Huel: Wie diese Brand mit Ernährungspulver über 60 Millionen Euro Jahresumsatz macht
Huel-Gründer Julian Hearn spricht mit OMR über Markenaufbau und Skalierung von Pulver-Shakes
- Pulver statt Mittagessen
- Skalierung durch DTC-Business
- Marketing-Mix weltweit
- Word-of-Mouth und Zeitgeist
Wer derzeit daran denkt, was er Gutes für sich selbst und das Klima tun kann, landet schnell bei veganer Ernährung. Aber ein Leben ohne Tierprodukte ist nicht immer ganz leicht zu stemmen. Hier will der Brite Julian Hearn mit seinem Ernährungspulver Huel ansetzen. Das ist vegan und soll ganze Mahlzeiten ersetzen. Wir haben mit ihm über seine Idee, schnelle Skalierung in 80 Länder und Marketing für so ein erklärungsbedürftiges Produkt gesprochen.
„Ich habe vor ein paar Jahren im Fitness-Bereich gearbeitet und in relativ kurzer Zeit viel Körperfett verloren – durch gesunde Ernährung. Da habe ich erkannt, dass hier der Schlüssel zum Abnehmen liegt“, sagt Huel-Gründer Julian Hearn gegenüber OMR. „Um richtig gesund zu essen, musst du dreimal am Tag kochen. Das war für mich auf Dauer keine Option. Ich habe mich dann von der Einfachheit von Protein-Shakes inspirieren lassen.“
Die Idee zu seinem Unternehmen Huel hat Hearn schon 2013, bis zum Start des Online-Shops vergehen 18 Monate. In der Zeit habe er nach einem Hersteller gesucht, der ein veganes Pulver mit allen wichtigen Nährstoffen herstellen kann, das in Verbindung mit Wasser als Shake eine Mahlzeit ersetzt. Vier Jahre nach dem Verkauf des ersten Huel-Produkts hat das Unternehmen laut Gründer und CMO Hearn über 50 Millionen Mahlzeiten in die ganze Welt verkauft – und das zu über 90 Prozent über den eigenen Online-Shop.
Pulver statt Mittagessen
Huel beackert mit seinen Produkten eine relativ junge Kategorie: Pulver-Ersatznahrung. Im Shaker mit Wasser gemischt, soll das Pulver von Huel oder anderer Marken wie Soylent, Ambronite oder Mana komplette Mahlzeiten ersetzen. Die Idee selbst stammt von der Astronautennahrung und mit Soylent ging 2014 das erste Ernährungspulver an den Start. Huel sticht am Markt durch ein explosives Wachstum heraus. „Wir sind das weltweit am schnellsten wachsende Unternehmen in dem Bereich“, sagt Gründer Hearn zu OMR.
Warum sollten sich Menschen aber überhaupt von Pulver ernähren? „Unsere Hauptzielgruppe sind Menschen mit wenig Zeit: Büro-Angestellte, Studenten, Taxifahrer“, so Hearn. „Ich esse Huel selbst jeden Tag zum Frühstück und zum Mittag.“ Huel enthalte alle wichtigen Nährstoffe, die der Mensch brauche. „Huel ist seit Tag 1 zu 100 Prozent pflanzlich und hilft vielen dabei, vegan zu leben“, fügt der Gründer hinzu. Gleichzeitig schone Pulvernahrung die Umwelt und jede Mahlzeit koste nur etwas mehr als zwei Euro.
Skalierung durch DTC-Business
Huels Hauptprodukt gibt’s wie oben bereits beschrieben vor allem auf der eigenen Webseite. Ein Paket aus zwei Pulverbeuteln mit 14 Mahlzeiten pro Beutel kostet 60 Euro. Dazu bekommen Käufer bei der ersten Bestellung noch einen Shaker und ein T-Shirt gratis. Mittlerweile verkauft Huel auch fertig gemixte Pulvermahlzeiten in Flaschen für knapp vier Euro pro Flasche, Geschmackspulver (z.B. Karamell, Matcha oder Ananas-Kokos), Riegel und Müsli. Seit dem Verkaufsstart vor vier Jahren sind also einige Produkte hinzugekommen. Skaliert habe Julian Hearn sein Geschäft aber durch eine schnelle Internationalisierung.
„Unser Geschäftsmodell ist durch unseren Direct-To-Consumer-Ansatz relativ leicht zu skalieren. Wir verschicken unsere Produkte heute in 80 Länder weltweit“, sagt der Huel-Gründer. „Unsere größten Märkte sind die USA und Großbritannien, die sich die Führung immer wieder gegenseitig abluchsen.“ Durch den Verkauf direkt an die Kunden sei nur die Übersetzung zu Beginn eine Hürde bei der internationalen Skalierung gewesen. Deshalb können zwar Menschen aus 80 Ländern ihr Heimatland auf der Webseite auswählen, als Sprachen sind aber nur Englisch, Deutsch, Italienisch und Spanisch verfügbar.
