Wisst Ihr noch? Mit Kindheitserinnerungen und Nostalgie-Content zum Social-Media-Star
So will eine Online-Marketing-Agentur mit den Facebook-Seiten eine "Retro-Tainment"-Marke aufbauen
- Nach Facebook sollen jetzt weitere Plattformen folgen
- So testet wisstihrnoch.de Content und baut Reichweite auf
- Klassische Monetarisierung, Branded Content plus eigene Produktentwicklung
- Welche Pläne hat das wisstihrnoch.de-Team jetzt?
Egal ob Disneys Dschungelbuch, das Spielzeug Furby oder bestimmte Eissorten – einige Dinge wecken einfach sofort Kindheitserinnerungen. Genau hier setzt die Cormes GmbH an. Unter der Dachmarke wisstihrnoch.de betreibt sie mehrere Themenportale wie „Die 90er! Wisst Ihr noch…“ oder „Ich bin nicht alt ICH BIN RETRO“. Vor allem auf Facebook erreicht die junge Medienmarke mit Nostalgie-Content so ein Millionenpublikum. OMR hat mit den Machern gesprochen, erklärt, wie sie die Reichweite monetarisieren und welche Zukunftspläne es für das Projekt gibt.
Als Thomas Weigel die Facebook-Seite „Die 90er! Wisst ihr noch…..?“ 2008 als kleines Hobbyprojekt startet, ahnt er noch nicht, welches Potenzial in den dort geposteten Nostalgie-Themen steckt. Acht Jahre lang betreibt er die Page alleine zum Spaß. Nachdem er dann seinen Freunden Christof Szwarc und Martin Schottstädt vom Wachstum der Reichweite erzählt, geht alles ganz schnell. Szwarc ist Geschäftsführer der Berliner Digital-Agentur Cormes GmbH und übernimmt das Projekt „Wisst Ihr noch“ im Juni 2016 – inklusive Thomas Weigel als Chief Content Officer.
Seitdem ist aus dem einstigen Spaß-Projekt ein Medien-Startup gewachsen, das versucht, in der Nostalgie-Nische verschiedene Unterkategorien abzudecken. Die Ursprungsseite „Die 90er! Wisst ihr noch…..?“ kommt inzwischen auf rund 980.000 Facebook-Fans, „Unsere Kindheit die 60er 70er 80er Jahre“ hat über 340.000 Fans, „Die 80er! Wisst ihr noch?“ über 200.000 Fans, dicht gefolgt von „Ich bin nicht alt ICH BIN RETRO“ mit 195.000 Fans und „Die 2000er! Wisst Ihr noch?“ mit 190.000 Fans. „Die 70er. Wisst ihr noch?“ kommt dann nur noch auf knapp 38.000 Fans, die allgemeine Seite „Wisst ihr noch?“ auf knapp 23.500.Nach Facebook sollen jetzt weitere Plattformen folgen
Zusätzlich zu den Facebook-Seiten dient die Homepage wisstihrnoch.de beispielsweise als Landingpage für Content, der nicht direkt als Foto, Video oder Instant Article auf Facebook landet. Laut Daten des Statistiktools Similarweb konnte die Seite im vergangenen Juli knapp über eine Million Visits und fast 700.000 Unique Visitors generieren. Was in der Statistik außerdem auffällt: Über 90 Prozent des Traffics entsteht mobil. Indirekt stammen diese Zahlen und Werte von wisstihrnoch.de selber – die Macher haben die Auswertung mit dem eigenen Google Analytics-Account verknüpft.
Zwar gibt es zusätzlich zu Facebook-Accounts und der Website auch zwei Instagram-Profile sowie einen Youtube-Account. Die sind aber mehrheitlich noch sehr klein: Der größere Instagram-Account kommt auf rund 57.100 Abonnenten, dem kleineren folgen gerade einmal 7.400 Abonnenten; bei Youtube sind es knapp über 2.100 Abonnenten und rund 630.000 Plays. „Das ist etwas historisch bedingt“, erklärt Thomas Weigel im Gespräch mit OMR. „Wir kommen ursprünglich von Facebook, da sind wir groß geworden. Die anderen Plattformen gehen wir jetzt sukzessive an.“
Die enorme Relevanz von Facebook für wisstihrnoch.de zeigen auch Daten aus dem Social Media-Trackingtool Storyclash. Demnach kamen im vergangenen Juli fast 95 Prozent aller plattformübergreifenden 1,6 Millionen Interaktionen auf Facebook zustande. Noch deutlicher wird es bei Videoviews: Von fast 19 Millionen Views im Juli 2018 stammen demnach nahezu alle, nämlich rund 99,95 Prozent, von Facebook.
