Das UK-Twitter-Kartell: Diese jungen Typen dominieren Twitter und verdienen Hunderttausende Euro mit fremdem Content

Torben Lux24.4.2015
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Inhalt
  1. Die Influencer-Agentur Social Chain erreicht mit ihrem Netzwerk eine Reichweite von über 209 Millionen Menschen
  2. Mega-Reichweite und Millionen-Einnahmen durch geklauten Content?
  3. Gründung nach Studien-Abbruch und erster Social-Media-Agentur

Die Influencer-Agentur Social Chain erreicht mit ihrem Netzwerk eine Reichweite von über 209 Millionen Menschen

twitterknarrenvogel_550 Das erst vor knapp zwei Jahren gegründete Unternehmen Social Chain aus Manchester beschäftigt heute rund 30 Mitarbeiter, betreibt etwa 220 Twitter-Accounts mit Millionen Followern – und soll mit verkauften, werblichen Tweets bereits Hunderttausende Euro verdienen. Beim Aufbau der beeindruckenden Brutto-Reichweite von 209 Millionen Followern (eigene Angaben) hat sich das Unternehmen für den Content seiner Posts aber offenbar im großen Stil bei anderen Portalen bedient – wie etwa Foren bei Reddit und Tumblr-Blogs.  

Die von Social Chain betriebenen Twitter-Accounts heißen @BeFitMotivation (1,68 Millionen Follower), @PrimarySklProbs (375.000 Follower) oder @BritishLogic (199.000 Follower). In der Regel umfassen die dort geposteten Tweets nur einen kurzen, zum jeweiligen Thema passenden Spruch inklusive Foto; da geht es beispielsweise um zum Sport motivierende Sätze, klassische Gags aus der Britischen Kultur oder lustige Szenen aus der in den 90ern erfolgreichen Sitcom Friends. Alles also sehr einfache, aber potenziell sehr virale Inhalte. Rund 220 Twitter-Accounts in diesem Stil will das junge Unternehmen aus Manchester laut einem Buzzfeed-Bericht aktuell betreiben und damit eine Gesamtreichweite von über 209 Millionen Menschen erzielen. Instagram-Accounts seien gerade noch im Aufbau. Außerdem könne man diese Zahl noch einmal problemlos deutlich erhöhen, wenn zum Beispiel mit bekannten Youtube-Stars kooperiert wird oder ein Netzwerk von rund 30 britischen C-Promis die Inhalte auf den eigenen Profilen bei Twitter & Co. teilt. Influencer Marketing ist hier das Buzzword der Stunde. 

Diese mächtige Reichweite kann für Werbekunden natürlich auch mächtig viel Wert sein. Hunderttausende Britische Pfund soll Social Chain demnach so schon verdient haben. Einer der Kunden, die sich die Reichweite des Netzwerkes schon für Werbezwecke zunutze macht, könnte möglicherweise der Sportartikelhersteller Nike sein: Auf dem Twitter Account @BeFitMotivation lassen sich zahlreiche Tweets aus den letzten Wochen finden, die Schuhe mit Zusätzen wie „I want these!“ oder „Need these!“ beinhalten – zu sehen ist natürlich immer nur die Marke mit dem „Swoosh“-Logo. Außerdem sollen Haribo und ASOS.com, der größte britische Online-Versandhandel, schon zu den Kunden von Social Chain zählen. Eine weitere von Kunden sehr geschätzte Dienstleistung scheint App-Marketing zu sein. Die 19-jährige Angestellte Cathal Berragan spricht in einem VICE-Interview von „zahlreichen Apps, die es zum Trending Topic gebracht haben und auf dem ersten Platz der App Stores landeten“.

[View the story „Nike-Werbung auf dem Twitter-Account @BeFitMotivation?“ on Storify]

Mega-Reichweite und Millionen-Einnahmen durch geklauten Content?

Die beeindruckenden Zahlen, sowohl was Reichweite, als auch was Einnahmen angeht (die kleinsten Kampagnen sollen bei 20.000 Pfund starten und auf bis zu 280.000 Pfund ansteigen), scheinen allerdings auf Content von anderen Portalen zu basieren. So bediente sich der zum Netzwerk gehörige Twitter-Account @MedievalReacts wohl nicht nur einmal im Netz. Ein besonders erfolgreicher Tweet von März 2015 (18.000 Retweets und 24.000 Favorites) soll genau so ein Jahr zuvor in einem Tumblr-Blog erschienen sein. Zwar betont einer der Gründer, 95 Prozent der Inhalte aller Accounts werde eigenständig erstellt, trotzdem gibt es aber genug Beispiele, bei denen der Vorwurf eines Plagiats gelten könnte. Beispielsweise bedient sich @BritishLogic bei einem Forum auf Reddit, oder es wird wie im Falle eines Harry-Potter-Satire-Accounts direkt ein ganzes Konzept übernommen.

Die Vorwürfe sind dem Unternehmen natürlich bekannt. Neben der Behauptung, man würde 95 Prozent aller Inhalte komplett selber erstellen, ist es vor allem ein im Buzzfeed-Artikel geäußertes Zitat, das die Einstellung von Social Chain deutlich macht: „In the Twitter space, the issue of copying is like breathing.“ Frei übersetzt: Inhalte Kopieren gehört bei Twitter dazu wie das Atmen zum Leben. Außerdem werde man inzwischen ja auch jeden Tag von Tausenden kopiert. Neben dieser altbekannten digitalen Urheberrechts-Problematik gibt es aber noch ein weiteres kritisches Thema, was ebenfalls hierzulande sehr bekannt sein dürfte. Die Advertising Standards Authority, eine britische Organisation zur Kontrolle der Werbeindustrie, schaut sich derzeit sehr genau die Entwicklungen im Bereich des Influencer Marketings an. Denn als solches gekennzeichnetes Product Placement aber auch Schleichwerbung nehmen seit dem Aufstieg von Social-Media-Stars auf Youtube, Twitter & Co. rasant zu. Auch in Deutschland steht das Thema auf der Agenda (wobei hier Twitter weniger populär ist und eher Facebook und Youtube als kaufbare „Werbeflächen“ dienen). Seit einem ARD-Bericht von Report Mainz über Youtuber wie Y-Titty und Daaruum diskutieren die Landesmedienanstalten über Zuständigkeiten für werbliche Internetangebote und wie diese gekennzeichnet werden können.

Gründung nach Studien-Abbruch und erster Social-Media-Agentur

Gegründet wurde Social Chain, wo das Durchschnittsalter gerade einmal 22 ist, vor etwa zwei Jahren von drei jungen Briten. Steve Bartlett, 22, hat seinen Masterstudiengang „Business Studies“ nach der ersten Vorlesung geschmissen, Dom McGregor, 21, beendete das Studium ebenfalls, als er Steve kennengelernt hat. Und dann ist da noch Ash Jones, 27, der sein Geld bis dahin als professioneller Fifa-Spieler verdient hat. Bei ihrer ersten kleinen Social-Media-Agentur „Wallpark“ wurde dem Trio offenbar schnell klar, welches Potenzial in der Bündelung großer Twitter-Reichweiten in England liegt.

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Torben Lux
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Torben Lux

Torben ist seit Juni 2014 Redakteur bei OMR. Er schreibt Artikel und Newsletter, plant das Bühnenprogramm des OMR Festivals, arbeitet an der "State of the German Internet"-Keynote, betreut den OMR Podcast und vieles mehr.

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