Jeremy Fragrance: Wie der Duft-Influencer seine DTC Marke hochzieht

Für junge Männer ist der Youtuber die Instanz in Parfüm-Fragen. Mit Affiliate-Links und einer eigenen Duftlinie verdient er inzwischen siebenstellig.

Der Duft-Influencer Jeremy Fragrance macht mit Affiliate-Links und einer eigenen Parfüm-Marke Millionenumsätze
Der Duft-Influencer Jeremy Fragrance macht mit Affiliate-Links und einer eigenen Parfüm-Marke Millionenumsätze

Parfüm-Influencer Jeremy Fragrance hält sich nicht lange mit Kopf- und Herznoten auf. Bei ihm sind Düfte „geil“ oder „scheiße“, seine Clips heißen „Top 10 Kompliment Monster für Männer“ und „Günstige Parfums, die teuer riechen“. Dieser Zugang zum Thema und sein polarisierendes Auftreten haben Jeremy Fragrance 4,5 Millionen Social-Media-Follower eingebracht – und jede Menge Hater. OMR hat der gebürtige Oldenburger erzählt, wie aus dem Mitglied einer gescheiterten Boygroup der weltweit bekannteste Duft-Influencer geworden ist, der inzwischen das meiste Geld mit seiner eigenen DTC-Brand verdient.

Erster Youtube-Fame mit Tanz-Tutorials

Eigentlich heißt Jeremy Fragrance Daniel Schütz. Über das Schultheater kam der heute Anfang-30-Jährige zum Tanzen und so an einen Nebenjob am städtischen Theater. Der war deutlich lukrativer als die Alternative Zeitungen austragen. „So habe ich früh gelernt, dass man mit kreativem Zeug auch Geld verdienen kann“, sagt Jeremy Fragrance. Irgendwann entdeckt der damals 18-Jährige Youtube und beginnt Tanz-Tutorials hochzuladen. Die Video-Plattform war da gerade ein paar Monate live, eine überschaubare Creator-Schar stieß auf ein exponentiell wachsendes Publikum. „Ich hatte zwar nur 30.000 Abonnenten, aber zehn Millionen Klicks auf einem Video, fünf Millionen auf einem anderen.“

Geld hat er damit nicht verdient. Aber Youtube löste für den Schüler das größte Versprechen ein, das das Internet einem Jungen machen kann, der sich in seinem Zimmer daheim in Oldenburg beim Tanzen filmt: Fame. Bis die Plattform Probleme mit den Musikverlagen bekam und seinen Kanal löschte. Denn natürlich waren alle Tanzclips mit Musik unterlegt, Songs von Chris Brown, Usher, Michael Jackson.

Ein Surfertyp aus Hawaii

Schon vorher hatte ein Musik-Scout den Jungen mit den Tanz-Videos entdeckt und für die deutsche Boygroup Part Six gecastet. Weil alle anderen dort einen Künstlernamen hatten, erinnerte sich der World-of-Warcraft-Spieler an einen Level-60-Paladin, der Jeremia hieß und dessen Name er cool fand. Dazu kam die Backstory, der Manager der Gruppe habe den Surferboy Jeremy Williams auf Hawaii aufgegabelt.

Part Six war dann nicht sonderlich erfolgreich. Auch der anschließende Versuch einer Solokarriere floppte. Es folgten eine Sinnkrise und eine Reise nach Hawaii – das erste Mal, dass Jeremy die Insel wirklich betrat. Dort ging er dann – ebenfalls eine Premiere – in einen Store von Abercrombie & Fitch. Die Brand war damals auf ihrem Zenit und für Deutsche so unerreichbar, dass gebrauchte Pullover auf Ebay für 170 Euro gehandelt wurden.

Wer nie in einem Laden von Abercrombie & Fitch gewesen ist: Die Brand war Pionier des Experiential Marketings, stellte durchtrainierte Models vor die Stores und nebelte drinnen alles mit dem nicht eben unaufdringlichen Haus-Parfüm „Fierce“ ein. Eine Strategie, die bei Jeremy nicht nur verfing, sondern sein Leben verändern sollte: „Durch Abercrombie & Fitch auf Hawaii habe ich die Liebe zu Parfüms entdeckt.“

Vom Hobby zum Affiliate-Business

Schon immer habe er gerne Düfte getragen, „aber dann ging es richtig los“. Er arbeitete sich tief in das Thema ein, gab sich einen neuen Künstlernachnamen und begann erneut, sein Hobby mit der Youtube-Community zu teilen: Zunächst am Tisch sitzend erklärte er Düfte, packte Affiliate-Links unter die Clips. Nach zwei Jahren überwies ihm Amazon dann in einem Dezember 5.000 Euro. „Das war noch die Hobbyphase“, sagt Jeremy. „Aber da habe ich mir gedacht: Wow, geil, davon kann ich ja leben.“

Also ging er all-in und entwickelte die Youtube-Figur Jeremy Fragrance zum Parfüm-Experten, der aus dem Raster der Branche fällt: Er hat zu jedem Duft eine eindeutige, nicht um Political Correctness bemühte Meinung, erklärt seinen Zuschauern, mit welchem Parfüm sie Komplimente bekommen, mit welchem die Ladys ins Bett. Er springt in seinen Clips herum, klatscht in die Händle, brüllt „Kraft, Power, Strength“, tanzt, philosophiert über die Unterschiede der Wassertemperatur an den beiden US-Küsten, betet und singt „Griechischer Wein“, verhaspelt sich, egal. Immer First-take und uncut. Das wirkt authentisch und macht Jeremy Fragrance in einer von Deals und Küsschen-Küsschen-Mentalität verseuchten Branche zu einem unbestechlichen Ratgeber. Wie – auf ganz andere Weise – Leon von xskincare. (Hier die OMR-Story über ihn.)