So testet wisstihrnoch.de Content und baut Reichweite auf
Um für die verschiedenen Seiten passende Themen zu identifizieren und diese so auszuspielen, dass sie bestehende Fans erreichen und gleichzeitig neue generieren, bedient sich das Team unterschiedlicher Mechanismen. „Grundsätzlich ist natürlich Content, und zwar guter Content, der Schlüssel“, so Thomas Weigel gegenüber OMR. „Um herauszufinden, welche Inhalte gut funktionieren könnten, gehen wir sehr analytisch vor und probieren und testen sehr viel.“ Das geschehe zum Beispiel in den eigenen Facebook-Gruppen wie „Wisst ihr noch? – Nostalgie Gruppe“ mit über 35.000 Mitgliedern. „Da bekommen wir proaktiv Ideen direkt aus der Community, wir können Formate aber gezielt an den aktivsten Fans testen“, sagt Weigel.
Neben solchen organischen Tests laufen laut Thomas Weigel parallel A/B-Tests, also bezahlte Facebook-Anzeigen zu Posts, Umfragen oder Quizzen, die mit unterschiedlichen Teasertexten oder Fotos miteinander verglichen werden. „Dafür investieren wir etwa 500 bis 1.000 Euro pro Monat“, so der Chief Content Officer. „Und am Ende analysieren wir natürlich unseren täglichen Content mit eigenen Tools und mit den gängigen externen Anbietern wie Google Analytics, Storyclash oder Veescore.“
Klassische Monetarisierung, Branded Content plus eigene Produktentwicklung
Bei der Vermarktung der Millionen-Reichweite in der Nostalgie-Nische nutzt das wisstihrnoch.de-Team alle gängigen Hebel. Auf der Webseite laufen klassische Display- und Video-Ads, auf Facebook laufen immer mal wieder Instant Articles inklusive Ads und für verschiedenste Marken setzt das Unternehmen Branded Content-Kampagnen um. Ganz aktuell wirbt wisstihrnoch.de per Visual Statement beispielsweise für den Sportartikelhändler Runnerspoint. Die Links zum Shop sind ebenfalls in der Bio beider Instagram-Profile hinterlegt. Weitere Kampagnen liefen bereits für R+V Versicherung und das Videospiel „Tekken“.
Ganz neu sind außerdem eigene Produkte, die wisstihrnoch.de gemeinsam mit Partnern auf den Markt gebracht hat. Seit etwa einem Monat ist eine Doppel-CD mit Hits der 90er sowohl auf Amazon, als auch im Einzelhandel, erhältlich. „Bei der Auswahl der Lieder haben wir die Community stark mit einbezogen. Sie konnte aus 80 Songs wählen, rund 30.000 User haben abgestimmt“, erzählt Thomas Weigel. Seit dem 2. August gibt es außerdem ein Kochbuch mit Gerichten aus der Kindheit der 60er-, 70er- und 80er-Jahre. Beide Produkte stehen genau für das, was wisstihrnoch.de ausmache, so Weigel. „Es geht schon bei jedem Post darum, positive Erinnerung zu aktivieren. Die Produkte sind dann quasi ein Best-of.“ Verkaufszahlen lägen zwar noch nicht vor, man sei aber auf einem guten Weg.
Welche Pläne hat das wisstihrnoch.de-Team jetzt?
Zwar fungiert die Cormes GmbH immer noch als Online-Marketing-Agentur, inzwischen sei wisstihrnoch.de aber das größte interne Projekt. 15 von insgesamt 25 Mitarbeitern seien zur Zeit daran beteiligt. „Ursprünglich sind wir eine klassische Performance-Marketing-Agentur mit dem Fokus auf Social Media, SEM und SEO“, sagt GmbH-Geschäftsführer Christof Szwarc. „Seit wisstihrnoch.de fungieren wir in dem Fall aber eher als kleiner Inkubator.“ Das Nostalgie-Projekt, das komplett eigenständig läuft, habe in diesem Jahr zum ersten Mal die Gewinnzone erreicht. Umsätze werden aber immer direkt reinvestiert, möglicherweise bald auch in eine Internationalisierung. Szwarc sagt: „Insgesamt ist der Wettbewerb natürlich gigantisch und große Publisher wie Buzzfeed & Co. spielen das Thema immer stärker. Wir sind aber sehr gut positioniert.“ Übernahmeangebote habe es übrigens auch schon einige gegeben, das käme aber aktuell nicht in Frage. „Wir hören uns alles an und eine strategische Partnerschaft könnte auch Sinn machen. Im Moment wollen wir aber aus eigener Kraft weiterwachsen“, so Christof Szwarc.