„Quarantäne Kids“: Spielend durch den Lockdown kommen
Wie zwei Schwestern in der Corona-Krise eine Marke für Kinder aufbauen
- Zielgruppe: gelangweilte Kinder
- Growth Hack aus Intuition
- Basisarbeit für ein richtiges Business
- Erst einmal: Strukturen schaffen
Wer hätte vor Kurzem auf den Erfolg einer Website gewettet, die die Themen Kinder und Isolation verknüpft? Inzwischen aber sind Kitas und Schulen dicht. Jeder kennt irgendwen, der positiv getestet oder als Corona-Verdachtsfall daheim ausharrt. Homeoffice ist die Norm, und ein ganzes Land steuert auf den Lockdown zu. In dieser Welt klingt „Quarantäne Kids“ als Name für eine Plattform mit Spielideen für Kinder im unfreiwilligen Hausarrest auf einmal ziemlich naheliegend.
„Wir wollen die Gunst der Stunde nutzen, um was Gutes zu tun“, sagt Ruth Löwenstein, die die Quarantäne Kids zusammen mit ihrer Schwester gegründet hat, im Gespräch mit OMR. Am vergangenen Samstag als Hobbyprojekt zweier Spiel- und Lerndesignerinnen gestartet, geht die Idee gerade viral. „Wir hatten mit vielleicht 100 Followern bei Instagram gerechnet“, sagt Löwenstein.
Doch nur 60 Stunden nach dem Launch hatte der Instagram-Account @quarantäne_kids Dienstagmorgen bereits mehr als 5000 Abonnenten. Die Website, auf der die Schwestern seit Montagfrüh täglich einen Bastelbogen als PDF-Download anbieten, habe im selben Zeitraum 163.000 Visits erzielt, so Löwenstein.
Zielgruppe: gelangweilte Kinder
Die Gründerinnen wurden vom Wachstum ihres Projekts komplett überrascht. „Wir haben nur in unserem Bekanntenkreis die Links verschickt und gesagt, wenn ihr das gut findet, verbreitet es“, sagt Löwenstein. Doch die 21-jährige Ruth und ihre 25-jährige Schwester Anne haben den perfekten Zeitpunkt für den Launch eines Produkts für eine aktuell rasant wachsende Zielgruppe erwischt: Eltern gelangweilter Kinder, deren Bewegungsradius auf das eigene Haus oder die eigene Wohnung beschränkt ist.
Die Idee zu den Quarantäne Kids entstand, nachdem Löwenstein in der vergangenen Woche einen Workshop in einer Grundschule gegeben hatte. Dort bekam sie mit, wie ein Lehrer der Klasse mitteilte, dass die Schule ab Montag ausfällt. „Die Kinder waren super entsetzt“, sagt Löwenstein. Das habe sie und ihre Schwester dazu gebracht, über alternative Beschäftigungen für die Kinder aus ihrem Bekanntenkreis nachzudenken.
Um denen die Bastelbögen möglichst einfach zugänglich zu machen, entstand die Idee, sie auf einem Blog hochzuladen. Der nächste Gedanke war, dass man so ja auch viel mehr Leute erreichen könnte. „Der Aufwand ist für uns ja der gleiche, ob wir das für fünf Kinder machen, für 5000 oder fünf Millionen“, sagt Löwenstein. Und so kam Instagram als Kanal hinzukam, um Leute auf den Blog zu führen.
Growth Hack aus Intuition
Löwenstein sagt, sie und ihre Schwester hätten keine Ahnung gehabt, wie man eine Website erstellt, und auch keinerlei Erfahrung bei der Entwicklung eine Social-Media-Strategie. Doch die beiden haben intuitiv vieles richtig gemacht. Angefangen beim Countdown, der vor dem Start bei Instagram Neugierde weckte und so half Abonnenten zu sammeln, bis zur Wahl des Launch-Zeitpunkts.