Attraktive Fanbase für die Industrie

Mit seinem Style hat Jeremy Fragrance eine Fanbase aufgebaut, um die ihn viele etablierte Player der Beauty-Industrie beneiden: an Düften interessierte Männer zwischen 21 und 35, die bereit sind, dafür viel Geld auszugeben. In seinen eigenen Worten: „Ich habe ja richtig geile Zuschauer. Wenn du mal meine Subscriber siehst, wenn die mich anschreiben, die sind 1,90 und sehen aus wie – ich sage mal Zara-Fashion, also so richtig geil angezogen.“ Bei ihnen habe er das Standing, sagen zu können: „Das sind die besten Winterdüfte und halt dich fern von diesem Chanel, der hält nicht lange, hol dir lieber den.“ Und das würden sie auch. Über seine Affiliate-Links kann er es ja sehen. Da lag es nahe, den Subscribern nicht nur Düfte zu empfehlen, sondern direkt an sie zu verkaufen.

Der tatsächliche Impuls für die eigenen Duftlinie war jedoch Langeweile. Er habe in seinem Büro gesessen und jeden Tag eine neue Top-Ten-Liste gemacht, einmal im Jahr ein neuer Duft von Dior, sonst immer das gleiche Programm, weil seine Fans das eben so wollten. „Da ging nichts vorwärts.“ Für Jeremy Fragrance, ein großer Fan des Motivationsgurus Tony Robbins („Du musst wachsen“), ein unerträglicher Zustand.

Ein Job bei einem der großen Beauty-Konzerne war keine Option. Lieber die eigene Brand: „Das Geilste ever ist einfach eine eigene Parfüm-Marke“, habe er sich gedacht. Also nahm er Kontakt zu seinem Lieblingsparfümeur auf, Alberto Morillas, Schöpfer von Bestsellern wie CK One, Acqua di Giò von Giorgio Armani und Marc Jacobs Duft Daisy. Für Jeremy Fragrance schuf er eine Serie, deren Anspruch so bold ist wie der Auftraggeber: ultimative Düfte fürs Office, Black Tie, das Date, den Tag und die Nacht.

Die eigene Duftserie

Er hatte seine Mutter bereits so weit, ihm ihr Erspartes für die Produktion zu leihen, doch dann ging seine Kickstarter-Kampagne durch die Decke. 6.000 seiner Follower bestellten den Duft, was Jeremy nicht nur 780.000 Euro einbrachte sondern auch eine genaue Order-Größe. „Das war absoluter Luxus. Welche Parfümmarke produziert soviel wie sie verkauft?“, sagt Jeremy.

Seine hochpreisigen Düfte verkauft Jeremy Fragrance bislang ausschließlich über seinen eigenen Store

Seine hochpreisigen Düfte verkauft Jeremy Fragrance bislang ausschließlich über seinen eigenen Store

Anders als Influencer, die mit Drogerie-Discountern kooperieren, um Badeschaum in den Markt zu drücken, setzte Jeremy Fragrance von Anfang an auf Exklusivität. 50 ml „OFFICE for Men“ kosten 145 EUR, verkauft wird nur über seinen eigenen Shop. Ein ziemlich lukratives Business: Selbst mit Rabatt-Codes würden seine Kunden mindestens 100 Euro zahlen, bei einem Preis für Produktion und Versand von 20 Euro bedeute dies also 80 Prozent Profit. Woraus er vor seinen Followern auch kein Geheimnis macht. Wie auch, wenn er seinen Zuschauern regelmäßig vorrechnet, dass selbst edelste Düfte in der Herstellung nur 3,70 Euro kosten. „Ich bin da knallhart real“, sagt Jeremy Fragrance. „Ich finde, Parfüms gehen schon in Richtung Kunst.“ Zumindest seien sie ein Luxusgut wie eine Louis Vuitton-Handtasche. „Die kostet ja auch nicht in der Herstellung 700 Euro und wird dann für 750 Euro verkauft.“

Ungefähr jeweils ein Drittel seiner Kunden stammten aus den USA und Deutschland, so Jeremy. Viele seien „treue Leute“, einige hätten schon zum siebenten Mal nachbestellt. Und er sagt auch: „Der Profit ist riesig.“ Das Duftlabel Fragrance One bringe mittlerweile „weitaus mehr“ Geld ein als Affiliate-Business und Berater-Jobs. Zusammengenommen hätte er mit allen seinen Aktivitäten im vergangenen Jahr erstmals die Umsatz-Million geknackt. „Das ist eine Mega-Einnahmequelle für mich und ich bin komplett unparteiisch. Ich habe kein Management, ich habe keine Investoren und bin überall alleiniger Inhaber.“

