darauf geachtet, dass die im Lokal verwendeten Lampen die zubereiteten Speisen gut aussehen lassen – und damit auch leicht schön zu fotografieren sind. Die Lampen sind in mehrere Richtungen beweglich; die Lichtstärke kann je nach Bedarf angepasst werden. Wenn der Besucher sein Handy auf der Lampe abstellt, kann er leicht ein gut belichtetes Selfie von sich aufnehmen.

Auf die Spitze treibt diesen Trend das Londoner Restaurant Dirty Bones. Dort können sich die Gäste laut einem Bericht von Today.com sogar kostenlos ein „Instagram Pack“ ausleihen, um ihr Essen werbetauglich abfotografieren und qua Instagram weiterverbreiten zu können. Das besteht aus Utensilien wie einem tragbaren LED-Licht, einer an das Smartphone an-clip-baren Linse und einem Stativ.

Das Instagram-Museum als Gelddruckmaschine

Mittlerweile reicht der Trend, Kunden eine möglichst perfekte Kulisse für ihre Selfies bieten zu wollen, sogar bis in den Kulturbereich hinein. Das „Museum of Ice Cream“ beispielsweise wirkt wie eine Kunstinstallation, die alleine darauf angelegt ist, ihren Besuchern die Möglichkeit zur Selbstinszenierung zu geben. „Remember those crazy ideas you dreamed up as a kid? The Museum of Ice Cream is the place where ideas are transformed into real life experiences…a place where flavors are mysteries, toppings are toys, and sprinkles make the world a better place. Our mission is to design environments that bring people together & provoke imagination!“, heißt es auf der Website des Museums.

 

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HENNY, I NEED THAT ICE CREAM AND I NEED IT NOW! ??✨??✨??✨??✨??✨??✨

A post shared by Francis Dominic (@francisdominiic) on Mar 26, 2018 at 8:09pm PDT

Die Besucher erwartet eine pink-pastellene Welt mit Schaukeln in Form von Eiscrème-Sandwiches, Pools mit Schaumstoff-„Streuseln“ und Waffelhörnchen-Lampen. Gegenüber Wired bestritt Mitgründerin Maryellis Bunn zwar, dass Instagram bei der Gestaltung des Museums eine entscheidende Rolle gespielt habe. Nicht zu leugnen dürfte jedoch sein, dass Instagram für das privat geführte Museum der wichtigste Marketing-Kanal ist. Mehr als 150.000 Posts zum Hashtag #museumoficegcream lassen sich auf der Bilder-Plattform finden. Einem Bericht des britischen Telegraph zufolge soll das Eiskrem-Museum zu den weltweit zehn beliebtesten Museen auf Instagram gehören, gemeinsam mit dem Pariser Louvre und dem New Yorker Metropolitan. 

Durch die Smartphone-Linse betrachtet wird Kunst wieder attraktiv

Aktuell hat das Museum of Icecream Niederlassungen in drei US-Großstädten. Ein Ticket kostet laut Website 38 US-Dollar. Für eine mittlerweile wieder geschlossene Pop-up-Niederlassung in New York sollen sich laut Wired alle vorhandenen 300.000 Tickets zum Preis von 18 US-Dollar innerhalb von fünf Tagen nach der Öffnung verkauft haben.

Es ist nicht das einzige Beispiel, dass eine Museen bedingt durch Instagram plötzlichen und rasanten Erfolg feiern. Wired berichtet von weiteren Ausstellungen in den USA, die zwar nicht ursprünglich als „Selfie Kulisse“ angelegt gewesen sein, durch ihren visuellen Charakter aber eine plötzliche Popularität erfahren hätten, die jene anderer Ausstellungen im gleichen Museum bei weitem überstieg. Die Installation „Wonder“ im Smithsonium Kunstmuseum in Washington beispielsweise habe innerhalb von sechs Wochen mehr Besucher angezogen als das Museum es sonst in einem ganzen Jahr getan habe. Am Ende hätten die Ausstellungsmacher die Zuschauer mit Schildern sogar ausdrücklich dazu animiert, Fotos zu machen.

Der Trend reicht bis in den öffentlichen Raum hinein

Wird der Trend zur „Instagrammability“ künftig möglicherweise sogar immer häufiger das Antlitz öffentlicher Straßenzüge verändern? Die Süddeutsche Zeitung berichtete zuletzt von einem Comeback der „Murals“ in der Werbung: großformatiger Wandgemälde, die nun ebenfalls wegen der visuellen Social-Media-Plattformen wieder an Popularität gewönnen. 

So hat beispielsweise die Luxusmarke Dior im August 2017 in den USA mehrfach auf Wänden in XXL-Größe die Frage „And you, what would you do for love?“ aufgemalt. Für jeden Instagram-Nutzer, der ein Bild einer solchen Wand versehen mit dem Hashtag #missdiorforlove auf der Plattform postete, habe Dior angeblich einen US-Dollar an eine Hilfsorganisation überwiesen. Mehr als 13.000 Posts führt Instagram zu dem Hashtag aktuell auf.

 

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Tell me. #missdiorforlove

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Die (S)Elphi als Marketing-Hebel

Vielleicht kann Instagram durch die zunehmende Relevanz im öffentlichen Raum zumindest einen Teil dazu beitragen, dass sich für die Stadt Hamburg die Finanzierung der lange umstrittenen und kostspieligen Elbphilharmonie auf lange Sicht doch noch zumindest annähernd rentiert. Denn nicht nur, dass Hamburg zuletzt wohl vor allem Dank des neuen Prachtbaus auf den Top-10-Reisezielen mehrere namhafter Medien wie der New York Times auftauchte. Auch die „Digitalreichweite“ der Stadt dürfte durch die Elphi deutlich zugenommen haben, bietet das Konzerthaus für Selfies und andere Fotos doch eine willkommene Kulisse. Immerhin 224.000 Beiträge zählt der Hashtag aktuell bei Instagram, hinzu kommen 53.000 weitere Posts mit dem Hashtag #elphi.

InstagramSnapchat
Roland Eisenbrand
Autor*In
Roland Eisenbrand

Roland ist seit mehr als zehn Jahren als Journalist in der Digitalbranche aktiv. Seit 2014 verantwortet er als Head of Content (und zweiter Mitarbeiter) alle inhaltlichen Komponenten von OMR, darunter vor allem den OMR Blog und redaktionelle Arbeit rund um das OMR Festival.

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