Mit „Erpressermethoden“ zur Partnerschaft mit Unilever, P&G, Beiersdorf & Co.?

Martin Gardt15.10.2020

Das australische Non-Profit-Unternehmen "Thankyou" fährt eine weltweite Kampagne, um Milliardenkonzerne für ein besonderes Geschäftsmodell zu gewinnen

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Inhalt
  1. Umsatzexplosion in der Pandemie
  2. Weltweite Kampagne für ein Lizenzmodell
  3. Milliarden Impressions durch Influencer
  4. Sitzt Thankyou jetzt mit den Großen am Tisch?

Was tun, wenn aus eigener Kraft keine Internationalisierung drin ist? Das australische Unternehmen Thankyou hat sich eine spezielle Kampagne ausgedacht: Mit Hilfe von Influencern, Social-Media-Usern und Presseberichten wird Druck auf Großkonzerne wie Procter & Gamble, Unilever oder Beiersdorf gemacht. Die sollen dann Thankyou-Produkte herstellen und einen Teil der Einnahmen nach Australien schicken, von wo aus das Non-Profit-Unternehmen gute Zwecke auf der ganzen Welt unterstützt. Wie die Kampagne mit kleinem Budget 1,3 Milliarden Impressions generiert hat und wie der Deal mit den Konzernen genau funktionieren soll, zeigen wir hier.

Daniel Flynn ist der Gründer von Thankyou

Thankyou-Gründer Daniel Flynn

„Wir leben in zwei Extremen: Auf der einen Seite geben wir jedes Jahr 63 Billionen US-Dollar für Konsumgüter und -services aus. Auf der anderen Seite leben viele Menschen in extremer Armut. Thankyou soll die Brücke dazwischen sein“, sagt Gründer Daniel Flynn gegenüber OMR. Er gründet das Unternehmen 2008 gemeinsam mit Justine Flynn und Jarryd Burns in Australien. Die drei starten mit Wasser in Flaschen, heute verkauft Thankyou, vor allem im Einzelhandel, über 50 Produkte in den Bereichen Food sowie Körper- und Babypflege. Wasser in Plastikflaschen gehört heute nicht mehr dazu – das beißt sich mit dem nachhaltigen Ansatz.

Das Unternehmen gehört zu 100 Prozent einer Stiftung, der Großteil des Umsatzes soll für den guten Zweck eingesetzt werden. „Wir sind eine soziale Firma und folgen komplett unserer Mission. Es gibt keine Shareholder, auch wir Gründer halten keine Anteile. In unserem Modell wollen wir 30 Prozent des Umsatzes in das Unternehmen stecken und 70 Prozent in die Stiftung“, so Daniel Flynn. Die verteile das Geld dann an Partner aus der ganzen Welt, die Hunger und Armut bekämpfen. „Wir haben so bereits 17 Millionen US-Dollar an Partner gegeben. Allein 2019 waren es zehn Millionen“, sagt der Thankyou-Gründer. Durch die Internationalisierung über Australien und Neuseeland hinaus soll diese Zahl jetzt noch deutlich steigen.

Umsatzexplosion in der Pandemie

Thankyou ist einer der wenigen Profiteure während der Corona-Krise. Laut Gründer Flynn habe das Unternehmen vor allem mit seinen Handseifen und Desinfektionsmitteln auf seinen Heimatmärkten Australien und Neuseeland allein seit Beginn der Pandemie zehn Millionen US-Dollar Gewinn gemacht. „Die Verkäufe haben sich in der Zeit verzehnfacht. Das war die erfolgreichste Zeit des Unternehmens überhaupt“, so Daniel Flynn. „Wir verkaufen vor allem in Supermärkten, Apotheken und im Beauty-Handel.“

Um überhaupt in solchen Regalen zu landen, fährt Thankyou bereits 2013 in Australien eine Kampagne – gerichtet an die dortigen Ketten Coles und Woolworths. Durch Influencer und Facebook-Follower der Brand wird eine Petition verbreitet, in der die Listung von Thankyou-Produkten gefordert wird. Wenig später geben Woolworths und Coles dem Druck der Community nach.

Weltweite Kampagne für ein Lizenzmodell

Und genau das will Flynn mit seinem Unternehmen jetzt nochmal global durchspielen. Eine Social-Kampagne in über 30 Ländern soll vor allem die zwei Marktführer Procter & Gamble und Unilever an den Verhandlungstisch bringen. Auch Konzerne wie Beiersdorf und Henkel in Deutschland will Thankyou so von einer Partnerschaft überzeugen. Insgesamt seien elf mögliche Partner identifiziert worden. Im Zentrum steht ein aufwendig produziertes Video, in dem Gründer Daniel Flynn von der Mission des Unternehmens spricht und ein Publikum auf der ganzen Welt dazu auffordert, die Konzerne über Social Media zu adressieren.

