Zurück zum Ex: Was steckt hinter Boomerang Recruiting?
Ehemalige Mitarbeitende zurückholen? Klingt erstmal wenig aufregend, kann aber enorm wirksam sein – wenn der Rahmen stimmt.
- Der zweite Blick: Ehemalige als unterschätzte Ressource
- Vom offenen Abschied zum „Willkommen zurück“ bei Fraport
- Der Fahrplan zum Wiedereinstieg bei den Österreichischen Bundesbahnen
- Boomerang Recruiting ist kein Selbstläufer
- Fazit: Wer offen geht, kann leichter zurückkehren
Jahrelang galt im Recruiting: Wer geht, ist raus – eine Rückkehr war selten mehr als Zufall. Doch im Angesicht leergefegter Arbeitsmärkte bekommt der Blick in den Rückspiegel neue Relevanz. Denn zwischen Offboarding und Neuanfang liegt eine HR-Strategie, die gerade wieder Fahrt aufnimmt: Boomerang Recruiting.
Infobox: Was ist Boomerang Recruiting?
Boomerang Recruiting bedeutet, dass Unternehmen gezielt ehemalige Mitarbeitende zurückgewinnen. Der Name leitet sich vom Boomerang ab – also etwas, das nach dem Wegwerfen wieder zurückkommt. Im HR-Kontext bedeutet das: Beschäftigte verlassen das Unternehmen aus unterschiedlichen Gründen und kehren zu einem späteren Zeitpunkt wieder zurück.
Der Vorteil: Rückkehrer*innen kennen Kultur, Abläufe und oft noch das Team. Das spart Einarbeitungszeit, senkt Recruiting-Kosten und stärkt die Unternehmenskultur. Entscheidend ist, dass Unternehmen die Rückkehr nicht dem Zufall überlassen, sondern strukturelle Voraussetzungen schaffen. Zum Beispiel durch Alumni-Programme, flexible Modelle oder eine offene Kommunikation beim Offboarding.
Der zweite Blick: Ehemalige als unterschätzte Ressource
Der Fachkräftemangel ist nach wie vor Realität, selbst wenn er derzeit weniger stark wahrgenommen wird. Zwar ist die Zahl der offenen Stellen laut IAB im zweiten Quartal 2025 auf rund 1,06 Millionen gesunken und damit sogar unter dem Niveau von 2017, doch das signalisiert keinen geringeren Personalbedarf. Vielmehr reagieren Unternehmen angesichts knapper Ressourcen mit Vorsicht: Ausschreibungen werden reduziert, geplante Einstellungen auf Eis gelegt und Besetzungen verschoben – nicht, weil die Nachfrage fehlt, sondern weil Aufwand und Risiko hoch erscheinen.
Gerade in solchen Phasen lohnt sich der Blick auf Menschen, die dem Unternehmen bereits vertraut sind. Boomerang Recruiting setzt genau hier an: Ehemalige Mitarbeitende wissen, wie das Unternehmen tickt, und bringen gleichzeitig neue Impulse von außen ein. Sie benötigen weniger Einarbeitung, verursachen geringere Kosten und sind schneller produktiv. Hinzu kommt, dass Rückkehrer*innen sich bewusst für das Unternehmen entscheiden – oft mit ausgeprägter Identifikation und Loyalität.
Dass das Potenzial groß ist, zeigt eine Analyse der Königsteiner Agentur: 43 Prozent der Befragten können sich grundsätzlich vorstellen, zu einem früheren Arbeitgeber zurückzukehren. 17 Prozent würden sich sogar aktiv erneut bewerben. Trotzdem kehrt bisher nur ein kleiner Teil tatsächlich zurück – häufig, weil der passende Rahmen fehlt. Dabei sind viele Gründe für einen Jobwechsel temporär: Weiterbildung, neue Lebensumstände oder ein besseres Gehaltsangebot. Wenn sich die Rahmenbedingungen ändern, kommt eine Rückkehr durchaus wieder infrage.
