Dreht Facebook Youtube-Videos den Hahn ab, um sich selbst als Bewegtbild-Plattform zu etablieren?
- Wie die beiden US-Größen um die Vorherrschaft im Videobereich kämpfen
- Facebook-Manager: „Mit Upload bei Facebook geht man auf Nummer sicher“
- „Youtube-Videos bekommen jetzt deutlich weniger Klicks und Interaktionen“
- Facebooks PR-Maschine läuft auf Hochtouren
- Kann Facebook die großen Youtuber locken?
Wie die beiden US-Größen um die Vorherrschaft im Videobereich kämpfen
Reduziert Facebook gezielt die Reichweite von Youtube-Videos auf der eigenen Plattform, um die Betreiber von Facebook-Seiten zu motivieren, ihren Bewegtbild-Content verstärkt direkt bei dem Social Network hochzuladen? Dieser Vorwurf wird derzeit unter Facebook-Publishern diskutiert. Dass Facebook versucht, sich verstärkt als Videoabspielplattform im Markt zu etablieren, belegen diverse Entwicklungen und Neuerungen der vergangenen Monate. Aber wie drastisch sind die Mittel, die das Unternehmen im Konkurrenzkampf mit Video-Platzhirsch Youtube einsetzt? Online Marketing Rockstars hat Marktteilnehmer um Ihre Einschätzung gebeten. Béa Beste hat ein Problem: Als Gründerin und Geschäftsführerin promotet sie ihr Startup Tollabox, das Spielzeugboxen im Abo vertreibt, auf einer Facebook-Seite mit mehr als 62.000 Fans. Aber mit dem Posten von Youtube-Videos hat sie dort seit einiger Zeit Schwierigkeiten. In der öffentlichen Facebook-Gruppe „Fanpage Admins“, in der sich Seitenbetreiber austauschen und um Rat bei Problemen suchen, schreibt Beste: „Seit einigen Tagen kann ich Youtube-Videos einfach nicht mehr so teilen, dass sie im Stream laufen. Sie werden als Link zu Youtube gepostet, öffnen sich im neuen Fenster“, und fragt: „Wer weiß, wie es besser geht?“.
Facebook-Manager: „Mit Upload bei Facebook geht man auf Nummer sicher“
Beste ist offenbar nicht die Einzige, die sich diese Frage stellt – andere, ähnliche Postings weisen darauf hin, dass auch andere Betreiber von Facebook-Seiten ähnliche Erfahrungen gemacht haben. Auf eine der Anfragen reagiert Heiko Hebig, der als Partnership Manager in den Diensten von Facebook steht, und deutet an, dass das soziale Netzwerk derzeit an der Darstellung von Videos in der Tat Änderungen durchführt: „Lots of work in Progress“, schreibt der Facebook-Manager. „Nummer sicher ist: Video direkt auf Facebook hochladen.“
„Schon seit Monaten feststellbar: Facebook diskriminiert Youtube-Einbindungen gegenüber den eigenen Videos massiv“, reagiert Thomas Gigold, Inhaber der Agentur Medienrauschen, auf die Anfrage von Béa Beste. Medienrauschen betreut Eigenangaben zufolge mehr als ein Dutzend Facebook-Seiten im Kundenauftrag, darunter auch die eines deutschen DAX30-Konzerns mit mehr als einer Million Fans.„Youtube-Videos bekommen jetzt deutlich weniger Klicks und Interaktionen“
„Wir haben das mit drei unterschiedlichen Kunden getestet“, erklärt Gigold gegenüber Online Marketing Rockstars am Telefon. „Youtube-Videos werden bei Facebook nur noch mit kleinen Vorschaubildern dargestellt. Sie verzeichnen mittlerweile auch deutlich weniger Klicks und niedrigere Interaktionsraten als noch vor einem Jahr.“ Direkt bei Facebook hochgeladene Videos funktionierten signifikant besser, so der Agenturmann. Er wolle jedoch nicht unterstellen, dass dies daran liege, dass Facebooks Algorithmus die eigenen Inhalte häufiger ausspiele. Die Unterschiede resultierten eher aus der unterschiedlichen Darstellung: Videos, die direkt bei dem sozialen Netzwerk eingestellt werden, laufen im Newsstream der User ohne Ton per „Autoplay“, benötigen also keinen Klick auf einen Play-Button. „Bei einem Youtube-Video sehe ich als User beim Durchscrollen nicht diese ersten Sekunden eines Videos – das hemmt den Klick“, so Gigold.
Bertram Gugel berät hauptberuflich klassische Medienhäuser wie TV-Sender (zum Beispiel arte und den NDR) und Verlage darin, im Netz eine Bewegtbild-Reichweite aufzubauen. In seinem Blog „Digitaler Film“ beschäftigt er sich zudem schon seit 2005 mit dem Thema Online-Video. Seine Beobachtung: „Direkt hochgeladene Videos werden bei Facebook häufiger platziert und abgespielt als solche von anderen Plattformen. Zudem wirbt Facebook bei den Usern offensiv darum, die Inhalte direkt bei ihnen einzustellen.“ Eine Mail von Facebook an die Gewerbetreibenden in dem sozialen Netzwerk sowie eine spezielle Sektion auf Facebooks Website belegen Gugels Aussage. Dort heißt es, direkt bei Facebook hochgeladene Videos würden im Vergleich zu denen auf „anderen Websites“ mit bis zu 11-fach größeren Vorschaubildern dargestellt, was bis zu 30 Prozent mehr Abrufe zur Folge habe.
