Scrub Daddy: 670 Millionen US-Dollar Umsatz mit Smiley-Küchenschwämmen – auch dank Tiktok

Der lächelnde Schwamm ist eines der erfolgreichsten "Shark Tank"-Produkte aller Zeiten

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Inhalt
  1. „You don’t understand who you’re dealing with“
  2. Überflüssig und zu teuer
  3. 42.000 verkaufte Schwämme in sieben Minuten.
  4. Krause liest jeden Tiktok-Kommentar
  5. „Unhinged Content“ als Erfolgsmodell

In warmem Wasser wird er weich, in kaltem Wasser hart. Das ist das Geheimnis eines lächelnden Schwamms namens „Scrub Daddy“. Was simpel klingt, hat den US-Amerikaner Aaron Krause zum Multimillionär gemacht. Eine außergewöhnliche Erfolgsstory, die vor über 10 Jahren im TV begann – und die heute auf Tiktok weitergeht.

3,7 Millionen Menschen auf Tiktok folgen einem Schwamm. Zugegebenermaßen sieht er sympathischer aus als andere Schwämme – er hat zwei Augen, er lächelt. Ansonsten aber nutzt man ihn für die Dinge, die den wenigsten von uns Spaß machen: um dreckiges Geschirr abzuwaschen, nach dem Kochen Eingebranntes vom Ceranfeld zu schrubben oder das Fahrrad von Matsch zu befreien.

„You don’t understand who you’re dealing with“

Ein Produkt – übrigens ursprünglich made in Germany – mit objektiv betrachtet niedrigem Fun-Faktor. Als Aaron Krause, sozusagen der Daddy des Scrub Daddys, im Oktober 2012 in der Sendung „Shark Tank“ auftritt, dem amerikanischen Pendant zur „Höhle der Löwen“, stößt er zunächst nicht nur auf Begeisterung. Dabei legt der damals 43-Jährige aus Wynnewood, Pennsylvania, einen enthusiastischen Pitch hin: Einen Schwamm taucht er in Eiswasser, den anderen in warmes Wasser. Dann presst er eine 10-Pfund-Kugelhantel auf den Warmwasser-Schwamm, der darunter zusammengedrückt wird, und anschließend auf den kalten Schwamm – der dem Gewicht standhält und seine Form nicht verändert. Er verkratze außerdem keine Oberflächen, sei auch bei größtem Dreck schnell wieder sauber und rieche nicht unangenehm, verspricht Krause. 

„I don´t see the retail vision, I’m out“, urteilt Investor Robert Herjavec schnell und steigt aus. Neben Herjavec sitzen damals auch Dallas-Mavericks-Eigentümer Mark Cuban sowie Lori Greiner, Daymond John und Kevin O’Leary in der Jury, alles bekannte amerikanische Investor*innen. Auf den fehlenden Glauben an sein Produkt mancher „Haie“ reagiert Krause selbstbewusst: „You don’t understand who you’re dealing with.“ Frei übersetzt: Du verstehst nicht, wen du hier vor dir hast. Er sollte recht behalten.

Insgesamt machen drei „Haie“ ein Angebot. Aber es ist vor allem Unternehmerin Lori Greiner, die das Scrub-Daddy-Potenzial sieht, insbesondere im Bereich Teleshopping. Greiner ist in den USA auch als „Queen of QVC“ bekannt. Sie erkenne sofort, ob ein Produkt eine „Zero“ oder ein „Hero“ sei, also eine Null oder ein Held, sagt sie damals, und bietet 200.000 Dollar für 20 Prozent der Unternehmensanteile. „Ich mache dich zum Millionär innerhalb eines Jahres“, verspricht sie. Aaron Krause schlägt ein. Es ist bis heute einer der erfolgreichsten Deals aus 14 Staffeln „Shark Tank“.

