"Future is female": Das Startup Saint Sass verkauft Strumpfhosen an Kendall Jenner

Tanja Karrasch30.11.2023

Die Gründerinnen Vivien Wysocki und Larissa Schmid haben OMR erzählt, warum der Fokus auf Instagram für sie der richtige Weg ist.

Saint Sass
Larissa Schmid und Vivien Wysocki haben sich im beruflichen Kontext kennengelernt und nach einem ausführlichen "Beziehungstest" festgestellt, dass sie sich komplementieren. Foto: Saint Sass
Inhalt
  1. "Ich hasse es, Hosen zu tragen"
  2. "Das Produkt ist perfekt für Amerikanerinnen"
  3. Marketing-Fokus auf Instagram
  4. Absoluter Tiefpunkt im Sommer 2022
  5. "Bock auf weitere Produkte"

Vivien Wysocki und Larissa Schmid setzen auf Strumpfhosen mit Attitüde. Vor zwei Jahren haben sie die Marke Saint Sass gegründet – und machen inzwischen siebenstelligen Umsatz. Ihre Strumpfhosen mit Statements wie „See you in hell“, „God is a woman“ oder „Allergic to idiots“ verkaufen sich so gut, dass sie nun auch den US-Markt erobern wollen. Im Gespräch mit OMR haben sie erzählt, warum der Fokus auf eine Marketingplattform für ihre Brand genau der richtige Weg ist, was der Tiefpunkt ihrer bisherigen Gründerinnen-Laufbahn war und warum es Fluch und Segen ist, mit dem eigenen Gesicht für die Marke zu stehen.

Kendall Jenner könnte mit der Wahl ihres Outfits den Korken einer Champagnerflasche in Berlin zum Knallen bringen. Denn die steht vorsorglich im Büro von Saint Sass und wird nur dann geköpft, wenn Kendall endlich die Statement-Strumpfhose trägt, die sie vor einigen Monaten in Deutschland bestellt hat. Dafür verfolgt das Team täglich alle Social-Media-Kanäle des Supermodels. Für Vivien und Larissa wäre das das bisherige Highlight ihrer Karriere im Strumpfhosen-Business.

Wie es überhaupt dazu kam, dass Kendall Jenner auf die junge Marke aufmerksam wurde, wissen die beiden nicht. Sie sei in England unterwegs gewesen und habe anfragen lassen, ob auch eine Lieferung in die USA möglich wäre, sagt Vivien. "Da sind wir komplett ausgerastet."

Die Initialzündung für ihre Brand stammt allerdings von einem anderen Superstar, der Kendall Jenners Oma sein könnte: Cher. Auf den Rat ihrer Mutter, sich endlich einen reichen Mann zu suchen, antwortete die nämlich in den 90ern: „Mom, I am a rich man.“ Vivien Wysocki hat das Zitat nachträglich beeindruckt. "Sie stand schon für Unabhängigkeit ein, in einer Zeit, in der das mutig war und noch lange kein Social-Media-Zeitgeist."

Dafür sollen auch die Produkte von Saint Sass stehen. Mode sei ein Spiegel der gesellschaftlichen Konventionen und gleichzeitig Ausdruck der individuellen Persönlichkeit, sagt sie. Auf die ersten Strumpfhosen lässt sie daher das Cher-Zitat und das Statement "Not your babe" sticken. Bei den Kundinnen, die größtenteils zwischen 25 und 40 Jahren alt sind, trifft sie damit einen Nerv. "Ich hätte zu Beginn nicht gedacht, dass das unser Hauptprodukt wird." Aber schon die erste Charge im Jahr 2021 ist schnell ausverkauft. "Und dann haben wir uns die ersten anderthalb Jahre nur auf Statement-Strumpfhosen fokussiert."

"Ich hasse es, Hosen zu tragen"

Vivien Wysocki modelt, seit sie 15 ist, schreibt für das Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) für die Kolumne "Chefinnensache" über politische Themen und beschließt in der Pandemiezeit, gründen zu wollen. Auf Clubhouse lernt sie ihre heutigen Investoren kennen. Das Ziel: Strumpfhosen mit hoher Qualität zu entwickeln, die kein Einwegprodukt sind, weil sie nach einmal tragen Laufmaschen haben.

Nach dem erfolgreichen Launch sucht Vivien eine Geschäftspartnerin und findet diese in Larissa Schmid, die zu der Zeit an einer Plattform für nachhaltige Mode arbeitet, die nicht so richtig zünden will. "Die Investoren sind auf mich zugekommen und haben mir von einer neuen Marke in Berlin erzählt", sagt Larissa. Das Produkt habe perfekt zu ihr gepasst, "denn ich hasse es, Hosen zu tragen."

Drei Monate nehmen sich die beiden Frauen Zeit, um sich kennenzulernen. "Wir haben ganz oft beieinander übernachtet. Das war eine Art Beziehungstest. Wir sind zwei selbstbewusste Frauen, die wissen, was sie wollen, und wir wussten auch, dass der 'Risikofaktor Mensch' beim Startup entscheidend sein kann." Heute sind die beiden Geschäftsführerinnen auch privat enge Freundinnen, sehen es aber als großen Vorteil, sich im beruflichen Kontext kennengelernt und ganz unterschiedliche Stärken zu haben.

