Yolo, Squad, TTYL & Cocoon – Ist eine dieser vier Apps das „Next Big Thing in Social“?

An diese Startups glauben renommierte Venture-Capital-Firmen

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Squad, TTYL und YOLO (von links nach rechts) versuchen mit bisher noch nicht vorhandenen Vernetzungsfunktionen Nutzer zu gewinnen (Screenshots von den Unternehmen, Montage OMR)
Inhalt
  1. Wie Facebook potenziellen Herausforderern das Leben schwer macht
  2. Tiktok gibt viel Geld aus, um in den Mainstream durchzubrechen
  3. Öffnet sich jetzt ein „Window of Opportunity“?
  4. Warum es sich lohnen kann, Apps anzuschauen, die es nicht schaffen
  5. Squad: Per Screensharing gemeinsam in anderen Apps abhängen
  6. Yolo: Anonyme Q&As und lokale Gruppen-Chats
  7. TTYL: Handy + Bluetooth-Kopfhörer = Das neue Funkgerät
  8. Cocoon: Ein Netzwerk für den engsten Freundes- und Familienkreis

Das nächste Facebook – kann es das überhaupt noch geben? Oder ist das Geschäft mit Social-Media-Plattformen durch die Dominanz von Facebook unternehmerisch schon „auserzählt“ – ähnlich wie im Bereich Suchmaschinen mit Google? Der US-Branchenblog The Information hat zuletzt vier Social Apps vorgestellt, die sich aktuell anschicken, die Smartphone-Nutzer weltweit für sich zu gewinnen – und an deren Konzepte bekannte und erfolgreiche US-Wagniskapitalgeber zumindest so sehr glauben, dass sie moderate Summen investiert haben. Alle vier versuchen, sich mit innovativen Kommunikations-Features von bisherigen Anbietern zu unterscheiden.

„Es ist ein rauhes Leben da draußen, für Social-Gründer“, wird Ben Rubin im Artikel von „The Information“ zitiert. Rubin muss wissen, wovon er spricht. Er ist Mitgründer des Unternehmens hinter den Apps Meerkat und Houseparty, denen beiden bis heute nie der ganz große Durchbruch gelang. Aktuell ist er „Entrepreneur in Residence“ beim Venture-Capital-Unternehmen Benchmark. Märkte würden immer Zentralisierungs- und Dezentralisierungszyklen durchlaufen, so Rubin mit Blick auf den Markt für Social-Plattformen. „Gerade befinden wir uns in einer Phase der Konzentration.“

Wie Facebook potenziellen Herausforderern das Leben schwer macht

„The Information“ zitiert Zahlen des VC-Statistikdienstes Pitchbook, laut derer im Jahr 2018 107 Investments in Social- und Kommunikations-Apps erfolgten – das wären 44 Prozent weniger als im Jahr 2013, als Social Apps insgesamt 245 Funding-Runden drehten. Damals hatte Snapchat eine Series-A-Runde aufgenommen und die Plattform galt als „das nächste Facebook“.

Dass Snapchat dieses Versprechen bis heute nicht richtig einlösen konnte, ist kein Geheimnis. Das ist auch an der Ausgebufftheit von Facebook mit begründet: Mit WhatsApp und Instagram hat der Konzern zunächst die größten potenziellen Herausforderer einfach aufgekauft. Später dann kopierte Facebook von Konkurrenten einfach die erfolgreichsten Features – allen voran das Story-Format von Snapchat.

Tiktok gibt viel Geld aus, um in den Mainstream durchzubrechen

Nur der Social-Video-App Tiktok, hinter der das chinesische Unternehmen Bytedance steht, ist es zuletzt gelungen, Facebook die Hoheit über die App-Charts streitig zu machen. Im zurückliegenden September soll Tiktok nach Schätzungen des US-App-Analytics-Tooks Sensor Tower die weltweit am häufigsten heruntergeladene Social-App gewesen sein – vor Facebook, Instagram und Snapchat.

