Sneaker-Reseller machen Millionen – wie die ganze Branche jetzt zum Milliarden-Markt wird
Im Resell-Geschäft rund um Marken wie Supreme, Nike und Adidas entstehen riesige Online-Plattformen
- Das Millionen-Business Resell
- Resell-Plattformen
- Verknappung und Drops
- Ebay als Sprungbrett – heute zählen andere Plattformen
Air Jordan-Schuhe für 15.000, Adidas-Sneaker für 14.000 und ein Boxsack von Supreme für 10.000 Euro – die Preise für Produkte der aktuell angesagtesten Brands nehmen auf Reseller-Seiten astronomische Züge an. Das Geschäft mit seltenen Streetwear-Produkten aus zweiter Hand boomt derzeit. Plattformen wie „Stadium Goods“, „StockX“, „Goat“ oder „Grailed“ machen Millionen-Umsätze – obwohl sie meist keine Neuware verkaufen. Das ruft jetzt die ganz großen E-Commerce-Player und -Investoren auf den Plan.
Ihr habt sie vielleicht auch schon einmal in deutschen Großstädten gesehen: lange Schlangen vor Sneaker-Geschäften, wenn mal wieder ein begehrtes Stück auf den Markt kommt. Doch unter den Schuh-Verrückten die da stehen, dürften nicht nur solche sein, die ihre gekauften Nikes danach anziehen oder ins Regal stellen wollen. Höchstwahrscheinlich sind auch ein paar Reseller dabei, die darauf hoffen, dass der Sneaker schnell ausverkauft ist und der Wert dadurch nochmal ordentlich steigt. Bestimmte Schuhe sind nämlich schon kurz nach dem Verkaufsstart über 1.000 Prozent mehr wert. Kein Wunder, dass darum jetzt ein Milliarden-Business entsteht, in dem die Schlange stehenden Reseller nur kleine Rädchen sind.
Vor wenigen Tagen übernimmt die Online-Luxus-Plattform Farfetch die Resell-Plattform Stadium Goods bei einer Bewertung von 250 Millionen US-Dollar. Zuvor hatte sich auch schon LVMH, der Louis-Vuitton-Konzern, an dem Unternehmen beteiligt. Der Deal ist der jüngste von mehreren, die in diesem Bereich 2018 stattgefunden haben: Stadium-Goods-Wettbewerber StockX sammelte erst im September 44 Millionen US-Dollar unter anderem von Googles Venture-Arm GV und Battery Ventures ein. Im Juni hatte der Reseller Grailed 15 Millionen unter anderem von Index Ventures bekommen. Zuvor hatte Index auch schon in die Resell-App Goat investiert, die sich im Zuge des 60-Millionen-Fundings mit dem Konkurrenten Flight Club zusammengeschlossen hat.
Das Millionen-Business Resell
Der Kampf um die Vorherrschaft auf dem Sneaker-Reseller-Markt ist also in vollem Gange, und die großen Luxus-Unternehmen und VCs haben erkannt, dass hier die neue Zielgruppe in Sachen Luxus-Fashion unterwegs ist. Der komplette Online-Luxus-Markt soll laut einer Studie von Bain & Co. von 30 Milliarden Euro derzeit auf 80 bis 91 Milliarden Euro in 2025 wachsen. Sneaker seien schon jetzt der größte Wachstumsmarkt in dem Segment mit vier Milliarden US-Dollar in Online-Sales im vergangenen Jahr. Allein das Volumen des Reseller-Markts wird auf 1,6 Milliarden US-Dollar geschätzt.
„Sneaker wachsen viel stärker als andere Kategorien und das sehen wir auch auf Farfetch“, sagte Farfetch-CEO Jose Neves kurz nach der Übernahme von Stadium Goods. „Und wir haben jetzt die stärkste Zweitmarkt-Brand.“ Laut Stadium Goods-Gründer John McPheters wolle das Unternehmen von Farfetch in Sachen Internationalisierung dazulernen. Nach 100 Millionen US-Dollar Außenumsatz 2017 erwarte er aber auch jetzt schon einen Außenumsatz von 300 bis 400 Millionen US-Dollar für 2018.
Resell-Plattformen
Reseller wie Stadium Goods, Goat, StockX oder Grailed haben sich nach dem Plattform-Gedanken aufgestellt. Kleine Händler und Privatkunden können ihre Produkte auf den Seiten listen lassen. Bei einem erfolgreichen Verkauf landet die Ware erst beim Unternehmen, das die Echtheit überprüft und die Ware dann an die Käufer schickt. Die Resell-Plattformen behalten eine Provision, bei StockX liegt die zum Beispiel bei 9,5 Prozent des Verkaufspreises, Grailed verlangt sechs Prozent. Das lässt wenig Spielraum für Nutzerakquisition und so sind die Plattformen auf viel Word-Of-Mouth und das Anhalten des Sneaker-Hypes angewiesen. Trotzdem hat das Modell auch seinen Reiz, schließlich sind keine riesigen Lager nötig, um viele Produkte anbieten zu können. StockX kann so zum Beispiel über 24.000 Produkte listen.