Facebooks PR-Maschine läuft auf Hochtouren
„Video ist eine unserer wichtigsten Prioritäten“, sagte Mark Zuckerberg Ende Oktober bei der Vorstellung der Ergebnisse des dritten Quartals. Wie ernst es dem Facebook-CEO mit seiner Aussage ist, belegen auch die Ereignisse der vergangenen Monate: Im Dezember 2013 führte Facebook die Autoplay-Videos in den Newsstream ein; wenig später folgte Autoplay-Video-Werbung. Im Sommer übernahm Facebook dann den Video-Werbetechnologieanbieter Liverails – für einen kolportierten Preis zwischen 400 und 500 Millionen US-Dollar. In den vergangenen Monaten waren zudem immer wieder Meldungen über das Wachstum der Videoabruf-Zahlen bei Facebook zu lesen. So verkündete im September das Netzwerk selber, dass mittlerweile auf der Plattform an jedem Tag eine Milliarde Videos abgerufen würden. Der Marktforscher Comscore stellte zudem mehreren US-Medien Daten zur Verfügung, die angeblich belegen, wie Facebook in puncto Video-Views gegenüber Youtube aufholt – in den USA soll das Social Network im zurückliegenden August bei den Desktop-Video-Views sogar Youtube überholt haben. Berücksichtigt werden muss allerdings, dass die tonlosen Autoplay-Videoabrufe von Facebook in die Statistik mit einbezogen wurden.
Wenn Facebook sich langfristig als Videoplattform etablieren kann, locken beträchtliche Werbeeinnahmen. Einer Schätzung des britischen Marktforsches Emarketer zufolge, soll Konkurrent Youtube im Jahr 2013 5,6 Milliarden US-Dollar mit Werbung eingenommen haben. Bislang vermarktet Facebook die auf der Plattform hochgeladenen Bewegtbildinhalte zwar noch nicht. Bewegtbildexperte Bertram Gugel glaubt aber, dass Facebook dies in einem nächsten Schritt tun wird. „Dafür muss Facebook aber erst einmal sicherstellen, dass Video-Inhalte bei ihnen nachhaltig auffindbar sind – bisher ist das überhaupt nicht der Fall.“
Fabian Maier, Head of Digital von Vice Deutschland, ist ähnlicher Meinung. „Damit wir unsere längeren Videos bei Facebook selbst einstellen, müsste Facebook vielleicht etwas an der eigenen Seitenarchitektur ändern – möglicherweise eine Unterseite oder eine Extra-Rubrik für Videos erstellen.“ Dort würden die User dann Bewegtbild-Content erwarten und stünden diesem dementsprechend empfänglicher gegenüber als im Newsfeed.
Kann Facebook die großen Youtuber locken?
Vice-Magazine (knapp 3,5 Millionen Fans) dürfte einer der größten Publisher bei Facebook mit Bewegtbild-Fokus sein. „Bewegtbild gehört zu unserer DNA“, sagt Maier. Das kanadischstämmige Magazin dreht Videos mit über 20 Minuten Länge, beispielsweise über den Kauf von Drogen und Waffen über das Dark Web. Diese stellen sie zum Teil über einen eigenen Videoplayer auf der Vice-Website, zum Teil über drei Youtube-Kanäle zur Verfügung. „Youtube ist bei uns der am schnellsten wachsende Kanal“, sagt Maier. Facebook eigne sich derzeit wegen der durch die Nutzungssituation bedingten kurzen Aufmerksamkeitsspanne nicht als Abspielplattform für die Vice-Inhalte. „Die User beschäftigen sich dort nicht länger als zwei bis drei Minuten mit einem Thema.“ Vice poste deswegen bei Facebook bislang vor allen Dingen Trailer und Teaser – die aber auch über den Facebook-eigenen Videoplayer. „Damit erzielen wir auch sehr gute Ergebnisse.“
Zuletzt kursierten Gerüchte, Facebook habe in Los Angeles ein spezielles Team gegründet, dass die Inhaber abrufstarker Youtube-Kanäle davon überzeugen solle, ihre Inhalte künftig bei Facebook einzustellen. Die Youtube-Netzwerke Maker Studios und Collective Digital Studio führen einem Bericht des Guardian zufolge erste entsprechende Tests durch
Mit dafür entscheidend, ob Facebook es gelingen wird, mehr Produzenten von Bewegtbild-Content dazu zu bewegen, ihre Inhalte direkt bei Facebook einzustellen, dürfte sein, ob das Netzwerk die Publisher an einer eventuellen Vermarktung finanziell beteiligt – so wie Youtube das tut. Einem Bericht der New York Times zufolge denkt Facebook im Text-Content-Bereich bereits über solche Modelle nach.