Expansion nach China geplant

Doch, lies nach bei Tony Robbins: Du musst wachsen. Was kommt also als nächstes? Vielleicht eine Jeremy-Fragrance-Boutique, vielleicht in Miami. Vielleicht eine Skincare-Linie, die entsprechende Marke hat er sich zumindest schon schützen lassen. Er habe auch schon mit mehreren Retailern verhandelt, gute Deals sondiert. Aber: „Ich bin ja auch eine One-Man-Show. Ich kann das gar nicht so übersehen, wenn das überall in den Läden steht.“ Und überhaupt: „Was ich eigentlich gerne hätte: Dass mir ein Douglas drei Millionen Euro bezahlt, dass die den Duft überhaupt verkaufen dürfen.“

Wie ernst ihm dieser Gedanke tatsächlich ist, lässt Jeremy Fragrance nicht durchblicken, betont aber, dass er auch ohne weitere Retail-Kanäle gut leben kann: „Wir machen genug Umsatz über meine Brand über meine Website“, sagt er. Das sei sauber aufgesetzt, das Business wächst, die Expansion mit seinen Parfüms nach China sei in Vorbereitung.

„Komm, hustle, every day“

Doch im Fokus bleibt der Content: Youtube, das er wegen der Nähe zur Community liebt, aber auch Tiktok, der „mit Abstand der schwächste Converter“, wo sich aber – wie auf seinem gerade gestarteten Discord-Server – die nächste Kundengeneration tummelt. Die wolle er an seine Brand binden. Und am Ende geht es ja hier um Wachstum, um dieses „Komm, hustle, every day. Dass ich mir sage, mach jetzt deine Kindergarten-Tiktok-Videos, das ist jetzt hot.“

Und dann gibt es ja noch die Option Exit: „Die Brand kann ich ja jetzt schon verkaufen“, sagt Jeremy Fragrance. „Es ist ja alles clean, alles Direct-to-Consumer, was gerade eh alle Leute haben wollen.“ Er ist sich sicher, dass früher oder später jemand mit einem „Mega-Angebot“ um die Ecke kommen wird. „Und wenn nicht, ist auch nicht schlimm. Denn ich kann weitermachen, wie es ist.“

Foodie-Content vom Duft-Influencer

Zum Schluss noch zu der Sache mit dem Käse. Vor einigen Wochen ging auf Jeremy Fragrance deutschem Kanal ein Clip mit dem Titel „Halte dich fern von Käse“ live. Schräges Thema für einen Duft-Influencer. Das Original ist auch schon wieder gelöscht, aber längst zum Meme geworden und unter anderem noch auf dem Reactions-Kanal des Youtubers Justin Fuchs (dessen eigenes Drop-Business OMR hier porträtiert hat) zu sehen.

Fuchs arbeitet sich in seinen Reaction-Clips schon seit Jahren an Jeremy Fragrance ab. Mit Ernährungstipps wie „Iss vor jeder Mahlzeit fünf Eier“ oder der Idee, drei Dosen Makrelen zum Frühstück zu essen, liefert der beständig neues Futter für Fuchs – wobei bei diesem Spiel inzwischen nicht mehr ganz klar ist, wer hier eigentlich mit wem spielt. Zumindest würden die Reactions-Clips Abonnenten bringen, sagt Jeremy Fragrance. Wenn auch nicht so viele wie Gastauftritte im Lifestyle-Kanal alpha.m, der ihm auf einen Schlag 20.000 neue Subscriber brachte.

„Ich bin gläubig, ich darf nicht lügen“

Warum also Käse auf einem Beauty-Kanal? „Weil ich die letzten Monate eine Phase hatte, wo ich einfach jede Videoidee, die ich hatte, gedreht habe, nach dem Motto: Scheiß drauf“, sagt Jeremy. „Ich hatte irgendwann selber Schiss davor, was mir gleich in mein Hirn fliegt.“ Inzwischen habe er dieses Projekt darum auch abgebrochen.

So wahnsinnig diese Idee für einen Influencer klingt, der mit großen Beauty-Brands zusammenarbeitet, mehrere Branchenpreise gewonnen hat und über 4,5 Millionen Follower bespielt, so sehr passt das zur Philosophie, mit der Jeremy Fragrance durchs Leben geht: „Ich bin gläubig und darf nicht lügen“, sagt der Christ, der in jedem Clip eine Kette mit goldenem Kreuz trägt. „Deswegen funktionieren meine Videos auch in dem Sinne, dass sie polarisieren.“

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Christian Cohrs
Autor*In
Christian Cohrs

Editor & Content Strategist bei OMR und Host des FUTURE MOVES-Podcasts. Zuvor war er Redaktionsleiter des Wirtschaftsmagazins Business Punk in Berlin, Co-Autor des Sachbuchs "Generation Selfie".

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