Travelcircus: Das wenig bekannte Startup macht mit Event-Pauschalreisen Millionen-Umsätze

Martin Gardt8.12.2022

Das Unternehmen aus Berlin baut aus Tickets für Disneyland, Harry Potter & Co. und passenden Hotels clever Reisepakete

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Inhalt
  1. Musicals und Freizeitparks als Bestseller
  2. Mehr Marge als der Wettbewerb
  3. Affiliate nicht unterschätzen
  4. Individuelle Lösungen für Veranstalter

Der Markt rund um Urlaubsbuchungen ist wahnsinnig umkämpft: Booking, Expedia & Co. sind für viele die erste Anlaufstelle. Wo gibt es im Travel-Business also noch eine Chance? Das Berliner Startup Travelcircus hat offenbar eine Nische gefunden. Das Unternehmen bietet vor allem Tickets für Freizeitparks, Musicals, Konzerte und dazu passende Hotelzimmer an. Warum das Geschäftsmodell so spannend ist, wie das Unternehmen jeden Monat drei Millionen Menschen auf die Webseite zieht und warum Harry Potter auf Travelcircus setzt, lest Ihr hier.

Pauschalreise – das klingt für viele nach Cluburlaub auf Mallorca. Das Berliner Startup Travelcircus nutzt das Konzept jetzt aber, um Kurztrips neu zu denken. Das Unternehmen bietet auf der eigenen Buchungsseite zum Beispiel Hotelaufenthalte in Paris inklusive Disneyland-Ticket oder Nächte in Hamburg inklusive Besuch des Harry-Potter-Theaterstücks an. Offenbar hat Travelcircus damit eine Nische entdeckt, die im Reisebusiness noch funktioniert. „In der Customer Journey einer Event-Reisebuchung liegen wir einen Schritt vor Booking oder Expedia und konkurrieren eher mit Ticketing-Plattformen wie Eventim oder Getyourguide“, erklärt Travelcircus-Gründer Bastian Böckenhüser gegenüber OMR. In den kommenden zwölf Monaten will das Unternehmen mit dem Konzept 100 Millionen Euro Außenumsatz machen.

Musicals und Freizeitparks als Bestseller

Als Böckenhüser Travelcircus 2014 gründet, hat er noch seine Zeit bei Groupon im Kopf: „Ich habe früher bei Groupon gearbeitet, die in ihren ersten Jahren für Wahnsinns-Deals mit hohen Rabatten bekannt waren. Die große Herausforderung war dabei der wöchentlich wiederkehrende Sales-Aufwand, um frische Angebote auf die Seite zu bekommen“, sagt er.

Das will er bei Travelcircus anders machen. Und wer auf die Seite geht, sieht direkt bekannte Partner wie Disneyland, Harry Potter, Tropical Islands, König der Löwen und andere Events. Seine Idee soll aber vor allem den Hotels helfen. „Transparenz ist ein Problem für die Hotellerie. Die Vergleichbarkeit auf Kayak & Co. macht es für die Hotels schwierig, verschiedene Raten zu nutzen. Gleichzeitig liegt die Auslastung von 4- und 5-Sterne-Hotels in der Regel bei nur 60 bis 70 Prozent“, sagt er. „Unsere Idee war: Können wir Hotels hinter Attraktions-Tickets im Paket verkaufen, damit sie aus dieser Vergleichbarkeit ausbrechen können?“

Travelcircus Webseite

Auf der Travelcircus-Webseite stehen die Events im Mittelpunkt

Buchungen bei Travelcircus starten mit den Events. Das Unternehmen holt vor allem Kund*innen ab, die für ein Musical oder einen Freizeitpark anreisen und deshalb ein passendes Hotel suchen. Nutzende wählen deshalb zuerst den Tag, an dem das Event stattfindet oder sie eine Attraktion besuchen wollen – inklusive Auswahl der Ticketkategorie. Erst danach landen sie bei der Hotelauswahl und können diese nach Preis aber auch nach Entfernung zum Eventort filtern. Im kompletten Prozess werden Preise eingeblendet, die je nach Auslastung von Event und Hotel variieren. „Wir haben ein Baukastensystem gebaut, bei dem das Event im Mittelpunkt steht. Die Kunden können sich selbst ihr Paket individuell zusammenstellen, ohne dass die Preise für die einzelnen Posten gesondert sichtbar sind“, erklärt der Gründer. So löse Travelcircus das Transparenzproblem der Hotels. Insgesamt ist Travelcircus aber nicht allein auf der Suche nach Lösungen für die Hotelbranche. Aus Deutschland geht etwa Animod das Thema mit aggressiven Rabatten und Gutscheinen an.