Das Ziel: Unilever & Co. sollen die Produkte von Thankyou in einem Lizenzmodell produzieren und vertreiben. Vom australischen Unternehmen kämen nur der Name und die Rezepturen zur Herstellung der Waren — dafür würden dann Lizenzgebühren fällig. Gründer Flynn vergleicht das mit der Marke Yeezy des Rappers Kanye West. Der gibt den kreativen Input und seinen Namen. Adidas produziert und verkauft die Produkte. „Thankyou ist am Ende eine Brand, die Ideen entwickelt, Konsumenten begeistert und Partnerschaften pflegt“, so Flynn gegenüber OMR. „Wir haben uns gefragt, was Erfolg für uns bedeuten würde. Wir wollen das Maximum an Leuten erreichen und gesellschaftlichen Wandel auf globaler Ebene vorantreiben. Und das geht nur mit solchen Partnern.“

Milliarden Impressions durch Influencer

Was ist jetzt aus dem großen Plan geworden? Das zentrale Kampagnen-Video geht am 28. September 2020 online. Bis heute kommt es auf knapp 100.000 Views – und immerhin rund 2.400 Likes. Dieses View-Like-Verhältnis von etwa 2,4 Prozent liegt unter einem richtig guten Wert für Brand-Videos. Gleichzeitig zeigen die Likes, dass nicht alle Views einfach eingekauft wurden (vor andere Videos geschaltete Werbespots bekommen ja nur selten Likes). Auf Instagram kommen noch über 380.000 Views dazu. Thankyou selbst spricht von über 1,5 Millionen Views über alle Plattformen hinweg – und von 1,3 Milliarden Impressions auf Inhalte, die mit der Kampagne zu tun haben. „Auf dem Video liegt unser Fokus und wie sind damit auf Organisationen und Influencer zugegangen und haben sie darum gebeten, es zu teilen“, sagt Daniel Flynn. Um aber noch mehr Druck draufzubekommen, habe Thankyou auch Geld in die Hand genommen (das Budget sei aber klein) und einige Influencer bezahlt.

In Deutschland macht etwa Ex-Germanys-Next-Topmodel-Kandidatin Elena Carriere bei der Kampagne mit und fragt die Konzerne in ihrem Instagram Post „I’m in, are you?“. Zum Hashtag #thankyoutotheworld finden sich auf der Plattform über 1.800 Beiträge. Die Aufmerksamkeit habe dem Unternehmen in kurzer Zeit 2,6 Millionen Unique Visitors auf der eigenen Webseite beschert – und 707 Berichte in der Presse (jetzt 708!?).

Sitzt Thankyou jetzt mit den Großen am Tisch?

Bleibt die Frage, ob die Konzerne dem Druck auf Social Media nachgeben? Auf Instagram verkündete Thankyou gerade, dass einige der elf angesprochenen bereits Kontakt aufgenommen haben. Weitere potenzielle Partner, die das Unternehmen gar nicht angesprochen habe, seien ebenfalls an einem Deal interessiert. Jetzt gehe es darum, welcher Hersteller die besten Konditionen biete, die schnellste internationale Skalierung verspreche und auch in Sachen Nachhaltigkeit und Produktqualität überzeuge.

Das Modell des Unternehmens stand aber auch schon in der Kritik. Im Oktober 2019 hatte eine australische News-Seite berichtet, dass vom Gewinn des Jahres 2018 in Höhe von knapp über einer Million US-Dollar nur 48 Prozent an die Stiftung geflossen seien. Über drei Millionen US-Dollar seien hingegen in die Bezahlung von weniger als 50 Mitarbeitern geflossen. Im Gespräch mit OMR verteidigt Gründer Daniel Flynn dieses Vorgehen: „Der Artikel bezieht sich auf die zwei schwierigsten Jahre der Unternehmensgeschichte. Um das Unternehmen über Wasser und gesund zu halten, müssen wir 30 Prozent des Umsatzes in die Firma stecken.“

Abgesehen von solchen Punkten kann man auch die Kampagne von Thankyou – Druck über Social Media auf andere Unternehmen aufbauen – kritisch betrachten. Aber solche Guerilla-Strategien haben vor allem bei Firmen, die auf Nachhaltigkeit setzen, fast schon Tradition. Wir hatten das in unserer „State of the German Internet“-Keynote von 2020 die „Consumer Led Revolution“ genannt. Unternehmen wie Oatly nutzen die Stimmung in der Community etwa, um eine Petition an den Bundestag zu schicken, die für eine CO2-Kennzeichnung auf Produkten wirbt. Und die Smoothie-Macher von Innocent werben gerade dafür, dass jegliche Plastikflaschen zu Pfandflaschen werden – einschließlich ihrer. So entsteht gerade ein Playbook für Nachhaltigkeits-Marketing: Guten Zweck erkennen, Message formulieren und dann über Social eine Masse dahinter bringen, um all das zu pushen – inklusive der eigenen Marke versteht sich.

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Autor*In
Martin Gardt

Martin kümmert sich vor allem um neue Artikel für OMR.com und den Social-Media-Auftritt. Nach dem Studium der Kommunikations- und Medienwissenschaft ging er zur Axel Springer Akademie, der Journalistenschule des Axel Springer Verlags. Danach arbeitete er bei der COMPUTER BILD mit Fokus auf News aus der digitalen Welt und Start-ups. Am Wochenende findet Ihr ihn auf der Gegengerade im Millerntor.

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