Leon von „xskincare“: Ein Influencer mit Wahnsinns-Wachstum, der kein Influencer sein will

Martin Gardt5.6.2020

Auf Instagram gibt Leon Hautpflege-Tipps und kritisiert auch mal die Branche – seine Followerzahl ist zuletzt explodiert

Leon bewertet auf seinem Instagram-Kanal "xskincare" Hautpflege-Produkte
Leon von "xskincare"

Anfang 2019 hatte der Biologie-Student Leon noch einen wenig beachteten Instagram-Kanal mit knapp 3.000 Followern. Innerhalb eines Jahres ist sein Kanal „xskincare“ auf über 270.000 Abonnenten gewachsen. Seine Community liebt offenbar seine in ganz eigener Optik gestalteten Hautpflege-Hinweise – und seine ehrliche Art. Mit OMR hat er über eine zufällige Begegnung gesprochen, die sein Instagram-Wachstum ausgelöst hat, warum er trotz engagierter Follower erst wenige Werbedeals eingegangen ist und wieso er einen Hals auf die Kosmetik- und Influencer-Branche hat.

„Es hat damit angefangen, dass ich viel gelesen habe, weil ich wegen meiner Haut verzweifelt war. Ich bin auf ein paar Instagram-Kanäle gestoßen, die sich mit Hautpflege auseinandersetzen, gerade in Amerika ist das ein Ding für Social Media“, sagt xskincare-Macher Leon gegenüber OMR. „Ich war einer der wenigen Männer, die bei dem Thema dabei waren – das wurde so medium gut angenommen. Mit mir wurde nett geliebäugelt, so nach dem Motto: ‚Der ist zu jung und hat bestimmt keine Ahnung.'“

Entsprechend läuft sein Instagram-Kanal „xskincare“ an. Er postet zu Beginn – meist verziert mit grafischen Elementen – Bilder von Kosmetik-Produkten und Hautproblemen und klärt seine Community über Inhaltsstoffe und Wirkungsweisen auf. Im März 2016 startet er mit dem Kanal, genau drei Jahre später steht Leon bei unter 3.000 Followern. Doch dann ändert eine zufällige Begegnung alles und xskincare legt in ein paar Monaten mehrere Hunderttausend Abonnenten zu.

Ein Youtube-Video macht den Unterschied

Bis August 2019 steigt die Zahl seiner Community zuerst auf über 10.000. Die wahre Wachstumsexplosion folgt dann aber nach einem Video, das die Youtuberin Hatice Schmidt mit Leon aufnimmt. Schmidt hat auf Youtube über 730.000 Abonnenten und widmet sich in vielen Videos den Themen Make-Up und Hautpflege. „Das Video mit Hatice ist total zufällig entstanden. Ich habe sie angesprochen, als ich mit einer Freundin unterwegs war und wollte ihr nur Tipps für ihre Haut geben. Sie hatte anschließend gefragt, ob wir nicht ein Video zusammen machen wollen“, sagt Leon. „Zuerst ist das Video gar nicht so gut angekommen. Nach ein paar Tagen hatte es dann aber innerhalb kürzester Zeit 800.000 Views. Offenbar wurde es von vielen Nutzern auf anderen Plattformen geteilt. Wenige Tage danach war ich bei 30.000 bis 35.000 Instagram-Followern.“

Das Analyse-Tool InfluencerDB bestätigt Leons Wachstumssprung. In der Woche der Video-Veröffentlichung rund um den 1. August 2019 springt er von knapp über 10.000 auf fast 30.000 Follower. Auch danach zieht sein Wachstum weiter an, pro Woche legt er in der Folge 3.000 bis 5.000 neue Abonnenten zu. Das setzt sich bis Ende März 2020 durch – Leon landet zu dem Zeitpunkt schon bei über 140.000 Followern. In dieser Phase tritt er in zwei weiteren Videos von Hatice Schmidt auf und auch andere Youtuber entdecken seinen Kanal und bauen seine Kosmetik-Tipps in ihre Videos ein (Beispiele hier, hier und hier).

Ein Auftritt bei Oli Pocher

Ein weiterer großer Wachstumssprung vor ein paar Wochen hat dann mit einem aktuell sehr streitbaren Prominenten zu tun: Oli Pocher. Der hatte zuletzt ja mit Influencer-Bashing auf Instagram für Aufsehen gesorgt und so auf der Plattform extrem schnell Follower gewonnen. „Ich hatte Oliver Pocher bei Instagram als Reaktion auf eine seiner Stories geschrieben. Da war ich ein wenig schockiert, dass es ihn braucht, damit viele verstehen, was Influencer und vor allem Unternehmen tun, damit sich ihre Produkte verkaufen“, sagt Leon.