„Uns war klar, wir müssen jetzt was starten“, sagt Löwenstein. Denn am Montag war der erste schulfreie Tag und damit der Moment, an dem Bedarf an möglichst abwechslungsreichen Beschäftigungsideen für Kinder einen Peak erreicht. Am Morgen des vergangenen Samstags hätten sie mit der Konzeptphase begonnen. Ihr Vater steuerte den griffigen Namen Quarantäne Kids bei, ihre Mutter die Recherche möglicher Spielideen. „Samstagabend waren wir online“, sagt Löwenstein. In der Zwischenzeit entwickelte sich aus der lange gehegten, aber „schwammigen Idee“, unter dem Label Geschwister Löwenstein eine Kinder-Postkartenserie zu gestalten, ein Tierfiguren-Trio.
Jedes dieser Tiere hat einen eigenen Charakter, um verschiedene Bedürfnisse der Kinder anzusprechen. Alle drei Figuren teilen die Storyline, sich wie die Kinder gerade in Quarantäne zu befinden. Das kreative Schwein Frieda Ringeldich, der verspielte Wal Klaus Abgetaucht und das kluge Krokodil Günther Aufgepasst treten im Wechsel als Absender kleiner Spiele auf. Es gibt bereits ein Bastelset und ein Legespiel, am Mittwoch soll eine Knobelaufgabe folgen. Die Spielideen werden als PDF bereitgestellt, die man ausdrucken und mit möglichst einfachen, in jedem Haushalt mit Kindern trotz Quarantäne vorhandenen Mitteln gestalten und zusammenbasteln kann.
Basisarbeit für ein richtiges Business
Dutzende dankbare Kommentare unter den ersten beiden Spiel-PDFs im Blog und viele Fotos spielender Kinder, die den Schwestern geschickt werden, zeigen, dass die beiden Spiel- und Lerndesignerinnen mit ihrem Projekt einen Nerv treffen. Auch wenn die ältere Schwester Anne einen Job bei einer Spielzeugfirma hat und die jüngere Ruth noch mitten im Studium steckt, liegt die Frage nahe: Ließe sich mit dem Hobbyprojekt nicht über kostenpflichtige Zusatzinhalte Geld verdienen? Oder am Ende aus den Quarantäne Kids gar ein Business machen?
„Die eigentliche Idee ist noch nicht mal eine Woche alt“, sagt Löwenstein. Bislang ist nur klar: „Auf jeden Fall werden wir das die Quarantäne-Zeit fortführen und schauen, wo das hinführt.“ Dabei haben sich die Schwestern im Angesicht des anlaufenden Hypes bereits Gedanken gemacht, in welche Richtung ihr Projekt sich entwickeln könnte.“Wenn Kinder krank sind, haben sie ja auch eine Art Quarantäne“, sagt Löwenstein. Und mit Schwein Frieda, Wal Klaus und Krokodil Günther bauen sie gerade Sympathieträger und Reichweite auf, die sich später etwa in Form von Kinderbüchern auswerten lassen könnte.
Erst einmal: Strukturen schaffen
Aktuell treiben die Schwestern jedoch ganz andere Fragen um als das Vermarktungspotenzial der Quarantäne Kids. „Unser Plan heute heißt: Struktur schaffen“, sagt Löwenstein. Denn der virale Erfolg hat die beiden Schwestern komplett unvorbereitet erwischt. Sie hätten gedacht, die Leute würden auf den Blog stoßen und sich einfach inspirieren lassen. Nun lernen Ruth und Anne Löwenstein im Schnelldurchlauf, wie aus einem Hobbyprojekt ein Business wird.
Dringliche Entscheidung etwa: Brauchen wir einen Newsletter? Bisher gibt es die „Ideenpost“ trotz ihres Namens einfach auf der Quarantäne-Kids-Website zum Download; die Instagram Follower werden über neue Ausgaben informiert. Per Mail geschieht das allerdings noch nicht. Einige hätten bereits nachgefragt, warum heute noch keine neue Ideenpost in ihrem Posteingang liegt. „Die Leute schicken uns ihre Mailadressen schon unverlangt zu“, sagt Löwenstein.