Wie dieses Mutter-Tochter-Gespann mit seiner Thermomix-App die App-Store-Charts dominiert
Manu Herzfeld hat aus dem Rezepte-Blog "Food with Love" ein Digital-Unternehmen mit App, Büchern und begeisterter Community gebaut
- Das Ende des Thermomix-Hypes?
- Instagram stärker im Fokus
- Die Follower mit in die App nehmen
- Lieber eigener Shop als zu viele Partner
- Bücher als Fußabdruck
Am 6. April 2020 taucht plötzlich die App „Food with Love“ auf Platz 1 der Charts in Apples App Store auf. Fast den kompletten April hält sich die knapp vier Euro teure Rezept-App auf der Spitzenposition. Dabei steckt dahinter kein großer Verlag, sondern eine kleine Familienunternehmung aus Düsseldorf. Manu Herzfeld hat mit Hilfe ihrer Tochter Joëlle aus einem Hobby heraus eine treue Community rund um ihre Thermomix-Rezepte geschaffen. Uns erzählt Herzfeld, wie sie aus dem Nichts über 500.000 Follower auf Facebook, Instagram und Pinterest für ihre Rezepte begeistert und wie sie die jetzt zum Download ihrer Bezahl-App bewegt.
„Ende 2013 ist der erste Thermomix bei uns eingezogen und wir waren dann auf Suche nach Rezepten in Foren und auf Facebook unterwegs und haben dort dann auch erste Rezepte geteilt. Um sie auch mit unseren Freunden und Gleichgesinnten zu teilen, haben wir erst eine eigene Facebook-Seite erstellt und anschließend unseren Blog ins Leben gerufen“, sagt Manu Herzfeld gegenüber OMR. „Im Laufe der Zeit ist unser Blog zum größten und reichweitenstärksten Thermomix-Blog gewachsen und zu einem schönen Teil unseres Lebens geworden.“ Auf Food with Love stellt sie gemeinsam mit ihrer Tochter Joëlle mehrere Rezepte pro Woche vor – vor allem abgestimmt auf das Küchengerät Thermomix (dessen Erfolgsgeheimnis hatten wir hier schon ausführlich beleuchtet).
„Die Freude am Kochen und das Teilen dieses Gefühls mit anderen steht bei uns im Mittelpunkt“, so Herzfeld. „Unsere Leser und Follower sind junge moderne Hobby-Köche – vor allem Frauen. Wir sehen uns als große Familie.“ Nach eigenen Angaben verzeichnet Food with Love jeden Monat über 1,8 Millionen Besucher. Bis heute sei die Seite über 107 Millionen Mal aufgerufen worden. „Wir kreieren und bereiten alle Rezepte von A bis Z selbst zu und fotografieren diese dann auch im Anschluss. Das wollen wir niemals aus der Hand geben und alles in der Familie halten. Wir sind quasi ein kleines, erfolgreiches Familienunternehmen“, sagt Manu Herzfeld.
Das Ende des Thermomix-Hypes?
Dabei könnte man fast sagen, dass der große Thermomix-Hype von 2014 bis 2016 vorbei ist. Damals verkaufte Hersteller Vorwerk 1,3 Millionen der über 1.000 Euro teuren Küchengeräte. Nach sinkendem Absatz in den Folgejahren gab das Unternehmen Mitte 2019 einen Stellenabbau am Firmensitz in Wuppertal bekannt.
Mit der damaligen Aufmerksamkeit rund um den Thermomix entstanden neben Food with Love viele weitere Rezeptseiten und auch gedruckte Magazine mit Fokus auf das Gerät. 2016 erscheinen vier Print-Magazine zum Thema. Auch wir berichteten zu der Zeit über den Erfolg des Kieler Verlags Falkemedia mit dem Magazin „Mein Thermo“. Noch heute läuft das Projekt unter dem neuen Namen „Mein Zaubertopf“ augenscheinlich recht erfolgreich mit Print-Magazin, Rezepte-Seite und einem Digital-Abo. Andere Magazine wie das von Gruner + Jahr gestartete „Essen & Trinken mit Thermomix“ wurden wegen schwächelnder Auflage hingegen schon wieder eingestellt. Auch Manu Herzfeld hatte 2016 gemeinsam mit Konstanzemedia das Magazin „Rezepte mit Herz“ gestartet. Ende 2017 habe sie das Projekt wieder beendet. Der Rezepte-Markt für den Thermomix ist also kein einfaches Business – vor allem, weil Vorwerk mit eigener Rezept-Seite und Community mitmischt.