Genau hier liegt die Chance von Boomerang Recruiting: Wenn Unternehmen Abschiede nicht als endgültig betrachten, sondern als strategisches Potenzial, entsteht ein wertvoller Talentpool. Voraussetzung dafür sind klare Strukturen, benannte Ansprechpersonen und eine Kommunikation, die unmissverständlich vermittelt: Rückkehr ist nicht nur möglich, sondern ausdrücklich willkommen. Wer das bewusst gestaltet, gewinnt aus Vertrauen, Erfahrung und Kulturkenntnis einen Wettbewerbsvorteil.
Vom offenen Abschied zum „Willkommen zurück“ bei Fraport
„Die Zeiten, in denen man nach einer Ausbildung einem Unternehmen ein Leben lang treu geblieben ist, sind vorbei." Mit diesen Worten schaut Pascal Geber, Vice President Talent Acquisition bei Fraport, der aktuellen Realität ins Auge. Fraport bietet zwar allen Ausgebildeten mindestens eine mittel- bis langfristige Perspektive im Konzern. Das wird sehr gut angenommen, aber eben nicht mehr für immer. Junge Menschen sind heute beruflich mobiler und das ist in Ordnung, sagt er. „Klar gibt es auch viele Fälle, die sehr lange bei uns verbleiben. Aber es gehört heute eben auch dazu, dass der Wunsch nach einer Weiterentwicklung in einem anderen Unternehmen – allen Entwicklungsmöglichkeiten innerhalb des Konzerns zum Trotz – überwiegt.“
„Sowohl unsere Ausgebildeten als auch wir verabschieden uns dann jeweils mit ‚Auf Wiedersehen' statt ‚Tschüss'. Das Schöne hier: Auch wenn die Ausbildung im Moment des Abschieds schon ein paar Jahre her ist – sie verabschieden sich immer noch mal bei uns persönlich. Das zeigt: Die Verbindung zwischen den Ausbildungsverantwortlichen und den ehemaligen Auszubildenden oder Dual Studierenden ist eng, vertrauensvoll und persönlich."
Pascal Geber, Vice President Talent Acquisition bei Fraport
Genau auf dieser Ebene baut Pascal mit dem Team des Talent Acquisition Hub das Boomerang-Recruiting auf. Entscheidend für das „Willkommen zurück“ beim Rehiring ist die enge, vertrauensvolle Beziehung zwischen Ausbildungsverantwortlichen und ehemaligen Azubis und Student*innen – gepflegt über LinkedIn, lockere Kontakte oder Alumni-Treffen, zum Beispiel auf dem Weihnachtsmarkt.
Dass das nicht nur in der Theorie funktioniert, zeigen Rückkehrer*innen aus den Jahren 2024 und 2025: Vier ehemalige Auszubildende oder Dual Studierende sind in verantwortungsvollere Rollen zurückgekehrt, mit neuen Perspektiven und gewachsener Reife. Auch eine zentrale Schlüsselposition wurde mit einer Rückkehrerin besetzt, die nach Jahren außerhalb des Konzerns in eine noch anspruchsvollere Funktion eingestiegen ist. Für Pascal ist ihre Entscheidung für Fraport kein Zufall, sondern Ausdruck einer Verbindung, die nie ganz abgerissen ist.
„Rückkehrerinnen und Rückkehrer kommen häufig weiterentwickelt zurück", fasst Pascal zusammen. „Externes Know-how und interne Kenntnis sind eine ideale Kombination." Die Botschaft ist klar: Wenn die Trennung wertschätzend verläuft und der Kontakt authentisch bleibt, zahlt sich das Jahre später aus – für beide Seiten.
