Reaction-Videos im Marketing: Wie Shoop mit Tanzverbot 1,6 Millionen Views generiert hat

So hat das Cashback-Portal günstig 15.000 Neukunden gewonnen

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(von links) Simon Unge, Tanzverbot und Montana Black (Montage: OMR)
Inhalt
  1. Erfolgreich mit Pöbeleien und „Asi Content“
  2. Reaction Videos: Das Kaffeekränzchen von Youtube
  3. Mehr als 8.000 „Daumen runter“
  4. „Richtig UNANGENEHM!“
  5. Ein Placement bezahlt, vier bekommen
  6. Neukunden für jeweils einen einstelligen Euro-Betrag?
  7. 391 Millionen Euro Außenumsatz

Dem deutschen Cashback-Portal Shoop ist ein Marketing-Coup gelungen – ein Glückstreffer zwar, aber einer, auf den die Shoop-Marketer durchaus spekuliert hatten: Das Unternehmen hat den kontroversen Youtuber Tanzverbot für die Produktion und Veröffentlichung eines Werbevideos in dessen Youtube-Kanal bezahlt. Weil dieses von mehreren anderen Youtube-Kanalbetreibern aufgegriffen wurde, u.a. den Youtube-Größen Unge und Montana Black, generierte die Aktion laut Shoop insgesamt 1,6 Millionen Views und 15.000 Neukunden. Shoop-Marketer Alex Wagner gab OMR exklusiv einen Einblick in die Zahlen und die Entstehungsgeschichte.

„Unsere Agentur Reachhero hat uns ein Placement bei Tanzverbot vorgeschlagen“, so Wagner, Head of Marketing & Product bei Shoop, im Gespräch mit OMR. „Ich war zuerst ein wenig skeptisch, weil ich ihn aus der Vergangenheit als Aggro-Youtuber in Erinnerung hatte. Aber ich habe mir dann sein letzten Videos angesehen und fand seine Art und Weise ganz sympathisch.“

Erfolgreich mit Pöbeleien und „Asi Content“

Tanzverbot (bürgerlich Kilian Heinrich) ist einer der kontroverseren deutschen Youtuber. Am Anfang seiner Laufbahn ist er vor allem darüber bekannt geworden, dass er bekannte andere Youtuber wie Apored, Bibis Beauty Palace oder Apecrime öffentlich diskreditierte (in der Regel mit dem Videotitel „Ansage an…“). Heute drehen sich diverse seiner beliebtesten Videos um Essen der eher ungesunden Art: Tiefkühlpizza, Fertig-Pudding oder -Frikadellen aus dem Supermarkt („Mein Einkauf von…“, „Was ich an EINEM Tag esse“) oder Pizza von einem Lieferdienst („Lieferdienst VERARSCHT mich“). Die Tageszeitung Die Welt hat Tanzverbot zuletzt dem Youtube-Genre des „Asi Contents“ zugerechnet.

Wohl wegen seiner nicht-glattgebügelten Art ist Tanzverbot häufig Thema von Reaction Videos großer, bekannter Kanalbetreiber – von den Youtube-Größen Unge und Montana Black (seit Kurzem der Streamer mit den meisten Abonnenten beim Streaming-Portal Twitch) beispielsweise. Reaction Videos sind mittlerweile ein etabliertes Format auf Youtube und bestehen einfach daraus, dass ein Youtuber das Video eines anderen anschaut, dieses kommentiert und sich dabei filmt.

Reaction Videos: Das Kaffeekränzchen von Youtube

Nach subjektiver Wahrnehmung nimmt die Beliebtheit von Reaction Videos auf Youtube immer noch zu: Viele erfolgreiche Youtuber nutzen das Format und generieren damit nicht selten hohe View-Zahlen. Die Gründe dafür dürften einfach sein: Für die Youtuber sind Reaction Videos einfach und sehr günstig zu produzieren. Häufig kommentieren sie Videos anderer in einem Livestream auf der Plattform Twitch und laden danach den Mitschnitt davon einfach bei Youtube hoch. Für die Zuschauer auf der anderen Seite sind Reaction Videos quasi eine digitale Version des Kaffeekränzchens; sie können Klatsch & Tratsch live beim Entstehen zuschauen: „Was denkt Youtube-Promi XY eigentlich über diese Aktion von Youtube-Promi Z?“

Als Shoop-Marketer Wagner und seine Agentur die vielen Reaction Videos zu Tanzverbot sehen, kommen sie auf eine Idee: Lassen sich durch die Buchung eines Placements (also eines Werbevideos) in Heinrichs Youtube-Kanal weitere Placements „erschleichen“, weil dieses möglicherweise Gegenstand von Videos weiterer Youtuber wird? „Ich kann schon sagen, dass wir ein bisschen darauf spekuliert haben. Aber kalkulieren lässt sich das natürlich nicht“, so Wagner gegenüber OMR.

