Hoffen auf den Coachella-Effekt: Deutsche Brands testen Influencer Marketing auf Festivals

Martin Gardt29.6.2017

Wie Melitta, Lidl und Carlsberg cooler werden wollen

Influencer Events
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Inhalt
  1. Millionen-Reichweiten durch Coachella-Präsenz
  2. Melitta und Rock am Ring – passt das?
  3. Ein Discounter auf dem Festival
  4. Carlsberg hat es einfacher
  5. Eigene Events als Alternative

Früher drehten sich Festivals um Musik, heute wirken manche von ihnen – etwa das US-Festival Coachella – wie ein einziger Influencer-Auflauf. Für Brands ist das reizvoll: Das Outfit, das Kendall Jenner trägt, wird automatisch zum Verkaufshit. In Deutschland versuchen mittlerweile auch eher altbackene Marken wie Melitta und Lidl mit dieser Strategie etwas vom Glanz der Influencer-Welt für sich abzubekommen. Nicht immer funktioniert das. Wir haben einen Experten drei Kampagnen beurteilen lassen.

Eine Milliarde Impressions: So viel Reichweite hat das Coachella-Festival 2017 laut der Social-Marketing-Plattform Spredfast nur über Instagram verzeichnet. Noch nicht eingerechnet sind die unzähligen Berichte und Artikel über die Instagram-Posts der Influencer vor Ort. Kein Wunder, dass Marketer und Brands da aufhorchen. Zwar tauchen Sponsoren, schon seit es Festivals gibt, mit eigenen Ständen, Sponsorings oder Bühnen auf, um von der hippen, jungen Zielgruppe wahrgenommen zu werden. Mit dem Aufkommen des Influencer Marketings hat diese Marketing-Strategie aber noch einmal eine ganz neue Qualität erreicht. Auf dem Coachella Festival tummeln sich jeden April hunderte Influencer – auf Einladung verschiedenster Brands.

Millionen-Reichweiten durch Coachella-Präsenz

Laut Spredfast wurde das Hashtag #coachella2017 bisher in über 59.000 Instagram-Posts verwendet, die insgesamt über 19 Millionen Likes eingesammelt haben. Und auch die Hashtags, die Unternehmen extra für das Festival erdacht haben, kommen auf beachtliche Reichweiten: Das von der US-Klamottenmarke eingeführte #revolvefestival wurde in über 1.900 Posts erwähnt, die insgesamt auf über 17 Millionen Likes kommen. Die 968 Posts mit #VSAngelOasis (Victoria’s Secret) sorgten für 2,6 Millionen und die 810 Posts mit #HMlovescoachella (H&M) für 2,1 Millionen Likes.

This is all Hertz had available ??‍♀️ #juicyfestival #coachella

Ein Beitrag geteilt von A s h l e y T r e v i c k (@ashleytrevick) am 14. Apr 2017 um 12:10 Uhr

Die laut Spredfast meistgenutzten Hashtags von Unternehmen plus klassischer Festival-Hashtags erreichten insgesamt über 139 Millionen Likes und knapp acht Milliarden Impressions. Ein beachtlicher Teil der Reichweite dürfte über verschiedene Influencer erreicht worden sein, die von den Brands eingeladen waren. Aber die schiere Menge an Posts mit bestimmten Hashtags weist darauf hin, dass auch viele „normale“ Besucher die Marken erwähnt haben. Die Taktik ist meist gleich: Die Brand stellt ein Objekt auf, das dazu einlädt, Fotos zu schießen. Die Modefirma Juicy Couture hatte zum Beispiel ein klassisches Cabrio vor Ort, in dem sich die Besucher fotografieren konnten. Hinweise auf den passenden Hashtag sind immer ganz in der Nähe angebracht. Nicht selten verbinden Brands diese Aktivierungen mit Gewinnspielen und verlosen Preise an alle Besucher, die ein Foto des Markenauftritts inklusive Hashtag gepostet haben.