Doch die hohen Download-Zahlen von Tiktok sind auch von enormen Marketing-Ausgaben getrieben. Wie Bloomberg berichtet, hat Tiktok offenbar die Ausgaben für App Install Ads auf Facebook im vergangenen Quartal zurückgefahren – und prompt erstmals weniger Downloads generiert als im Vorjahresquartal. Zudem weht dem chinesischen Betreiberunternehmen in den USA politischer Gegenwind entgegen: Zwei US-Senatoren warnen in einem Brief an den Leiter der US-Nachrichtendienste vor der möglichen Spionage- und Manipulationsgefahr, die von Tiktok ausgehe.

Öffnet sich jetzt ein „Window of Opportunity“?

Auch Facebook hat Probleme mit der Politik: Das Unternehmen steht u.a. im Mittelpunkt mehrerer kartellrechtlicher Ermittlungen. Weil dadurch der Druck auf das Unternehmen wächst, den Eindruck zu vermeiden, es könne seine Marktmacht missbrauchen, könnten Startups die Gelegenheit haben, gesund zu wachsen, ohne dass der Social-Konzern vergleichbare Produkte entwickelt, so Nick Bonatsos, Geschäftsführer der VC-Firma General Catalyst, gegenüber The Information.

Trotzdem besteht offenbar bei vielen Social-Startups genau diese Angst: von Facebook kopiert zu werden. Es ist auffällig, dass drei der vier von The Information vorgestellten Social-Herausforderer die technische Infrastruktur von Snapchat (und eben nicht einen Facebook Log-in) nutzen, um die User im Anmeldeprozess zu authentifizieren. Und um das Risiko zu reduzieren, dass Facebook früh Wind davon bekommt, dass ein Feature an Popularität gewinnt? Ganz unberechtigt ist diese Angst nicht, hat Facebook doch zeitweise über eine eigene App relativ unbemerkt die Nutzer- und Nutzungsentwicklung von Konkurrenten ausspioniert.

Warum es sich lohnen kann, Apps anzuschauen, die es nicht schaffen

The Information stellt nun vier Social-App-Startups vor, die sich alle vier noch in einer jeweils frühen Phase befinden. Keines von ihnen hat Investitionen aufgenommen, die über eine Seed-Runde hinausgehen. Für Marketing relevante Reichweiten lassen sich über die genannten Apps sicherlich aktuell noch keine erzielen; zumal die meisten von ihnen vermutlich vauch erst einmal versuchen,  Nutzer im US-Heimatmarkt zu gewinnen. Trotzdem glauben wir, dass sich die Beschäftigung mit allen vier lohnen kann. Denn möglicherweise entstehen hier Kommunikationsformen und Nutzungsszenarien, die sich, wenn schon nicht in den hier aufgeführten Apps, dann ja vielleicht in anderen etablieren könnten.

Mit diesen vier Screenshots wollen die Macher von Squad in Apples App Store das Haupt-Feature ihres Produkts verdeutlichen

Squad: Per Screensharing gemeinsam in anderen Apps abhängen

Download: iOS Android Bisher eingesammeltes Kapital: Fünf Millionen US-Dollar Investoren: First Round, Alpha Bridge, Y Combinator, BBG Ventures Mit Squad können die Nutzer während eines Video-Chats ihren Gesprächspartnern zeigen, was auf ihrem Handy-Bildschirm geschieht. Die Nutzer sollen also gemeinsam shoppen, sich Fotos oder Videos anschauen oder darüber diskutieren können, ob sie bei einem Tinder-Profil nach rechts oder links wischen. Gegründet wurde das Unternehmen im Jahr 2018.

Wie Mitgründerin Esther Crawford gegenüber The Information erklärte, sollen 70 Prozent der Nutzer zwischen 13 und 22 Jahren sein. Viele stammen von außerhalb der USA und seien über WhatsApp-Gruppen zu Squad gekommen. Bislang hätten die Nutzer 200 Millionen Minuten in gemeinsamen Calls verbracht. Die Monetarisierung der App soll in Zukunft möglicherweise durch Gaming-artige Features und damit durch Mikro-Transaktionen und -Abonnements erfolgen.

