Oliver Zeidler trifft Christian Sewing: "Es fehlt die Umgebung in Deutschland, um Spitzenleistung zu gewährleisten"

Florian Rinke13.10.2024

Ein Gespräch über Rückschläge, Ehrgeiz und die Frage, was Deutschland jetzt braucht

Philipp Westermeyer traf Oliver Zeidler und Christian Sewing in Frankfurt
OMR-Gründer Philipp Westermeyer traf Olympia-Sieger Oliver Zeidler und Deutsche-Bank-CEO Christian Sewing im Deutsche-Bank-Tower in Frankfurt. Foto: OMR
Inhalt
  1. Oliver Zeidler scheitert – und steht wieder auf
  2. "Wir müssen auch am Leistungswillen arbeiten"

Es ist ein Brief, der alles verändert. Geschrieben hat ihn Oliver Zeidler, als er während der Vorbereitung auf die Olympischen Spiele in Paris auf der Suche nach einem Sponsor ist. Adressat: Deutsche-Bank-CEO Christian Sewing. Bislang sponsert Deutschlands größtes Finanzinstitut keine Einzelsportler. Bei Oliver Zeidler macht man eine Ausnahme. Warum? Das verraten die beiden im OMR Podcast.

Christian Sewing ist lange genug in der Finanzindustrie, um zu wissen, welche Vorteile es hat, breit zu diversifizieren. Doch am 9. November 2023 macht er eine Ausnahme. Es ist ein Brief eingetroffen, adressiert an den CEO der Deutschen Bank. Das kommt häufig vor, viele Briefe werden von seinem Team im Vorfeld bereits rausgefiltert. Aber dieses Mal ist es anders. Dieses Mal sind sie überzeugt: Diesen Brief sollte der Chef lesen. Und Christian Sewing liest die Zeilen und ist am Ende überzeugt: "Das ist ein besonderer Mensch. Mit dem müssen wir was machen."

Oliver Zeidler ist lange genug Leistungssportler, um zu wissen, dass Unternehmen beim Sponsoring lieber auf Mannschaften setzen. Ein Sportler, ein Skandal – das ist eine Gleichung, die für Sponsoren deutlich mehr Risiko beinhaltet. Bei einer Mannschaft ist das Risiko besser verteilt, gibt es im Zweifel andere, auf die man als Sponsor im Ernstfall dann stärker setzen kann. "Für mich als Einzelsportler ist das natürlich ein bisschen blöd", sagt Oliver Zeidler im OMR Podcast. Trotzdem probiert er es, schreibt Christian Sewing einen Brief – und hat Erfolg. Die Deutsche Bank, das wichtigste Geldinstitut des Landes, macht eine Ausnahme und unterstützt den jungen Ruderer als Sponsor. Nicht mal ein Jahr holt Oliver Zeidler in Paris die Gold-Medaille im Ruder-Einer.

Oliver Zeidler scheitert – und steht wieder auf

Es ist die vorläufige Krönung seiner Karriere, eines dieser Märchen, die wohl nur der Sport so schreiben kann: Vom jungen Mann, der in einer Ruder-Familie groß wird, in der schon der Großvater bei den Olympischen Spielen 1972 eine Gold-Medaille im Ruder-Vierer gewinnt. Dennoch entscheidet sich Oliver Zeidler zunächst fürs Schwimmen, steigt erst spät aufs Rudern um und schafft es dennoch innerhalb weniger Jahre dank des Trainings mit seinem Vater in die Weltspitze. Bei den Olympischen Spielen 2021 in Tokio zählt er zu den Favoriten, kann aber seine Leistung im wichtigsten Rennen seiner Karriere nicht abrufen und scheitert. Er fällt psychisch in ein Loch, überlegt den Sport aufzugeben. Er arbeitet als Berater bei Deloitte, der Sport verlangt ihm schon damals viele Kompromisse ab – vielleicht zu viele? In Tokio hatte Oliver Zeidler Probleme mit den Bedingungen. Das Wasser war unruhig, der Wind stark, die Temperaturen sehr warm. Aber damit hatten die anderen auch zu kämpfen. Er beschließt, weiterzumachen, noch härter zu trainieren: "Ich muss bei jeden Bedingungen so gut sein, dass ich eine Medaille gewinne. Das war mein Anspruch", sagt er.