Überflüssig und zu teuer

Bis zum Shark-Tank-Deal, der sein Leben verändert, begleiten Aaron Krause die gelben Schwämme schon lange. Krause leitet einige Jahre vorher ein Produktionsunternehmen und erledigt auf der Arbeit abwechselnd Papierkram und schraubt an Maschinen. Dabei ärgert er sich über seine häufig schmutzigen Hände. Er sucht nach einer Lösung, um diese schnell reinigen zu können und findet sie: Mit einem besonderen Polymerschaumstoff aus Deutschland funktioniert es ziemlich gut. Krause bringt den Schaumstoff in Form und lässt sich das Design patentieren – rund, zwei Löcher, auf einer Seite mit Rillen versehen. 2007 versucht er, die Schaumstoffschwämme an Autowerkstätten zu verkaufen – ein Flop. Überflüssig und zu teuer finden die potenziellen Kunden sein Produkt. Die Schwämme landen in einem Karton.

Sie kommen erst 2011 wieder zum Einsatz, als Krause Gartenmöbel reinigt: Herkömmliche Schwämme hätten den Lack zerkratzt, heißt es in der Unternehmens-Historie. Deutlich besser funktioniert es mit den alten Schaumstoffschwämmen, denen er seit Jahren keine Beachtung mehr geschenkt hatte. Krause stellt außerdem fest, dass sich die Textur durch die kalten Außentemperaturen festigt und der Schwamm beim Eintauchen in warmes Wasser wieder weich wird.

Sein Unternehmergeist ist wieder geweckt – er denkt nicht mehr an Kfz-Werkstätten als Zielgruppe, sondern an den Einsatz in normalen Haushalten – in der Küche, im Haus oder im Garten. Zu den beiden Löchern im Schwamm fügt Krause einen lächelnden Mund hinzu. Durch diesen sollen Löffel leichter gereinigt werden können. Krause lässt auch dieses Design patentieren und schafft es mit seinen Schwämmen in Gesichtsform in fünf Supermärkte, tritt einige Male bei QVC auf. Die Schwämme lässt er in Deutschland produzieren und macht mit seinem Ein-Produkt-Unternehmen damals 100.000 Dollar Umsatz in rund vier Monaten. Doch Krause will mehr: Und bewirbt sich bei „Shark Tank“.

42.000 verkaufte Schwämme in sieben Minuten.

Am Tag nach der Ausstrahlung seiner Folge verkaufen Aaron Krause und Lori Greiner auf dem Teleshopping-Kanal QVC zusammen 42.000 Schwämme innerhalb von sieben Minuten – der Beginn einer Erfolgsstory.  Zusammen bringen sie das Produkt weitläufig in den US-Einzelhandel: in die Regale von Walmart, Target oder Bed Bath & Beyond. „Scrub Daddy“ macht 30 Millionen Umsatz in den ersten 12 Monaten nach der Ausstrahlung und ist bald auch in Europa erhältlich. In Deutschland sind die lächelnden Schwämme seit 2015 auf dem Markt und werden u.a. in Drogeriemärkten verkauft.

Heute produziert Scrub Daddy an zwei Standorten in den USA in Tennessee und New Jersey und beschäftigt mehr als 270 Mitarbeitende. Zum aktuellen Sortiment gehören rund 160 Produkte, neben unterschiedlichen Schwämmen, unter anderem eine „Scrub Mommy“, auch Reinigungsbürsten und -produkte wie Seifen oder Schmutzradierer. Bis heute hat seine Firma einen Gesamtumsatz von mehr als 670 Millionen Dollar erreicht, erzählt Krause in einem „Shark Tank“-Update 2023. Sein Vermögen wird von amerikanischen Medien auf 70 Millionen Dollar geschätzt.

Krause liest jeden Tiktok-Kommentar

Beim Thema Marketing setzt die Marke heute in erster Linie auf Social Media. Tiktok beschert dem Unternehmen eine riesige Reichweite in einer bisher unerreichten Zielgruppe. 3,7 Millionen Follower*innen und 78 Millionen Likes hat der offizielle Account, der seit 2020 existiert und mit skurrilen Videos und frecher Interaktion in der Kommentarspalte punktet. Seine Marke erreiche dank Tiktok ein beträchtliches neues Publikum, das sie durch traditionelles Marketing bisher nicht erreicht hätte, sagt Krause der US-Tageszeitung The Philadelphia Inquirer.