Mehr als 8.000 „Daumen runter“

Am 10. September veröffentlicht Tanzverbot das von Shoop in Auftrag gegebene Werbevideo mit dem Titel „Ich bin pleite“. Die Story: Weil sein Youtube-Kanal nicht mehr so viele Klicks abwirft und dementsprechend weniger Einkünfte einbringt, muss Tanzverbot sparen. Sein Onkel empfiehlt ihm das Cashback-Portal Shoop, weil der dort nach jedem Einkauf noch einmal Geld zurück erhält. Er meldet sich bei dem Portal an, bestellt über einen Lieferdienst einen Burger, später in Online-Shops weitere Artikel, wie ein T-Shirt und eine Klimaanlage. Weil er danach über 500 Euro zurück erhält, legt er sich noch eine Golfausrüstung zu.

Bei vielen Youtube-Usern kommt das ordnungsgemäß als Werbung deklarierte und von Heinrich zwar möglicherweise mit einem Augenzwinkern, aber trotzdem hölzern geschauspielerte Video nicht sonderlich gut an. Bis heute verzeichnet es mehr als 8.000 „Daumen runter“-Klicks. Auch wenn denen fast 27.000 „Daumen rauf“-Klicks gegenüber stehen: Für Youtuber ist das eine schlechte Quote. „Du machst das, was Du früher kritisiert hast“, lautet einer der meist-gelikten Kommentare. Viele machen sich auch darüber lustig, dass Tanzverbot vor wenigen Monaten noch mehrere Youtube-Videos veröffentlicht hat, in denen er die abstruse Theorie aufstellt, dass er später wohlhabend sein wird, weil er mehrere limitierte Trinkgläser in Regenbogenfarben von McDonalds gekauft hat, die zum Sammlerobjekt avancieren würden – und nun stellt er sich kurz danach als pleite dar.

„Richtig UNANGENEHM!“

Vermutlich tragen aber Widersprüche wie diese sowie die hölzerne Machart des Videos gerade dazu bei, dass wie von Shoop erhofft wenig später zwei große Youtuber Reaction Videos zu „Ich bin pleite“ posten: Sowohl Unge als auch Montana Black sehen sich das Video zunächst während sie auf Youtube (Unge) bzw. Twitch (Montana Black) streamen live an und veröffentlichen beide den Mitschnitt davon später jeweils als Video auf Youtube. „Wir hatten keinen Kontakt zu Unge oder Montana Black und beide wurden von uns für ihre Videos nicht bezahlt“, erklärt Wagner auf Anfrage von OMR. „Es hat uns auch überrascht, dass Unge und Montana Black den kompletten Call-to-Action in ihrem Video drin gelassen haben.“

Beide Youtuber amüsieren sich explizit über die amateurhafte Schauspielleistung Tanzverbots. „Das ist so richtig unangenehme Werbung!“, so Unge, der sich auf Twitter auch gerne einmal mit Tanzverbot liebevoll streitet und von dem man sich gut vorstellen kann, dass er hinter den Kulissen mit Tanzverbot befreundet ist. Während das Video läuft, schreibt der Gaming-Youtuber ein Script mit, wie Tanzverbot es von der auftraggebenden Agentur als Briefing erhalten haben könnte. Am Ende räumt er ein: „Es fing unangenehm an, aber das Ende hat es doch noch rausgerissen.“

Ein Placement bezahlt, vier bekommen

„Das Lustige ist, dass wir Tanzverbot gar kein Briefing geschickt haben“, sagt Shoop-Marketer Alex Wagner gegenüber OMR. „Sondern im Gegenteil: Wir haben ihn gefragt, ob er eine lustige Idee hat, die zu seinem Kanal passt.“ Heinrich und sein Management „Die Ehrenmänner“ seien dann nach rund 180 Influencer-Kampagnen, die Shoop bislang durchgeführt habe, die ersten gewesen, der dem Unternehmen selbst ein Script über eine ganze DIN-A4-Seite geschickt hätten. „Ich habe ehrlich gesagt kurz mit dem Gedanken gespielt, das unter Unges Video zu kommentieren.“