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Laut IEG lag der Ad-Spend von Musik-Events 2016 allein in den USA bei 1,47 Milliarden US-Dollar. Laut einer Studie der Musik-Marketing-Agentur Momentum Worldwide und dem Konzert-Promoter AEG Live sagten 55 Prozent der Besucher von Konzerten und Festivals, dass sie Produkte der Sponsoren kaufen würden – 80 Prozent seien eher bereit, diese Brands in Social Media zu empfehlen. Diese Zahlen sind natürlich mit Vorsicht zu genießen, weil die Erhebungen von Akteuren stammen, die ein Interesse an der Vermarktbarkeit von Events haben. Trotzdem wird deutlich, dass die junge Zielgruppe dort erreicht werden kann.

Melitta und Rock am Ring – passt das?

Auch in Deutschland ist die Festival-Saison vor Kurzem gestartet. Events wie Rock am Ring oder das Hurricane ziehen – auch wenn es keine Terror-Gefahr oder Regenchaos gibt – deutschlandweite Aufmerksamkeit auf sich. Zu Rock am Ring und Rock im Park hat deshalb auch die deutsche Traditionsmarke Melitta verschlagen. Um das Markenimage aufzupolieren und sich auch bei jüngeren Koffein-Junkies als Kaffee-Spezialisten zu positionieren, haben die Ostwestfalen dieses Jahr alle Rock-am-Ring-Teilnehmer in das „Melitta Wohnzimmer“ eingeladen.

Um die Aktion in die Welt zu tragen, setzte auch Melitta auf Influencer Marketing. Mit dabei waren Ex-GZSZ-Schauspielerin Janina Uhse (665.000 Abonnenten bei Instagram), Blogger Felix „Saintfilli“ Stein (38.700 Abonnenten) und Youtuber und Instagrammer FittiHollywood (knapp 100.000 Abonnenten). Die drei stellten jeweils Fotos aus dem Melitta Wohnzimmer auf Instagram – versehen mit dem Hashtag #melittafestivaltour. Die neun Beiträge der drei Testimonials schaffen es insgesamt auf über 40.000 Likes, knapp 300 Mal wurde kommentiert – Janina Uhse sorgt mit über 20.000 Likes auf einen Beitrag aber für den Löwenanteil des Engagements.

Im #Melitta Wohnzimmer ne doppelte Ladung abgeholt- Koffeinkick ✔️Akku✔️ Nun ab zu @marteria ?#melittafestivaltour #RAR2017 #MelittaFestivalmove @melitta_deutschland #ad

Ein Beitrag geteilt von Janina Uhse (@janinauhse) am 4. Jun 2017 um 8:27 Uhr

„Den Influencer-Beiträgen fehlt es mit Blick auf das Thema Storytelling etwas an Raffinesse. So hätte man die gebrandete und durchaus ansehnliche Location beispielsweise für das ein oder andere Akustik-Konzert nutzen können, für das die drei Testimonials im Vorfeld dann exklusive Tickets verlost und die Werbetrommel gerührt hätten. Gesamturteil: Gute Grundidee mit inhaltlichen Schwächen“, sagt sagt Influencer-Marketing-Experte Philipp John, COO und Gründer der Influencer-Marketing-Plattform ReachHero, über Melittas Festival-Auftritt zu OMR. ReachHero selbst war an keiner der Kampagnen beteiligt.

Ein Discounter auf dem Festival

Schon seit zwei Jahren bietet Lidl mit seinem „Rockshop“ den Rock am Ring-Besuchern einen Supermarkt auf dem Festivalgelände. Dafür hatte sich der Discounter mit der „Rockshop-Oma Jutta“ extra ein eigenes Testimonial gebastelt – das mit einem Video bei Youtube auf über 220.000 Views kommt. Zusätzlich waren mit den Bloggerinnen Jennifer Schleich (73.000 Abonnenten), Marie Schöniger (63.400 Abonnenten) und Lisa Fiege (35.800 Abonnenten) Influencerinnen mit relativ kleiner Reichweite dabei. Zusätzlich gab es – wie vom Coachella gelernt – eine Foto-Kabine und Schaumstoff-Devilhorns mit Lidl-Logo. Das brachte auch einige Normalo-Besucher dazu, Lidl-Hashtags zu verwenden. Insgesamt wurden 21 Posts mit Werbebotschaft abgesetzt, die auf über 21.000 Likes und 240 Kommentare kommen.