Instagram stärker im Fokus
Wie ziehen also die Herfelds einen Teil der Millionen Thermomix-Besitzer auf ihre Seite? Auf Google ist die Konkurrenz wie angesprochen riesig. Wer nach „Thermomix Rezepte“ sucht, findet Food with Love erst auf Rang 18. Trotzdem kommen laut dem Analyse-Tool Similar Web knapp 38 Prozent der Nutzer über die Search auf Food with Love. Das liegt daran, dass sich die Seite zumindest bei einzelnen Rezept-Keywords gut platziert und etwa bei „klare suppe thermomix“ auf Platz 1 der Google-Suche landet. Der Fokus von Manu Herzfeld liegt wegen der großen Konkurrenz hier deshalb auf der Bildung einer starken Community, die über die Social-Plattformen oder direkt auf ihre Seite kommen, ihre Bücher kaufen oder die App herunterladen.
„Wir wollen sehr nah an den Fans sein, immer ansprechbar und teilen auch viel Privates. Unsere Follower sehen uns als Freunde, die immer alles mit ganz Liebe, Engagement und Herzblut machen und wir lassen sie daran teilhaben“, so Herzfeld. „Instagram wird immer wichtiger und es ist gigantisch, wie schnell unsere Followerzahl wächst. Dabei posten wir erst seit einem Dreivierteljahr täglich Stories und sind aktiver auf der Plattform unterwegs.“ Auf der Plattform folgen Food with Love aktuell über 150.000 Abonnenten. Bei Facebook sind es mit fast 300.000 noch einmal deutlich mehr Fans.
„Über Facebook kommen die Besucher meist durch einen Rezeptlink auf unseren Blog. Auf Instagram sind sie näher an uns dran, da sie uns tagtäglich durch den Alltag begleiten“, sagt die Food-with-Love-Gründerin. Facebook ist heute also stärker eine Art Erinnerungs-Plattform, dass mal wieder ein neues Rezept online ist. Auf Instagram nimmt Manu Herzfeld ihre Follower mit auf den Kochprozess und erklärt, was es bei einzelnen Rezepten zu beachten gibt. Das scheint anzukommen. Seit Anfang 2019 hat der Instagram-Account von Food with Love fast 100.000 Follower zugelegt. „Wir sind schon immer komplett organisch gewachsen“, sagt Manu Herzfeld. Und tatsächlich schaltet das Unternehmen aktuell weder auf Facebook noch auf Instagram Anzeigen.
Die Follower mit in die App nehmen
Und genau diese wachsende Zahl an Fans soll jetzt die App von Food with Love kaufen. „Unsere Community hat immer wieder nach einer App gefragt und bei einem Frühstück mit Freunden haben wir uns dann entschieden, das einfach mal zu probieren. Wir haben dann viel selbst recherchiert und über ein Jahr daran gearbeitet – ohne Agentur“, sagt Herzfeld. Die App scheint gut einzuschlagen: Vom 6. bis zum 23. April rangierte die App auf Platz 1 der meistverkauften Bezahl-Apps in Apples App Store. Mittlerweile liegt die vier Euro teure App hier auf Rang 2. Seit dem 13. April gibt’s auch die Android-Version, die in Googles Play Store aktuell den Spitzenplatz einnimmt. Laut Schätzungen des App-Analyse-Tools Priori Data wurde die iOS-Version bisher knapp 24.000 Mal, die Android-Variante über 17.000 Mal heruntergeladen. Das würde einen Umsatz mit der App von über 165.000 Euro bedeuten – innerhalb eines Monats.
Die App lebt von den Inhalten des Blogs und soll als einfacher zu bedienender Rezepte-Lieferer fungieren. „Wir haben darauf gehört, was unsere Community an Funktionen verlangt und was wir selber an einer App gut fänden. Sie sollte benutzerfreundlich sein und einen Mehrwert gegenüber unserem Blog bieten“, sagt die Gründerin. „In der App werden in den einzelnen Zubereitungsschritten die jeweiligen Zutaten nochmal genau eingeblendet, es gibt einen Portionsumrechner und die Nutzer können Favoriten speichern. Das sind nur einige unserer tollen Features, die wir bieten. Die Leute sind jetzt schon happy, aber das ist erst der Anfang. Wir haben noch ganz viel vor.“
Es hat also offenbar ganz gut geklappt, die regelmäßigen Blog-Besucher zu App-Nutzern zu konvertieren. „Der größte Teil der App-Nutzer hat sicherlich schon vorher von uns gehört“, sagt auch Herzfeld. Wir haben unsere Leser und Follower von Anfang an auf dem Weg mitgenommen. Erst haben wir Großes angekündigt, dann unser geheimes Projekt einer ‚food with love‘-App gelüftet. Bis zum Launch haben wir immer wieder Einblicke auf Facebook, Instagram und Co. gegeben“, sagt Herzfeld. Dieses Anheizen der Erwartungen habe dann dazu geführt, dass die App direkt zum Launch auf Platz 1 der App-Charts geschossen sei. Jetzt muss das Team rund um Manu Herzfeld aber beweisen, dass sie langfristig das Interesse an der App hochhalten können – und auch Nutzer akquirieren, die mit der Marke noch nicht in Berührung gekommen sind.