Aber eigentlich können den Shoop-Marketern solche Spötteleien egal sein. Denn durch die Reaction Videos hat sich die Reichweite der Kampagne vervielfacht. Während Tanzverbots Originalvideo bislang rund 255.000 Mal bei Youtube abgerufen wurde, stehen bei Unge 503.000 Views und bei Montana Black sogar 819.00 Views zu Buche. Der kleine Kanal KuchenTV veröffentlicht ebenfalls ein Reaction Video mit bislang 17.000 Abrufen. So hat Shoop mit nur einem Placement insgesamt knapp 1,6 Millionen Views generiert.

Neukunden für jeweils einen einstelligen Euro-Betrag?

Noch entscheidender aber dürfte eine andere Kennzahl sein: „Wir haben rund 15.000 neue Nutzer gewonnen“, so Alex Wagner. Im ursprünglichen Video verspricht Tanzverbot jenen Zuschauern, die sich über einen Link unter seinem Video bei Shoop anmelden, einen Willkommensbonus von zehn Euro. Weil Heinrich den URL-Kürzer Bitly nutzt und dabei die Klickstatistiken nicht gesperrt hat, können auch externe Nutzer sehen, wie häufig der Link zum Shoop-Anmeldeformular geklickt wurde: Bislang über 17.000 Mal. „Tanzverbots Landingpage alleine hat eine Conversion Rate von 57 Prozent. Den Rest konnten wir durch deutlich erhöhte organische Anmeldungen und über den Google Brand-Traffic messen“, sagt Wagner.

Die Klickstatistiken des Shoop-Anmelde-Links, den Tanzverbot unter seinem Video platziert hat (Quelle: Bitly)

Der Preis für das Placement habe „im niedrig fünfstelligen Bereich“ gelegen, so Wagner. Dazu sei noch die übliche Agenturprovision hinzugekommen. „Normalerweise zahlen wir für die Gewinnung eines aktiven Neukunden ein Vielfaches dessen, was wir nun bei der Tanzverbot-Kampagne gezahlt haben“, so der Shoop-Marketer weiter. „Nach Shirin David war Tanzverbot eines unser erfolgreichsten Placements“, sagt Wagner. Der mögliche Grund dafür? „Wir haben Tanzverbot nichts vorgegeben, was er nicht hätte machen wollen. Für mich ist deswegen das Learning aus der Kampagne ganz klar, dass es sich lohnen kann, einmal über seinen eigenen Schatten zu springen, und so etwas zuzulassen.“

391 Millionen Euro Außenumsatz

Shoop, 2010 vom Mydealz-Gründer Fabian Spielberger gemeinsam mit den beiden Briten Tim Gibson und Paul Nikkel noch unter dem Namen Qipu gegründet, ist einer der Hidden Champions im deutschen Online Marketing. Nach eigenen Angaben verzeichnet das Portal 1,1 Millionen registrierte Nutzer und 2.000 Partnershops. „Wir sind 30 Mitarbeiter und haben im vergangenen Geschäftsjahr 391 Millionen Euro Außenumsatz generiert. 5,4 Prozent davon haben wir wieder an Nutzer ausgeschüttet, also etwas über 21 Millionen Euro“, so Alex Wagner. „Wir leben aus dem eigenen Cashflow und sind nicht VC-finanziert.“

Update 26. September, 17:32 Uhr:

In einer vorherigen Version dieses Artikels hatten wir behauptet, Unge streame auf Twitch. Das ist falsch, er streamt auf Youtube. Wir haben den Artikel entsprechend korrigiert.

Influencer MarketingYoutube
Roland Eisenbrand
Autor*In
Roland Eisenbrand

Roland ist seit mehr als zehn Jahren als Journalist in der Digitalbranche aktiv. Seit 2014 verantwortet er als Head of Content (und zweiter Mitarbeiter) alle inhaltlichen Komponenten von OMR, darunter vor allem den OMR Blog und redaktionelle Arbeit rund um das OMR Festival.

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