Er beobachte die Branche schon länger kritisch und der Comedian habe in dem Moment einen Nerv bei ihm getroffen. „Eines Tages haben mich mehrere Leute angeschrieben, dass der Pocher in seinem Livestream nach mir fragt. Also habe ich den eingeschaltet und er hat mich dann aktiv dazu geholt und mit mir gesprochen“, erzählt der „xskincare“-Macher. Während des Livestreams am 30. März 2020 sprechen Oli Pocher und seine Frau Amira etwa 20 Minuten mit Leon über Werbeversprechen der Kosmetik-Industrie. Zehntausende Nutzer schauen beim Livestream zu – und Leon folgen innerhalb einer Woche nochmal 80.000 Menschen mehr. Heute kommt „xskincare“ auf über 270.000 Instagram-Follower.

Follower-Wachstum von "xskincare" auf Instagram (Quelle InfluencerDB)

Die Wachstumskurve von „xskincare“ auf Instagram (Quelle: InfluencerDB)

Auf seine Art

Dabei ist die Wachstumsstory nur der oberflächliche Teil der Geschichte von „xskincare“. Das Besondere an dem Kanal ist neben Leons Persönlichkeit der Style der Posts und die extrem engagierte Community. Mittlerweile haben sich seine Posts zu kleinen Kunstwerken entwickelt – Kosmetikprodukte tauchen nur im Stile von Skizzen auf. Leon hat seinen ganz eigenen Stil entwickelt und setzt sich damit von vielen anderen Instagrammern ab, die sich mit Kosmetik auseinandersetzen. „Seit der vierten Klasse war Kunst für mich extrem wichtig und ich habe eigentlich immer gemalt. Ich habe auf Instagram viele Illustratoren beobachtet und wollte das einfach versuchen. Seitdem zeichne ich die Produkte in meinen Posts mit der App Procreate immer selbst“, sagt Leon gegenüber OMR. „Meine Freundin Esther ist Mediengestalterin. Sie hilft bei der Ausgestaltung der Bilder mit dem richtigen Hintergrund oder den Beschriftungen.“

Hinzu kommen bei jedem Post ausführliche Einschätzungen zu den meist thematisch zueinander passenden Kosmetik-Produkten. „Ich poste in der Regel Dienstag, Donnerstag oder Sonntag. Ich schaffe es nicht viel häufiger, weil meine Posts aufwendig sind und Instagram für mich nur ein Hobby ist“, sagt er. Einen Tag stellt Leon dann seine Sommer-Routine vor, bewertet die Produkte von Kylieskin, der Marke von Kylie Jenner, oder er fragt laut, ob Hyaluron Serum 250 Euro kosten muss. Dazu gibt’s dann wie beschrieben lange Einschätzungen als Bildbeschreibung. Hinzu kommen unregelmäßig Instagram Stories, in denen er sich meist zusammenhängend über mehrere Minuten einem Thema widmet.

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Echte Auseinandersetzung mit der Community

Das führt dann trotz des kräftigen Wachstums des Kanals in den vergangenen Wochen zu einer extrem hohen Engagement-Rate der Community (Relation zwischen Zahl der Likes und Kommentare zu der Zahl der Follower) von an die zehn Prozent. Die meisten Posts auf „xskincare“ zählen zwischen 15.000 und 20.000 Likes und durchgängig über 1.000 Kommentare.

„Produkt-Empfehlungen kommen immer am besten an. Aber ich bin da immer vorsichtig, weil täglich Produkte zu empfehlen keinen Sinn ergibt. Ich benutze oftmals das gleiche, wenn mich was neues beeindruckt, zeige ich es gern“, erklärt Leon. „Meine Community ist so aufmerksam dabei, weil ich versuche Tipps zu geben und versuche, viele Fragen wirklich zu erklären. Ich gehe auch immer stark auf ihre Wünsche ein und liefere den Content, den sie auch wollen.“ Er habe zwar keine Zeit, jeden Tag Hunderte Fragen zu einzelnen Hauttypen zu beantworten, die ihn zum Teil auch per Direktnachricht erreichen. Bemerkungen zum Inhalt der Posts versuche er aber so schnell wie möglich selbst zu klären.

Der unperfekte Partner

Mit dem Wachstum und einer so engagierten, an Hautpflege interessierten Community, sollte Leon eigentlich der perfekte Partner für Kosmetik-Unternehmen sein. Er agiert da aber noch extrem vorsichtig und sagt vor allem ziemlich offen seine Meinung über viele potenzielle Partner: „Ich mache extrem selten Kooperationen – maximal zwei im Quartal. Manche Firmen wollen nicht mit mir arbeiten, weil ich nicht in deren Bild passe. Anderen antworte ich einfach nicht auf ihre Standard-E-Mails, wo sie schreiben, wie ich ihre Werbeversprechen nachquatschen soll“, erzählt er. „Ich sage den Unternehmen, die mit mir arbeiten wollen, direkt: ‚Ihr entscheidet nichts, ich möchte kein Briefing‘. Ich will wirklich nur das bewerben, was ich gut finde.“