Christian Sewing sagt, die Gold-Medaille in Paris sei für ihn am Ende gar nicht so ausschlaggebend in der Bewertung der Leistung von Oliver Zeidler: "Wir wären genauso zufrieden gewesen, wenn er eine Bronzemedaille gewonnen oder knapp verloren hätte". Der Deutsche-Bank-CEO sagt, ihm ginge es mehr darum, wie sich Oliver Zeidler als Sportler präsentiert habe, welche Reaktion er nach Niederlagen gezeigt habe. Sich wieder hochzukämpfen, wenn man am Boden liegt, das ist eine Eigenschaft, mit der sich Sewing stellvertretend für seinen Arbeitgeber Deutsche Bank gut identifizieren kann. Auch die Bank, geplagt von kleineren und größeren Skandalen der Vergangenheit mit teuren Rechtsstreitigkeiten, hat unter Sewing selbst eine Art Comeback hinter sich – aber auch längst noch nicht jedes Problem gelöst.

"Wir müssen auch am Leistungswillen arbeiten"

Einig sind sich die beiden, dass es sowohl im Sport als auch in Deutschland insgesamt wieder mehr Leistungsbereitschaft brauche, dass man sich anstrengen muss, wenn man in die Weltspitze will oder seinen Platz dort halten möchte. "Ich glaube, wir haben nicht mehr die Umgebung, um Spitzenleistung zu gewährleisten", sagt Oliver Zeidler und meint damit den Sport, in dem es aus seiner Sicht dringend Strukturveränderungen braucht. Aber natürlich lässt sich dieser Satz auch auf die deutsche Wirtschaft insgesamt übertragen, die das zweite Jahr in Folge nicht wachsen wird. Es gebe strukturelle Maßnahmen, die nötig seien, sagt Christian Sewing: "Aber wir müssen vielleicht auch an unserem Leistungswillen arbeiten."

Oliver Zeidler hat nach Tokio analysiert, welche Gründe es für sein schwache Leistung gab. Er hat weiter trainiert, auch an den Tagen, an denen er sich morgens aus dem Bett an die Regattastrecke quälen musste. Er hat sich Sponsoren wie die Deutsche Bank gesucht, um sich im Vorfeld der Olympischen Spiele auch auf der Rennstrecke in Frankreich vorbereiten zu können. Er hat seiner Freundin die Betreuung der Social-Media-Accounts übergeben, um sich voll auf sein Ziel fokussieren zu können. Und als das Rennen startet, hat er sich in die Riemen gelegt und losgelegt. Zug um Zug hat er sich in Führung gekämpft – um sich am Ende jenen Traum zu erfüllen, den er bereits knapp neun Monate zuvor in jenem Brief an Christian Sewing beschrieben hatte.

Im OMR Podcast sprechen Christian Sewing und Oliver Zeidler außerdem über die Parallelen zwischen dem Leben als CEO und dem als Sportler, über Probleme bei der Sportförderung in Deutschland und die Frage, wie wichtig Geld am Ende wirklich ist.

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Florian Rinke
Autor*In
Florian Rinke

Florian Rinke ist Host des Podcast "OMR Rabbit Hole" und verantwortet in der OMR-Redaktion den "OMR Podcast". Vor seinem Wechsel Anfang 2022 zu OMR berichtete er mehr als sieben Jahre lang für die Rheinische Post über Start-ups und Digitalpolitik und baute die Rubrik „RP-Gründerzeit“ auf. 2020 erschien sein Buch „Silicon Rheinland".

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