Mehr Marge als der Wettbewerb

Bastian Böckenhüser, Gründer von Travelcircus

Travelcircus-Gründer Bastian Böckenhüser (Foto: Andrew White)

Mit seinem Modell ziehe das Unternehmen vor allem Menschen an, die Lust auf Kurztrips haben. „Unsere Kernzielgruppe ist eher jünger: Meistens sind es eher Paare, die zwischen 25 und 35 Jahre alt sind. Das ist eigentlich konträr zu den klassischen Zielgruppen der Freizeitparks und Musicals.“ Bei der Gründung 2014 stehen passend zur Zielgruppe noch Kurztrips jeder Art im Mittelpunkt. Spätestens 2019 erkennt das Team, wie viel Zugkraft Events & Co. haben. „Schon vor Corona haben wir uns entschieden, unseren Fokus auf die Paketierung von Tickets und Hotels zu legen. Das macht auf dem Scale niemand so wie wir“, so Böckenhüser. Die Pandemie macht diesen Plänen vorerst einen Strich durch die Rechnung. Musicals und Freizeitparks bleiben lange geschlossen oder öffnen mit geringer Kapazität. „Wir haben während Corona Kurztrips in Deutschland in den Fokus gerückt. So konnten wir trotz fehlendem Eventgeschäft weiter stark wachsen.“ Heute arbeiten 150 Mitarbeitende für das Unternehmen. Der Umsatz liege in diesem Jahr 90 Prozent über dem von 2019.

Neben Umsatzwachstum betont der Gründer die starke Marge, die mit seinem Geschäftsmodell möglich ist. Weil Travelcircus Pakete schnürt, bei denen nach außen die Einzelpreise nicht sichtbar werden, seien Margen in Höhe von 20 Prozent möglich. Beim reinen Ticketverkauf für Events lägen die eher bei zehn bis 15 Prozent. Gleichzeitig seien die Travelcircus-Warenkörbe mit 350 bis 400 Euro deutlich größer als im reinen Ticketing-Geschäft. Trotz Aufschlag von kräftiger Marge biete das Unternehmen laut dem Gründer in den meisten Fällen die gleichen Preise wie bei einer individuellen Buchung aus Ticket und Hotel – dank enger Zusammenarbeit mit den Partnern. „Wir haben direkte Partnerschaften sowohl mit Freizeitparks, Musical- und Konzertveranstaltern als auch mit den Hotels“, erzählt Böckenhüser. Durch großangelegte Partnerschaften seien immer wieder Rabatte möglich. Schließlich sorgt Travelcircus bei den Hotels für die so wichtige Auslastung. Für die Nutzenden liegt der Vorteil der Pauschal-Eventreise auch in der Einfachheit. In zwei Schritten ist der Kurztrip nach Paris, Hamburg oder nach Rust zum Europapark gebucht.

„Wir sind komplett gebootstrapped gestartet und waren nach zehn Monaten profitabel. Erst danach haben wir Investoren angesprochen“, sagt der Gründer. In drei Investitionsrunden kommen über 7,5 Millionen Euro von unter anderem Tengelmann Ventures, Airbridge Equity Partners und MairDumont Ventures zusammen. So finanziert Travelcircus über die Jahre das Wachstum, 2019 und 2020 stehen laut Bundesanzeiger jeweils eine Million Euro Verlust. 

Affiliate nicht unterschätzen

Pro Monat ziehe Travelcircus über drei Millionen Besucher*innen auf die eigene Webseite. Der Haupthebel sei dabei – fast klassisch im Reisegeschäft – SEO. „Unsere organische Sichtbarkeit bei Google hat uns sicherlich am meisten geholfen. Aber man sollte auch den Einsatz von Affiliate nicht unterschätzen. 20 Prozent der Buchungen kommen über Plattformen wie Urlaubsguru, Urlaubspiraten usw.“, so der Gründer. In Sachen ROI sei Search auch unter Einbeziehung der Kosten für das Content-Team aber der stärkste Marketing-Kanal. Laut Analysetool Sistrix rankt Travelcircus etwa mit Keywords wie „disneyland paris“, „heidepark“, „tropical island“, „therme erding“ oder „phantasialand“ in den Top-10 der Google-Suche. Solche Rankings sind für das Event-getriebene Buchungsbusiness des Unternehmens Gold wert. Erreicht werden sie durch ausführliche Unterseiten zu den verschiedenen Freizeitparks und anderen Events. Hinzu kommen Bestenlisten, etwa zu den beliebtesten Freizeitparks in Deutschland. Die Performance in der Google-Suche unterstützt Travelcircus durch Search-Ads etwa auf die Event-Namen.