Stadium Goods will sich von den Wettbewerbern mit eigenem Lager abheben. Stadium Goods kauft die Ware selbst direkt von Herstellern, Unternehmen oder Privatpersonen, checkt die Echtheit und kann sie so direkt nach dem Kauf rausschicken. „Versetzen sie sich in einen Luxus-Kunden, der etwas bestellt und es dann nicht bekommt, weil die Produkte nicht da sind. Oder er muss eine Woche warten“, sagt Farfetch-Gründer Neves. „Aus meiner Sicht ist dieses Modell nicht skalierbar im Luxus-Sektor.“ Stadium Goods verkauft außerdem nicht nur auf dem eigenen Kanal, sondern auch bei Amazon, Ebay, Zalando, Alibaba und eben Farfetch.
Verknappung und Drops
Aber wie entstehen Preise von über 1.000 Euro für Nike- oder Adidas-Schuhe überhaupt? Hier greifen ein paar clevere Marketing-Mechanismen, die sich einige Brands in den letzten Jahren zu eigen gemacht haben – und die zum Teil von der Luxus-Branche abgeguckt sind. Das ist zum einen gewollte Verknappung bestimmter „Sonderausgaben“ von Schuhmodellen. Diese werden – meist vorher angekündigt – nur in geringer Stückzahl auf den Markt geworfen und sind meist nach wenigen Minuten ausverkauft. Die Marken erzeugen Kaufdruck (hier in einem OMR Briefing erklärt). Sneaker-Fans stehen stundenlang vor Läden in großen deutschen Städten, um an eines dieser Modelle kommen. Manche sicher angetrieben durch die Aussicht auf einen höheren Resell-Preis für so ein seltenes Stück.
Der zweite Mechanismus bringt noch einmal zusätzliche Verkaufs-Power: der Drop (über den wir hier schon einmal ausführlich geschrieben hatten). Der Verkaufsstart der seltenen Sneaker oder limitierter Klamotten wird dabei auf einen bestimmten Tag festgelegt und vorher groß angekündigt. Die angesagte Marke Supreme treibt das auf die Spitze, indem sie jede Woche Donnerstag einen Drop neuer Stücke veranstaltet. Der Traffic steige an solchen Tagen um 16.800 Prozent, so Supremes E-Commerce-Chef Samuel Spitzer gegenüber Business of Fashion.
Beide Strategien lassen die Preise bestimmter Sneaker und anderer Produkte auf dem Resell-Markt explodieren. Im 3. Quartal erreichte etwa ein Nike-Sneaker laut StockX und Highsnobiety eine Preissteigerung von 2.393 Prozent. Preiserhöhungen über 300 Prozent sind bei typischen selteneren Schuhen offenbar die Regel. Und auch wenn davon zumindest monetär nur die Reseller profitieren, schauen die Hersteller sicher wohlwollend auf den Hype. Im Zeitalter ständiger Verfügbarkeit schaffen sie so Begehrlichkeiten.
Ebay als Sprungbrett – heute zählen andere Plattformen
Das Reseller-Business selbst ist noch gar nicht so alt. Stadium Goods, StockX und Goat wurden jeweils 2015 gegründet, Grailed 2013. Davor spielte sich der Verkauf begehrter Sneaker vor allem bei Ebay ab, wie einer der erfolgreichsten Reseller, Derek Lew, schon 2016 erzählte: „In den ersten beiden Jahren liefen 80 bis 90 Prozent der Verkäufe über Ebay.“ Auch er betreibt heute unter seiner Brand Solesupremacy eine eigene Resell-Plattform. Mittlerweile finden viele dieser Verkäufe zwar bei den großen Playern wie Stadium Goods statt. Die großen sozialen Netzwerke sind aber auch Tummelplatz für viele Deals.
Auf Instagram verkauft ein New Yorker unter der Brand Sole Street seltene Schuhe und Klamotten weiter. Potenzielle Käufer sollen ihn dazu einfach anrufen (die Nummer steht bei Instagram) und können per Paypal zahlen. In Deutschland entstehen auch schon Second-Hand- bzw. Resell-Accounts, die nur über Instagram Produkte zeigen und verkaufen – so wie die beiden Berliner Jungs von 2LiveFashion Berlin.
Viele private Händler, die sich mit dem Weiterverkauf teurer Schuhe nebenbei etwas verdienen, sind in Facebook-Gruppen unterwegs. Diese geschlossene Gruppe hat über 22.000 Mitglieder, eine andere über 28.000 und davon gibt es noch unzählige Weitere. Trotzdem dürften die großen Plattformen bei sehr hochpreisigen Schuhen wichtige Anlaufstellen sein, weil sie die Echtheit der Ware garantieren und auf einem Markt mit Schuhen für 1.000 Euro natürlich auch Betrüger unterwegs sind. Wenn der Hype also anhält, dürften es die Plattformen wie Stadium Goods & Co. sein, die den Milliarden-Markt unter sich aufteilen.