Marketing-Mix weltweit
In Sachen Marketing hat Huel ein Problem: Das Produkt ist erklärungsbedürftig, die ganze Kategorie für viele potenzielle Kunden unbekannt. Julian Hearn sieht das aber entspannt: „Klar braucht es Zeit, neue Produkte zu erklären. Aber Energy Drinks hat zum Start von Red Bull auch keiner verstanden. Wir bleiben einfach konsistent bei unserer Botschaft, dass Huel eine komplette Mahlzeit mit allen wichtigen Nährstoffen ersetzt.“ Das habe schon zum Start gut geklappt: Im ersten Halbjahr seiner Existenz generiert Huel laut Gründer Hearn bereits mehr als 800.000 Euro Umsatz. Schon zum Start habe vor allem die Presseberichterstattung dazu beigetragen, das Produkt bekannt zu machen. Ernährungspulver werden immer wieder kontrovers diskutiert und bieten sich für die Presse daher einfach an (wer nach Huel oder Ernährungspulver googlet, findet unzählige deutsche Artikel zu Selbstversuchen).
Seitdem wachse das Unternehmen über die typischen Kanäle. „Wir nutzen alle digitalen Marketing-Möglichkeiten, aber ich mag Offline überhaupt nicht. Das lässt sich zu schlecht messen“, so Hearn. Deshalb investiert Huel in SEA und offenbar intensiv in Retargeting über Facebook- und Instagram-Ads. Allein in Deutschland laufen derzeit 20 verschiedene Anzeigen auf den beiden Plattformen, wie ein Blick in die Werbebibliothek des deutschen Facebook-Accounts von Huel zeigt. Dabei wirbt das Unternehmen vor allem mit dem günstigen Preis pro Pulver-Mahlzeit. Auf Youtube profitiert Huel von ähnlichen Faktoren wie in der PR-Arbeit. Unzählige Youtuber zielen auf Reichweite, indem sie Pulvernahrung testen und von ihren Erfahrungen berichten. Ein Video des deutschen Youtubers Tomatolix (493.000 Abonnenten), in dem er Pulvernahrung von Huel testet, kommt auf knapp 540.000 Aufrufe und wurde offenbar wie viele andere Videos nicht von Huel gesponsort.
Wie für DTC-Brands üblich, muss Huel vor allem in den Markenaufbau investieren, um Nutzer konsistent auf die eigene Seite zu locken. Heute führt da kein Weg an Instagram vorbei, wo das Unternehmen mit einer ähnlichen Strategie wie bei der Internationalisierung des Online-Shops agiert. Für Deutschland und die USA gibt es eigene Instagram-Accounts, hinzu kommt der Hauptkanal aus Großbritannien und ein globaler. Der größte Account (UK) kommt auf über 81.000 Abonnenten – insgesamt scheint Huel auf der Plattform einen Mix aus Business und dem Produkt selbst transportieren zu wollen. Influencer Marketing gehöre nicht zu den Kernstrategien im Marketing, so Hearn.
Word-of-Mouth und Zeitgeist
Viel größeres Gewicht habe Kundenbindung als Marketinginstrument für Huel. „Unser wichtigster Kanal ist Word-of-Mouth. Dazu müssen wir die Kunden glücklich machen und da fließen all unsere Bemühungen rein: Gestaltung der Verpackung, CRM, usw. Am Ende ist die Wiederkaufsrate die wichtigste KPI für uns“, so Hearn. „Bei uns zählen zum Beispiel die Nährstoffe mehr als der Geschmack.“ Wenn Kunden mit Huel ihr Ziel erreichen würden, günstig und einfach vegan leben zu können, sorge das schon für das nötige Weitererzähl-Potenzial.
Dabei setzt Huel voll darauf, dass eine Community rund um die eigenen Produkte entstehen kann, die dann zu (kostenlosen) Botschaftern des Unternehmens werden können (die sogenannten Hueligans). Auf der Webseite präsentiert das Unternehmen dann auch direkt 22 Hueligans, die mit Eigenreichweite für Huel werben. Darunter ist Ex-Boyband-Sänger Niall Horan oder Profi-Skateboarder Matthew Pritchard. Kleines Symbol für die Arbeit an einer Community: Zur ersten Bestellung bekommen Kunden ein T-Shirt mit dem Huel-Logo gratis mit dazu. Im Online-Shop gibt’s darüber hinaus Jogginghosen, Hoodies, Tassen und Einkaufsbeutel der Marke. Im Huel-Referral-Programm bekommen Kunden, die Freunden werben, außerdem Gutscheine. Am Ende spielt Huel der Zeitgeist in die Karten. Die Massentierhaltung zählt zu den größten Faktoren des Klimawandels und immer mehr Menschen versuchen vegan zu leben.
Das haben aber neben Huel und den anderen bisher erwähnten Pulver-Ernährungs-Brands weitere Unternehmer erkennt. „Heute gibt es Hunderte Brands auf dem Markt, die Nahrung in Pulverform vertreiben“, sagt auch Huel-Gründer Hearn. Schon allein auf Amazon tummeln sich unzählige Ersatzmahlzeiten-Brands. Der Kanal sei für Huel aber nur begrenzt spannend. „Auf Amazon probieren wir immer mal wieder etwas aus, haben aber nur kleinste Mengen bisher dort verkauft“, sagt der Gründer. Die Brand zähle auf Amazon nur bedingt und auf der eigenen Webseite könne Huel viel besser mit den Kunden kommunizieren – schließlich sollen die Huels Botschaft weiter in die Welt tragen.