Travelcircus Keywords von Sistrix

Die wichtigen Rankings für Travelcircus sind die Namen von Freizeitparks und weiteren Events

Die Dominanz von Search und Affiliate als Reichweitenkanäle zeigt auch ein Blick in das Analysetool Similar Web. Das zeigt für Travelcircus, dass 45 Prozent der Nutzenden über Search kommen, 25 Prozent über Direktzugriffe und 23 Prozent über Affiliate-Partner. Über Social landen demnach nur unter einem Prozent bei Travelcircus – bei immerhin mehr als 54.000 Followern auf Instagram. „Social ist ein relevanter Kanal, aber organisch eher ein Retention-Tool“, sagt Böckenhüser. „Social Ads haben wir schon immer als Basis-Kanal genutzt. Diesen Bereich haben wir aber vor knapp drei Monaten weiter ausgebaut und aktuell das Budget auf eine sechsstellige Summe pro Monat erhöht. Bei den Ads geht es primär um konkrete Reise-Inspiration. Sprich: Generische Kampagnen funktionieren eher nicht.“ Sein Tipp: „Potentiellen Kunden muss man eine konkrete Urlaubsidee in Kombination mit Hochglanz-Bildern und einem attraktiven Preis präsentieren, damit die Social-Ads funktionieren.“

Individuelle Lösungen für Veranstalter

Zugriffe und Buchungen über die eigene Webseite schön und gut. Aber Travelcircus hat sich während der Pandemie auf die Entwicklung eines neuen Produkts konzentriert. Für verschiedene Event-Partner baut das Unternehmen Landing Pages und integriert diese in deren Buchungsprozess. Nutzende können so direkt ein Ticket für das Event inklusive Hotel buchen. „Ich habe mit den Veranstaltern des Harry-Potter-Theaters in Hamburg zusammengesessen und gesagt: ‚Ihr fahrt nationale Marketing-Kampagnen für den Standort Hamburg, verdient aber nur an den Tickets, ggf. an Verpflegung und Merch. Aber ihr partizipiert nicht am Tourismus, den ihr für die Stadt erzeugt'“, erklärt der Gründer. „Wir haben für das Harry-Potter-Stück eine individuelle Buchungsstrecke gebaut, um sie indirekt an den Hotelumsätzen zu beteiligen. Diese Lösung ist seit Oktober 2021 live und der Erfolg hat uns alle überwältigt.“

Harry Potter und Travelcircus

Die Homepage des Harry-Potter-Theaterstücks in Hamburg. Wer auf „Tickets + Hotel“ klickt, landet auf einer Buchungsseite von Travelcircus

Die Event-Veranstalter bekommen für jede so erzeugte Buchung eine Provision von Travelcircus. Der Vorteil für das Startup: Kund*innen werden dort abgeholt, wo sie sich sowieso über das Event informieren und Tickets kaufen. Die teure Akquisition von Nutzenden entfällt. Das gleiche Prinzip setzt Travelcircus jetzt auch mit Ticketmaster für große Konzerte um. Im Sommer gab es erste Tests mit Metallica, Bruce Springsteen, Coldplay und Depeche Mode. Für den Rap-Star The Weeknd bietet Travelcircus aktuell die sogenannten Travel-Packages im Ticketmaster-Ticketshop an. Dafür lege der Ticketing-Konzern jeweils ein größeres Kontingent beiseite. Das Prinzip sei am Ende für jede Art von Veranstaltung denkbar, die Menschen von Außerhalb anzieht.

Zusätzlich zur Entwicklung dieses Produkts wolle Travelcircus jetzt vor allem über die Internationalisierung wachsen. „Wir konzentrieren uns auf die Weiterführung der Internationalisierung. Dafür stehen weiterhin die Produkte im Fokus, die länderübergreifend spannend sind, wie z.B. der Europa-Park, Disneyland Paris oder Harry Potter“, so Böckenhüser. Im September 2022 hat das Unternehmen den tschechischen Wettbewerber Travelking übernommen – für eine „Transaktion mit Equity sowie Cash in siebenstelliger Höhe“. Durch die Akquisition ist Travelcircus neben DACH-Raum, BeNeLux, Frankreich, Italien und Spanien auch in Osteuropa aktiv. Weitere Länder und Regionen sollen in nächster Zeit dazukommen. International erfolgreich zu sein, wäre für einen Anbieter von Pauschalreisen schließlich nicht schlecht.

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Autor*In
Martin Gardt

Martin kümmert sich vor allem um neue Artikel für OMR.com und den Social-Media-Auftritt. Nach dem Studium der Kommunikations- und Medienwissenschaft ging er zur Axel Springer Akademie, der Journalistenschule des Axel Springer Verlags. Danach arbeitete er bei der COMPUTER BILD mit Fokus auf News aus der digitalen Welt und Start-ups. Am Wochenende findet Ihr ihn auf der Gegengerade im Millerntor.

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