Mit diesen vier Screenshots wollen die Macher von Yolo in Apples App Store das Haupt-Feature ihres Produkts verdeutlichen

Yolo: Anonyme Q&As und lokale Gruppen-Chats

Download: iOS / Android Bisher eingesammeltes Kapital: 2,5 Millionen US-Dollar Investoren: A Capital, Bridgewater Capital, SV Angel, Weekend Fund Vor wenigen Monaten terlebte Yolo bereits seinen ersten viralen Moment: Weil es die App möglich macht, über Snapchat Stories anonymisiert mit den eigenen Followern zu kommunizieren („Send me honest messages“) oder Frage-und-Antwort-Runden durchzuführen, schoss Yolo in den USA kurzzeitig auf Platz 1 der App Charts und generierte mehrere Millionen Downloads.

Aktuell arbeiten die beiden Yolo-Gründer Gregoire Henrion und Clement Raffenoux nach Angaben von The Information an der nächsten Version ihrer App. Die soll dann nicht mehr ein reines Sprungbrett zu Snapchat sein, sondern anonyme, Interessens-basierte Gruppen-Chats ermöglichen, beispielsweise für Nutzer, die alle eine bestimmte High School besuchen. Erkennbar wären sie höchstens in gewissen Maße durch die von ihnen verwendeten Bitmoji-Avatare aus Snapchat. Auf vergleichbare Konzepte rund um anonymisierte Communitys hatten in der Vergangheit bereits Apps wie Yik Yak und Secret gesetzt; beide sind heute eingestellt. Auf nationaler Ebene immer noch erfolgreich ist erstaunlicherweise der deutsche Yik-Yak-Klon Jodel.

Mit diesen vier Screenshots wollen die Macher von TTYL in Apples App Store das Haupt-Feature ihres Produkts verdeutlichen

TTYL: Handy + Bluetooth-Kopfhörer = Das neue Funkgerät

Download: iOS (Android-Version bislang nicht verfügbar) Bisher eingesammeltes Kapital: Zwei Millionen US-Dollar Investoren: Floodgate Fund, SV Angel, Weekend Fund, Shrug Capital TTYL („Talk to you later“) will eine neue Art mit dem Handy zu „telefonieren“ etablieren. Die App benachrichtigt Nutzer, die Kopf- oder Ohrhörer verwenden, wenn Freunde von ihnen ebenfalls in der App aktiv sind. Sind Nutzer beide in der App aktiv, können sie sofort einen Audio-Call starten, auch mit mehreren Teilnehmern.

Gründer Alex Ma habe zusammen mit seinem Bruder und Mitgründer die Idee entwickelt, einen Ort zu schaffen, an dem die Leute sich ihren Freunden und Familienmitgliedern nahe fühlen können, selbst, wenn sie weit voneinander entfernt sind, so The Information. Die Idee sei Alex Ma gekommen, nachdem er die Uni abgeschlossen hatte und den Kontakt zu seinen Freunden aufrecht halten wollte. Telefonanrufe seien für Vertreter der Millennial-Generation und der Gen Z ein „sehr kaputtes Produkt“, so Ma.

Cocoon: Ein Netzwerk für den engsten Freundes- und Familienkreis

Download: bisher nur eine geschlossene Beta-Phase, Teilnahmebewerbung über die Cocoon-Website Bisher eingesammeltes Kapital: Drei Millionen US-Dollar Investoren: Y Combinator, Lerer Hippeau, Susa, Norwest Cocoon ist bislang nicht offiziell zum Download verfügbar. Gegründet von den ehemaligen beiden Facebook-Mitarbeitern Sachin Monga und Alex Cornell, soll Cocoon eine App sein, über die sich die Nutzer nur mit ihren engsten Vertrauten austauschen. Ein Einfluss sei dabei das erfolgreiche japanische Mobile Game „Neko Atsume“, in dem die Nutzer nur Fortschritte erzielen könnten, in dem sie das Spiel über eine gewisse Dauer nicht spielen. Cocoon wolle auf eine ähnliche Weise gerade nicht darauf abzielen, die eigene App-Nutzung in die Höhe zu treiben.

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Roland Eisenbrand
Autor*In
Roland Eisenbrand

Roland ist seit mehr als zehn Jahren als Journalist in der Digitalbranche aktiv. Seit 2014 verantwortet er als Head of Content (und zweiter Mitarbeiter) alle inhaltlichen Komponenten von OMR, darunter vor allem den OMR Blog und redaktionelle Arbeit rund um das OMR Festival.

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