"Das Produkt ist perfekt für Amerikanerinnen"

Inzwischen machen sie mit ihrem Startup nach eigenen Angaben einen siebenstelligen Jahresumsatz und sind in einzelnen Monaten profitabel. Für eine Strumpfhose müssen Kund*innen bereit sein, zwischen 17 und 34,90 Euro auszugeben. Das Strumpfhosengeschäft ist ein saisonales, mit Marken wie Calzedonia, Wolford oder Falke gibt es einige Konkurrenten, die in den Innenstädte oder im Einzelhandel stark vertreten sind. Trotzdem sind die Saint Sass-Gründerinnen optimistisch: "Wir arbeiten daran, 2024 in Deutschland komplett profitabel zu sein", sagt Larissa Schmid, die sich um Finanzen und das Strategische kümmert.

Beim internationalen Geschäft komme es vor allem auf den US-amerikanischen Markt an, denn dort plant das Startup 2024 einen Schritt, der viel Kapital in Anspruch nehmen wird: Erst seit kurzem schalten sie Werbung in den USA. "Nach sechs Wochen kamen schon 30 Prozent unseres Umsatzes allein aus den USA", sagt Larissa.

Im nächsten Jahr wollen die Gründerinnen deshalb das Geschäft dort weiter ausbauen. Sie glauben: "Das Produkt ist perfekt für Amerikanerinnen, weil die noch mal mehr outgoing sind als wir." Aktuell werden die Strumpfhosen noch aus Deutschland versendet. "Nächstes Jahr wollen wir dann mit einem amerikanischen Lager die Strukturen nachziehen und eventuell auch jemanden vor Ort einstellen."

Marketing-Fokus auf Instagram

Ihre Brand haben die beiden fast ausschließlich über Instagram aufgebaut. Die Fokussierung auf eine Plattform habe für sie sehr gut funktioniert, vor allem, weil nur ein begrenztes Budget zur Verfügung stand, sagen sie. "Auch beim Performance Marketing liegt unser Fokus auf Instagram. In den letzten vier Wochen haben wir dadurch mehr als 20.000 Follower aufgebaut." Aktuell folgen Saint Sass rund 77.000 Follower*innen, bis Ende des Jahres wollen sie die 100.000 knacken.

Beim Reichweitenaufbau ihres Accounts haben sie auf die persönliche Ansprache in Form von "Behind the scenes"-Eindrücken des Unternehmensaufbaus gesetzt und auf Content, mit dem sich die Followerinnen identifizieren können. Auf vielen Bildern und Reels sind die beiden selbst zu sehen. "Das macht uns glaubwürdiger, weil wir persönlich für unsere Werte stehen und zeigen: Da steckt was dahinter", sagt Vivien.

Auch das Influencer-Marketing lief dadurch bisher fast von alleine: Durch ihr Netzwerk habe es einen Dominoeffekt bei Models und Creatorn gegeben, sagt sie. "Ich hatte zwar nie viele Follower, aber die richtigen. Dadurch kamen wiederum viele Anfragen von ganz allein, oftmals von echt bekannten Frauen, die wiederum eine unglaublich große Reichweite und Community erreichen und die gefragt haben, ob wir ein Paket schicken können."

Absoluter Tiefpunkt im Sommer 2022

Dass es auch Schattenseiten gibt, so präsent für die eigene Marke zu stehen, haben die beiden im Sommer 2022 erfahren müssen. "Das war der absolute Tiefpunkt, als wir teilweise nicht wussten, ob es uns in den nächsten drei bis vier Wochen noch gibt. Der Startup-Branche ging es sehr schlecht, in Europa ist der Krieg in der Ukraine ausgebrochen", erinnert sich Larissa. Besonders hart sei die erste Kündigung einer Mitarbeiterin gewesen, aber wirtschaftlich notwendig. "Wir sind ja ein saisonales Produkt und hatten wirklich Angst, dass der Winter losgeht und niemand mehr unsere Strumpfhosen kauft."

Und auch bei den Lieferungen gab es damals große Probleme, teilweise hätten Kundinnen fünf bis sieben Wochen auf ihre Produkte warten müssen. "Wir haben dann Gutscheine verschickt, E-Mails geschrieben und gemerkt: Es ist gleichzeitig gut und schlecht, wenn du mit deinem Gesicht für die Marke stehst, weil man teilweise das Gefühl hatte, man würde Kundinnen persönlich enttäuschen", sagt Vivien.

"Bock auf weitere Produkte"

Ihre Produkte, die überwiegend in Italien, Marokko oder Portugal hergestellt und im Saarland in Handarbeit mit den Statements veredelt werden, sind inzwischen nicht nur im E-Commerce, sondern auch im Handel vertreten, unter anderem bei Ludwig Beck oder Onygo. Damit wollen sich die Gründerinnen einen Vorsprung verschaffen und ihre Marke auch außerhalb des Internets bekannt machen. Der Trend der Statement-Strumpfhosen kann vorübergehen, und auch darauf, dass andere Marken sie recht einfach kopieren könnten, sind sie gefasst. Um für die Zukunft sicher aufgestellt zu sein, wollen sie daher neben der USA-Offensive auch ihr Portfolio weiter diversifizieren. Mit Netzstrumpfhosen laufe es beispielsweise bereits sehr gut, sagt sie. "Aber wir haben Bock auf weitere Produkte.“ 

FashionSocial MediaStartup
Tanja Karrasch
Autor*In
Tanja Karrasch

Tanja Karrasch ist Redakteurin bei OMR. Sie hat bei der Tageszeitung Rheinische Post volontiert und anschließend als Redakteurin gearbeitet. Vor ihrem Wechsel zu OMR arbeitete sie für die TV-Produktionsfirma Bavaria Entertainment und war als Redaktionsleiterin für zwei ZDF-Shows zuständig.

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