Der Fahrplan zum Wiedereinstieg bei den Österreichischen Bundesbahnen
Bei den Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB) ist laut Human Resources Manager Boomerang Recruiting fester Bestandteil der HR-Arbeit. Der Prozess beginnt ebenfalls beim Abschied: In einem strukturierten Exit-Gespräch erhalten ausscheidende Mitarbeitende, wenn es passt, ein sogenanntes „Rückkehrticket“. Es signalisiert, dass eine Rückkehr gewünscht und realistisch ist. Besonders: In Schlüsselrollen bei der ÖBB-Infrastruktur gibt es zusätzlich eine vertraglich gesicherte Wiedereinstellungszusage. Wer innerhalb von zwei Jahren zurückkehrt, muss sich nicht erneut bewerben. Diese Zusage schafft Sicherheit für beide Seiten.
Darüber hinaus hält das Alumni-Programm „Stay on Track“ ehemalige Mitarbeitende über Events, Unternehmensupdates und individuelle Angebote eingebunden. So entsteht ein verlässliches Netzwerk. Es erinnert frühere Mitarbeitende an die ÖBB und hält die menschliche Verbindung aufrecht. Dadurch wird der Wiedereinstieg leichter.
Ergänzt wird das durch flexible Arbeitsmodelle, da viele Beschäftigte aufgrund veränderter Lebensumstände das Unternehmen verlassen. Die ÖBB möchten Ihnen den Wiedereinstieg so einfach wie möglich machen. Dazu gehören flexible Voll- und Teilzeitmodelle, Unterstützung bei Einsätzen an anderen Arbeitsorten sowie die Möglichkeit einer Vier-Tage-Woche – Angebote, die auf Kontinuität und eine langfristige Beziehung ausgelegt sind.
Boomerang Recruiting ist kein Selbstläufer
Wer geht, verlässt das Unternehmen meist aus gutem Grund und genau diese Gründe beeinflussen, wie realistisch eine spätere Rückkehr ist. Unternehmen müssen dafür bereit sein, ehrliches Feedback anzunehmen, besonders dann, wenn Menschen aus frustrierenden oder strukturellen Gründen gegangen sind. Rückkehr gelingt nur, wenn diese Ursachen ernst genommen und sichtbar angegangen werden. Hinzu kommt, dass sich Kulturen verändern: Teams wachsen, Strukturen verschieben sich, Prioritäten werden neu gesetzt. Eine Rückkehr kann dadurch gut passen oder eben nicht. Auch die Rückkehrenden selbst entwickeln sich weiter. Sie kommen mit neuen Erfahrungen zurück, die auf ein Umfeld treffen, das sich ebenfalls verändert hat. Dadurch entstehen Chancen, aber auch potenzielle Reibungspunkte oder wiederkehrende Konflikte.
Fazit: Wer offen geht, kann leichter zurückkehren
Boomerang Recruiting ist mehr als eine pragmatische Lösung für knappe Arbeitsmärkte. Es stellt Beziehungen über reine Beschäftigungsverhältnisse und schafft Wege zurück für Menschen, die mit neuer Klarheit und Erfahrung zurückkehren wollen. Richtig gedacht, stärkt es Teams, verkürzt Einstellungsprozesse und bringt frischen Wind in vertraute Strukturen.
Dennoch verläuft nicht jede Trennung wertschätzend, nicht jede Rückkehr passt noch zur Gegenwart. Alte Konflikte, neue Erwartungen – manchmal führt der zweite Versuch nicht zur erhofften Verbindung. Für neue Perspektiven muss Raum bleiben. Boomerang Recruiting ersetzt kein strategisches Talentmanagement. Es ergänzt es. Wer damit arbeiten will, braucht die Fähigkeit, sowohl positive Impulse als auch kritische Rückmeldungen auszuhalten – und Konsequenzen daraus zu ziehen.
Was es dafür braucht: ehrliche Exit-Gespräche, Kontakt auf Augenhöhe und die Bereitschaft, Rückwege nicht dem Zufall zu überlassen. Ob als strukturierte HR-Strategie oder einfach als menschlicher Reflex: Wer Abschiede positiv gestaltet, schafft Verbindungen, die halten und manchmal auch zurückführen. Fürs Boomerang Recruiting genauso wie fürs berufliche Netzwerk.