Lieber eigener Shop als zu viele Partner
Schon jetzt sorge die App für einen wichtigen Teil des Gesamtumsatzes von Food with Love. Aber es gibt noch weitere Standbeine – zum Beispiel der eigene Shop. „Immer, wenn wir in unseren Posts oder Stories Geschirr und Kochutensilien gezeigt haben, kamen Nachfragen, wo man diese kaufen kann. So haben wir einen eigenen Shop geschaffen, wo man ausgewähltes Zubehör, praktische Helferlein, ausgewählte Gewürze und all unsere Veröffentlichungen findet“. sagt Herzfeld. „Mit unserem Shop wollten wir eine zentrale Anlaufstelle schaffen, an der wir nur Produkte anbieten, von denen wir selber zu 100 Prozent überzeugt sind.“ Wie Manu Herzfeld schon andeutet, verkauft sie Zubehör für den Thermomix, eigens hergestellte Gewürze, Tee, ihre Bücher, Magazine, an denen sie mitgewirkt hat und mittlerweile auch Merchandise wie bedruckte Tassen oder Mousepads.
Der Shop selbst wird von der Wundermix GmbH betrieben, die auch den Online-Shop von „Mein Zaubertopf“ betreibt und zusätzlich einen Thermomix-Zuberhör-Shop unter eigenem Namen führt. Food with Love hat mit dem Unternehmen auch schon gemeinsame Produktlinien herausgebracht. Die Herzfelds bestimmen, welche Produkte sie gern im Shop haben wollen – die Abwicklung der Bestellungen läuft dann über Wundermix. Die beiden behalten einen Teil der Einnahmen.
Der Shop biete Manu Herzfeld die Möglichkeit, Partnerschaften sehr genau auszuwählen und glaubhaft zu kommunizieren. Ein Verweis auf den eigenen Shop funktioniere besser, als die Follower immer wieder zu verschiedenen Partnern zu schicken. „Uns werden immer mal wieder Influencer-Jobs angeboten und wir schauen uns das immer an. Am Ende machen wir nur ganz wenige Sponsorings, weil wir wirklich von dem Produkt überzeugt sein müssen“, sagt sie. In ihrem Media Kit bieten die beiden vor allem eine Rezeptentwicklung mit der Zutat des Partners an, die dann als Werbung gekennzeichnet auf dem Blog, in der App und auf den Social-Kanälen erscheint. Bisherige Partner waren zum Beispiel Ostmann Gewürze, Nutella, Lidl, Villeroy & Boch und Diamant Zucker.
Bücher als Fußabdruck
Der größte Umsatzbringer vor dem Start der App waren aber die Kochbücher von Manu und Joëlle Herzfeld. Bisher sind fünf Bücher von Food with Love erschienen. „Die Kochbücher haben unseren Stand in der Branche noch mehr gefestigt und unsere Buchverkäufe sind bisher auch unser größter kommerzieller Erfolg“, sagt Manu Herzfeld. Für jedes habe sie extra neue Rezepte entwickelt. Drei der Bücher seien jeweils auf Platz 1 der Bestseller-Liste des Stern gelandet und hätten genau das erfüllt, was die beiden sich erhofft hatten: Eine größere Bekanntheit für die Brand, etwas, das ihre Follower anfassen können und am Ende auch Umsatz.
Aktuell konzentriere sich Herzfeld aber auf die App. „In der nächsten Zeit steht erst einmal die App im Vordergrund. Aber wenn uns bei einem Frühstück mal wieder eine Idee kommt, gehen wir die vielleicht auch an. Wir brauchen immer neue Herausforderungen und sind selber gespannt, wo uns der Weg noch hinführt“, sagt sie. Bisher sei das Ganze auch ein kleines Projekt, an dem nur sie in Vollzeit arbeite (ihr Mann kümmert sich um die Finanzen). Bald könnte Tochter Joëlle auch richtig einsteigen und so das Familienunternehmen weiter pushen.