Dieser SEO macht Geld mit Nutzern, die zu dumm sind, GMX.de in die Browser-Zeile einzugeben

Torben Lux23.9.2015
Ob Beavis sein E-Mail-Postfach auch über Google sucht?

Wie eine sinnlose Seite in den Google Rankings gerade durch die Decke geht

Ob Beavis sein E-Mail-Postfach auch über Google sucht?

Ob Beavis sein E-Mail-Postfach auch über Google sucht?

Massen von Traffic mit einer Seite abgreifen, die einen ganz simplen Vorgang minutiös erklärt, nämlich wie man sich in sein E-Mail-Postfach bei GMX, Web.de und Gmail einloggt – was unglaublich klingt, ist in den vergangenen Monaten offenbar einem bauernschlauen deutschen Online-Marketing-Macher gelungen. Wir haben uns den Case genauer angesehen und nachgerechnet, was der Macher verdient.

Freemail-Anbieter wie GMX, Web.de, Hotmail & Co. werden immer noch gerne genutzt – zwar zunehmend per App auf Smartphones, natürlich aber auch noch „klassisch“ im Browser auf Desktop-PCs und Laptops. Und trotz der sehr kurzen Namen und Domains geben viele User den Namen des Dienstes lieber in der Google-Suche als direkt in der Adresszeile ein. Dieses nicht ganz neue Phänomen haben natürlich auch unlängst findige Online-Marketer für sich entdeckt – und schlagen daraus, wie das vergleichsweise simple Beispiel von login-seite.de zeigt, immer noch Profite.

Warum sucht man kurze Domain-Namen bei Google, anstatt sie direkt in der Browser-Zeile einzugeben?

Bei Web.de sind es zwei Klicks, bei GMX und Hotmail bzw. Outlook sogar nur einer. Mehr „Aufwand“ bedarf es nicht (natürlich neben der Eingabe von E-Mail-Adresse und Passwort), um sich ausgehend von der Homepage einer dieser Freemail-Anbieter in das Postfach einzuloggen. Dass trotzdem immer noch viele Nutzer den Umweg über die Google-Suche wählen, ist schwer zu erklären – immerhin bedeutet das mindestens einen Klick mehr. Gleichzeitig bildet genau dieses Verhalten die Grundlage für das SEO-Geschäftsmodell von login-seite.de, die speziell auf Suchanfragen dieser Art optimiert wurde.

Schritt für Schritt erklärt login-seite.de, wie man sich zum Beispiel in das Postfach bei GMX einloggt.

Schritt für Schritt erklärt login-seite.de, wie man sich zum Beispiel in das Postfach bei GMX einloggt.

Auf der Startseite von login-seite.de findet man keine Seitenstruktur, kein Layout und nicht einmal ein Impressum. Lediglich jeweils ein schlicht gehaltener Content-Block zu den sechs Freemail-Anbietern Gmx, Gmail, Hotmail (Outlook), Web.de, Yahoo Mail und Freenet Mail wird abgebildet. Nach ein paar Zeilen mit den gröbsten Informationen zum gratis verfügbaren Speicherplatz und der Geschichte des Anbieters verlinkt ein Button zur weiterführenden Seite mit der jeweiligen Schritt-für-Schritt-Anleitung des Login-Prozesses (bei Yahoo kein aktiver Link).

Traffic-Anstieg und super SEO-Rankings trotz sinnlosem Content

Der Content der Seite ist also eher übersichtlich und bietet eigentlich keinen Mehrwert. Und trotzdem steigen Traffic und Sichtbarkeit bei Google aktuell extrem an. Dass der Betreiber in Sachen SEO im Moment sehr viel richtig macht, zeigt außerdem der Blick in das Tool von Searchmetrics. Erst seit Ende Mai sind hier Daten zu der Domain vorhanden: Die SEO-Visibility stieg in der kurzen Zeit von null auf 79.229, über 2.000 organische Keywords wie „gmx login“ oder „web.de login“ kann die Seite vorweisen, davon mehr als die Hälfte auf der ersten Seite von Googles Suchergebnisliste. All das reicht laut Searchmetrics für Platz 286 im deutschen SEO-Ranking. Zum Vergleich: Die Huffington Post landet mit ihrem deutschen Angebot auf Platz 292, noch eine Platzierung dahinter folgt linkedin.com.

Die Sichtbarkeit von login-seite.de bei Google nimmt laut Searchmetrics seit einigen Monaten extrem zu.

Die Sichtbarkeit von login-seite.de bei Google nimmt laut Searchmetrics seit einigen Monaten extrem zu.

Die von SimilarWeb für August ausgewiesenen rund 220.000 Visits monetarisiert der Seitenbetreiber übrigens über Google Adsense-Anzeigen. Bis zu drei Stück befinden sich auf den Detail-Seiten mit Infos zum jeweiligen Login-Prozess der Freemail-Anbieter – immer direkt im sichtbaren Bereich. Auf der Startseite sind (noch?) keine Anzeigen eingebaut, diese sorgt laut dem Statistik-Tool aber auch nur für rund sechs Prozent des Gesamttraffics. Unter der Annahme von einem effektiven Tausender-Kontakt-Preis von 0,80 Euro und dem Ausschluss des Startseiten-Traffics käme der Betreiber im August bei 1,62 Page Impressions pro Visit auf Einnahmen in Höhe von 268 Euro. Reich wird er oder sie mit dem Projekt also vermutlich nicht. Trotzdem ist es immerhin ein nettes Taschengeld und zeigt schön, mit welchen doch recht simplen Methoden noch immer schnell themenspezifischer SEO-Traffic aufgebaut und zumindest im Ansatz monetarisiert werden kann. Dass viele Internet-Nutzer dazu neigen, auch täglich besuchte Seiten bei Google zu suchen, anstatt sie direkt anzusteuern, bekam Anfang 2010 auch der Tech-Blog readwrite.com auf kuriose Art und Weise zu spüren. Weil ein Artikel über eine Partnerschaft von Facebook und AOL unter anderem zum Keyword „facebook login“ extrem gut rankte, landeten viele Nutzer des Social Networks dort und waren über das „neue Design“ der Login-Seite not amused

login-seite.de erfindet das Rad nicht neu, setzt die Idee aber am besten um

Ganz ähnliche, konkurrierende Seiten gibt es in diesem Umfeld natürlich auch noch: login.wiki beispielsweise, mit Traffic vor allem aus den USA, Indien und Großbritannien nimmt seit Ende April Fahrt auf. Oder die allem Anschein nach etablierten deutschen Player my-login24.net und mein-login.net, die laut SimilarWeb beide seit dem Wachstum von login-seite.de an Traffic einbüßen. Alles in allem also eine Nische, die es zu beobachten lohnt. Übrigens: Der Macher der Seite will allem Anschein nach unbekannt bleiben. Das deutet das fehlende Impressum an. Der Eintrag für die Domain bei denic.de verstärkt diesen Eindruck dann noch. Als Domaininhaber wird hier ein Mirrko Luuft (ja, so geschrieben) aus Alsdorf bei Aachen angegeben, die Telefonnummer führt nach Irland, auf eine Kontaktanfrage per Mail bleibt eine Reaktion bisher aus.

Vielen Dank an Malte Landwehr für den Hinweis!

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Torben Lux
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Torben Lux

Torben ist seit Juni 2014 Redakteur bei OMR. Er schreibt Artikel und Newsletter, plant das Bühnenprogramm des OMR Festivals, arbeitet an der "State of the German Internet"-Keynote, betreut den OMR Podcast und vieles mehr.

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