Bisher sei die Naturkosmetik-Marke Colibri Cosmetics sein treuester Partner. Auch mit der Drogerie-Marke No Cosmetics habe er schon gearbeitet. „Ich habe das für meine Community relativ klar gemacht. Wenn ich Produkte verlinke, schreibe ich ‚Werbung‘ als Hinweis. Bei bezahlten Partnerschaften oder Gewinnspielen steht ‚Anzeige‘ im Post“, erklärt Leon. „Ich finde es ja ein bisschen unfair, wie Influencer jedes Bisschen als Werbung kennzeichnen müssen, während man im TV teilweise keine richtige Kennzeichnung erkennt. Aber ein paar KollegInnen von mir versuchen alles so gut wie möglich zu verstecken, wenn sie Werbung machen, was ich genau so schlimm finde.“

Kein Blatt vor den Mund nehmen

Mit seinen bestehenden Partnern funktioniere die Zusammenarbeit so gut, weil sie keinen Druck auf ihn ausüben würden, welche Botschaft er rüberbringen soll. Stattdessen haben die Unternehmen erkannt, wie wertvoll es ist, mit jemandem zusammenzuarbeiten, der ihre Produkte aus Überzeugung empfiehlt und auch in den Kommentaren fachlich auf die Fragen der Nutzer eingehen kann. „Ich bin im Internet einfach genauso wie im echten Leben. Deshalb ist meine Community bei mir.

Ich sage klar, dass ich einfach ein Student bin und kein Dermatologe. Also lerne ich auch immer weiter mit und bin nicht sauer, wenn mich mal jemand sachlich korrigiert“, sagt der „xskincare“-Macher. „Unsere Generation leidet auch unter Social Media. Kein Influencer sieht im echten Leben so aus, wie auf Instagram. Es wird ein komisches Bild vermittelt, welches nicht auf das reale Leben übertragbar ist.“

Zwei Branchen – ein Problem

Auch weil Leon sein Instagram-Projekt als Hobby betreibt, könne er es sich erlauben, für ihn nicht passende Werbe-Angebote auszuschlagen: „Mir bieten Firmen teilweise sechsstellige Summen an, dass ich exklusive Werbung für sie mache, auf sowas gehe ich nicht ein“, sagt er. Andere in der Influencer-Branche hätten diesen Luxus nicht, was die Kosmetik-Industrie wiederum ausnutzen würde. „Mir geht’s nicht darum, wer böse und wer gut ist. Mir fällt auf, dass Firmen die Gutgläubigkeit und Unwissenheit ausnutzen und in den Briefings irgendwelchen Dreck reinschreiben, den die Influencer dann nacherzählen sollen.“

Bestimmte Claims der Kosmetik-Industrie seien aus seiner Sicht nicht nur aus den Mündern von Influencern Quatsch: „Was mir am meisten auf die Nerven geht, sind Werbeversprechen wie ‚für sensitive Haut‘ oder ‚frei von Chemie‘. Was soll das überhaupt heißen? Alles ist Chemie!“, erklärt Leon. „Unternehmen sagen den Kunden lieber, was nicht drin ist, als zu erklären, was hinter den Inhaltsstoffen steckt. Panik verkauft sich besser.“

Der Kampf gegen Kundenverarsche

Aber auch bei vielen Influencern vermisse er eine gewisse Ehrlichkeit: „Das Schlimmste ist es, wenn Influencer Gesundheitsclaims machen, die gar nicht stimmen. Da bewerben Menschen, die nie Probleme mit der Haut hatten, plötzlich ein Produkt, das ihnen angeblich bei der Akne geholfen hat. Das ist wirtschaftlich vielleicht schlau, am Ende aber Kundenverarsche.“

Sein Ziel sei es hingegen, nach bestem Wissen und Gewissen zu beleuchten, was Hautpflege-Produkte wirklich bringen und wofür die Kunden wirklich Geld ausgeben sollten. Damit ist Leon mit seinem Instagram-Kanal „xskincare“ jetzt schon zu einer viel beachteten Stimme geworden. Ein großes Business sehe er wegen all der genannten Probleme mit der Branche auf der Plattform selbst eher weniger: „Ich werde Instagram weiter als Hobby machen – auch wenn ich noch ein paar Ziele damit habe“, sagt Leon. „Ich hätte aber mal Lust, einen Podcast zu machen, in dem ich wirklich mit Vertretern von Kosmetik- und Pflege-Unternehmen sprechen könnte. Vielleicht klappt das ja mal.“

Influencer MarketingInstagram
MG
Autor*In
Martin Gardt

Martin kümmert sich vor allem um neue Artikel für OMR.com und den Social-Media-Auftritt. Nach dem Studium der Kommunikations- und Medienwissenschaft ging er zur Axel Springer Akademie, der Journalistenschule des Axel Springer Verlags. Danach arbeitete er bei der COMPUTER BILD mit Fokus auf News aus der digitalen Welt und Start-ups. Am Wochenende findet Ihr ihn auf der Gegengerade im Millerntor.

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