„Scrub Daddy“ trifft damit einen Nerv, denn Cleaning-Content ist auf Tiktok ein Trend mit enormer Fangemeinde: 88,3 Milliarden Views verzeichnen Videos mit dem #cleantok bereits. Sie zeigen Hacks, um die Spülmaschine zu reinigen, Turnschuhe wieder sauber zu bekommen oder den Kühlschrank optimal zu organisieren. Diesen Nutzwert für die User*innen will auch „Scrub Daddy“ liefern und präsentiert in den kurzen Videos neue Produkte, zeigt, wie dreckige Gartenmöbel sauber geschrubbt werden oder lässt den Smiley-Schwamm im direkten Battle gegen herkömmliche Schwämme antreten. Andere Creator*innen nutzen die „Scrub Daddy“-Produkte wiederum, um damit selbst Cleantok-Videos zu produzieren. Auch davon profitiert die Marke.

„Unhinged Content“ als Erfolgsmodell

Vor allem aber punktet „Scrub Daddy“ mit Inhalt, der anders ist als erwartbarer Marken- oder Produkt-Content. Nämlich mit Videos, die bunt und skurril sind, unterhaltsam, edgy, und auch mal über die Stränge schlagen. Ein Schwamm mit Mittelfinger-Emoji am Vatertag, Aaron Krause, der sich eine Scrub-Daddy-Torte im gesamten Gesicht verteilen lässt oder aktuelle Memes. Das wird auch als „Unhinged Content“ bezeichnet, frei übersetzt bedeutet das Wort so viel wie verrückt, freidrehend. Über den Trend des „UEC“ haben wir auch auf dem OMR-Festival 2023 berichtet. Ein besonders erfolgreiches Beispiel dafür ist die Sprachlern-App Duolingo, deren Tiktoks durchschnittlich fast eine halbe Million Likes pro Video erreichen und damit auf der Plattform mehr als doppelt so gut performen wie beispielsweise Netflix-Tiktoks. Was passiert also, wenn sich Scrub Daddy und Duolingo zusammen tun? Richtig, es entsteht Nachwuchs: In einem gemeinsamen Tiktok zeugen die Duolingo-Eule und der „Scrub Daddy“-Schwamm kleine Schwammbabys – und werden von den User*innen gefeiert.

Für Krause geht der Tiktok-Erfolg mit schlaflosen Nächten einher: Er schläft nach eigenen Angaben nur noch wenige Stunden pro Nacht und liest jeden einzelnen Kommentar. Verständlich, denn manchmal ist die Kommentarspalte unter seinen Videos fast unterhaltsamer als der Content selbst. Die neu gewonnene Fanbase sei riesig für das Geschäft, die Umsätze würden pro Jahr um 30 Prozent steigen, sagt er. Einen großen Vorteil sieht der CEO darin, genau verfolgen zu können, wie viele  User*innen dem Link in Videos folgen und dann auf der Website Produkte kaufen. Diese Art von Daten bekomme man nirgendwo sonst, sagt Krause, der für den Tiktok-Erfolg auch gerne mal selbst einspringt. Scheinbar nackt, nur mit einem riesigen „Scrub Daddy“-Schwamm „bekleidet“ flitzt er in einem Tiktok beispielsweise über das Firmengelände. Das Ergebnis: 1,2 Millionen Views. Wenn das kein Einsatz ist.

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Tanja Karrasch
Autor*In
Tanja Karrasch

Tanja Karrasch ist Redakteurin bei OMR. Vor ihrem Wechsel arbeitete sie für die TV-Produktionsfirma Bavaria Entertainment und war als Redaktionsleiterin für zwei ZDF-Shows zuständig. Sie hat bei der Tageszeitung Rheinische Post volontiert und anschließend als Redakteurin gearbeitet.

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