„Unklar bleibt, welchen Auftrag die versammelte Instagram-Prominenz vom Discounter wirklich erhalten hat. Teilweise stellen die Bloggerinnen Produkte vor, die im Festivalshop erworben werden konnten. Meist belaufen sich die Beiträge jedoch auf schlichte Danksagungen an Lidl für die Einladung auf das Festival“, sagt Philipp John von ReachHero. „Nun macht es durchaus Sinn, den Influencern keine allzu engen Grenzen zu setzen. Wichtig ist jedoch immer, dass am Ende Ziel und Botschaft der Kampagne nicht komplett untergeht. Das scheint hier – trotz guter Idee – leider der Fall gewesen zu sein. Zielführender wäre es gewesen, hätte zum Beispiel jeder der Markenbotschafter seinen Lieblings-Rockshop-Artikel im Festival-Einsatz vorgestellt.“

Carlsberg hat es einfacher

Biermarken kommen bei Festivalbesuchern insgesamt sicher besser an als Kaffeehäuser. Daher zählen die großen Brauereien jedes Jahr zu den wichtigsten Sponsoren der großen Festivals. Aber auch für die reicht es nicht mehr, nur die 20.000 bis 80.000 Besucher vor Ort zu erreichen – Influencer sollen die Event-Präsenz in die Welt tragen. So hat es auch Carlsberg auf dem EDM-Festival „World Club Dome“ in Frankfurt probiert. Vor Ort waren Video-Bloggerin Jodie Calussi (375.000 Abonnenten) und Reise-Blogger Michael André Ankermüller (51.900 Abonnenten).

Because you are ? @deichkind_official @carlsberg #carlsberg #wcd17 #rightbeerrightnow #beerfie #werbung

Ein Beitrag geteilt von JC (@jodiecalussi) am 3. Jun 2017 um 8:31 Uhr

Insgesamt kommen die Werbepostings der beiden auf 180.000 Likes und 750 Kommentare. „Anders als bei Lidl wird die Marke des Bierherstellers in den Beiträgen meist prominent präsentiert. Zudem wurden mit #rightbeerrightnow und #beerfie zwei überaus griffige Kampagnenhashtags genutzt“, sagt Philipp John. „Gelungen auch die Auswahl der Influencer, die nicht nur beide Geschlechter abdecken, sondern auch unterschiedliche Zielgruppen bedienen.“ Allerdings vermisse er auch hier noch einen Storytelling-Ansatz rund um das Thema Bier.

Eigene Events als Alternative

In der Hoffnung die komplette Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen setzen einige Brands mittlerweile auf eigene Event-Formate. Besonders herausgestochen hatte zuletzt About You mit den About You Awards. Das Event, bei dem viele Influencer dabei waren – und so für weitere Reichweite sorgten – wurde bei Facebook live übertragen und erreichte auf der About You-Seite (340.000 Fans) über 1,1 Millionen Aufrufe. Ein Zusammenschnitt der Highlights kommt auf 1,8 Millionen Views.

Gelernt ist diese Strategie vor allem von Victoria’s Secret. Die Wäsche-Marke richtet seit 1995 jährlich eine große Fashion Show aus, deren Highlight immer ein mit Juwelen besetzter BH ist. Auch hier werden die Models mittlerweile auch nach ihrer Reichweite in den sozialen Netzwerken ausgewählt. Gigi Hadid mit 34,9 Millionen Instagram-Fans lief 2016 ebenso mit wie Kendall Jenner mit 82,1 Millionen Abonnenten. Hinzu kommen Auftritte von Stars wie Lady Gaga und Bruno Mars. Allein beim US-TV-Sender CBS kam die letzte Show auf 6,6 Millionen Zuschauer. Aber allein ein Kendall Jenner-Foto im Victoria’s Secret-Outfit sorgt bei Instagram für drei Millionen Likes.

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Ein Beitrag geteilt von Kendall (@kendalljenner) am 1. Dez 2016 um 8:59 Uhr

FacebookFestivalInfluencer MarketingInstagram
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Autor*In
Martin Gardt

Martin kümmert sich vor allem um neue Artikel für OMR.com und den Social-Media-Auftritt. Nach dem Studium der Kommunikations- und Medienwissenschaft ging er zur Axel Springer Akademie, der Journalistenschule des Axel Springer Verlags. Danach arbeitete er bei der COMPUTER BILD mit Fokus auf News aus der digitalen Welt und Start-ups. Am Wochenende findet Ihr ihn auf der Gegengerade im Millerntor.

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