Weshalb Hip Hop heute so groß ist und was die Marketing-Branche von Rap lernen kann

Torben Lux20.7.2020

Hip-Hop-Journalist Niko "Backspin" Hüls erklärt im OMR Podcast, wie Spotify, Instagram und Twitch Rap beeinflussen

Niko Huels Backspin OMR Podcast Philipp Westermeyer
Hip-Hop-Journalist Niko Backspin zu Gast im OMR Office (Foto: OMR).
Inhalt
  1. Als Berlin Hamburg den Titel der Hip-Hop-Hauptstadt abgenommen hat
  2. Wie Rap das Plattform-Game spielt – und gewinnt
  3. Unsere Podcast-Partner im Überblick:
  4. Alle Themen des OMR Podcasts mit Niko Backspin in der Übersicht:

Hip Hop ist so groß wie nie und Rap dominiert nicht nur die Charts, sondern mit Rekord-Reichweiten auch nahezu alle digitalen Plattformen – egal ob Youtube, Instagram oder Spotify. Während sich Kunst und Kultur immer fester in der Mitte der Gesellschaft festsetzen, wollen auch immer mehr Marken ein Stück vom Aufmerksamkeits-Kuchen abhaben. Im aktuellen OMR Podcast erklärt Hip-Hop-Journalist Niko Backspin, weshalb das nicht immer gut funktioniert, wie viel der Selbstdarstellung von Künstlern geplantes Marketing ist und wie es überhaupt zum anhaltenden Rap-Wachstum der vergangenen Jahre kommen konnte.

„Vielleicht liegt der Anteil von Marketing im Rap heute auch schon bei zwei Dritteln. Und ich will es einfach nur nicht wahrhaben“ sagt Niko Backspin im Gespräch mit Philipp Westermeyer. Der Hip-Hop-Journalist, der eigentlich Niko Hüls heißt, beobachtet die Branche bereits seit 20 Jahren hauptberuflich. 2009 übernimmt er das 1994 gegründete Magazin „Backspin“ und bastelt seit der Einstellung des Print-Hefts an immer weiteren neuen digitalen Formaten für die Marke. „Es gibt aber glücklicherweise ganz viele Künstler, bei denen das nicht so ist“, so Niko weiter über den Marketing-Anteil. „Und ein Capital Bra, der zwar derzeit der größte und erfolgreichste Rapper ist, ist trotzdem durch und durch Hip Hop.“

Diese Zwiespältigkeit zwischen „durch und durch Hip Hop sein“ und dennoch die Charts dominieren und Deals mit großen Marken abschließen (Capital Bra hat mit 25 Jahren mehr Nummer-1-Singles als die Beatles und eine eigene Pizza-Marke) gab es lange nicht. Da war Erfolg im Mainstream gleichbedeutend mit Sell-Out – und entsprechend schlecht für die Künstler. „Jan Delay ist in einer Zeit groß geworden, in der Werbeverträge seine Marke zerschmettert hätten“, sagt Niko Backspin. „Heute haben die Künstler eine andere Schmerzgrenze und auch vielen Fans ist es eher egal.“ Und natürlich sei auch die heute enorme Größe des Genres ein entscheidender Faktor. „Das Volumen von Hip-Hop-Fans hat sich extrem gesteigert. Heute gibt es viel mehr Konsum-Fans, als real Hip-Hop-Heads“, so Hüls.

Als Berlin Hamburg den Titel der Hip-Hop-Hauptstadt abgenommen hat

Ein Wendepunkt in der Wahrnehmung von Rap in Deutschland sei laut Niko Backspin auch der Erfolg von Straßenrap aus Berlin gewesen. „Künstler wie Samy Deluxe oder Jan Delay sind Künstler geworden, weil sie Künstler sein wollten. Denen ging es nicht ums Image“, erklärt Niko Backspin. „Das Label Aggro Berlin hat dann Anfang der 2000er dazu geführt, dass diese Image-Komponente viel größer geworden ist. Und das hat sich exponentiell gesteigert.“

Das sei auch einer der Gründe, weshalb Hip Hop so riesig geworden ist. „Das kann man, glaube ich, auf ein Wort herunterbrechen: Authentizität“, so Niko Backspin. „Dass die 187 Strassenbande und Capital Bra heute so erfolgreich sind, liegt daran, dass die Konsumenten zu 100 Prozent glauben, dass die Jungs so sind, wie sie sich zeigen.“ Auch die Faszination an einer fremden Welt sei ein wichtiger Faktor. „Das ist wie ein Action-Film, den du dir angucken willst.“

Wie Rap das Plattform-Game spielt – und gewinnt

Auch Niko Backspin macht trotz all dem Hype um Hip Hop aber nicht nur positive Entwicklungen aus, wie unter anderem die Verherrlichung und Zurschaustellung der Nähe zu kriminellen Milieus. Nur zwei Beispiele aus jüngster Vergangenheit seien da international 6ix9ine und national Bushido. Und noch etwas fällt ihm als Hip-Hop-Head natürlich schon länger auf: „Auch wenn man Gefahr läuft, dass man mit dem Satz alt klingt: Musik ist mehr zum Produkt geworden“, sagt er.

„Für die Musik und die Kunst ist es natürlich ein Problem, dass viele Künstler darauf achten, dass ein Song nur noch 2:50 Minuten lang ist.“ Niko Backspin zählt noch weitere Attribute auf, mit deren Hilfe Songs in die großen und einflussreichen Playlisten auf Spotify gehievt werden sollen: Start direkt mit der Hook, höchstens zwei Verses, oft keine Bridge. „Die Playlisten sind so stark, dass Du eigentlich direkt Chart-relevant bist, wenn Du gelistet wirst.“

Weshalb Niko Backspin trotzdem immer noch sehr viel Kunst sieht, die den Anspruch hat, auch kurzfristige Trends zu überleben, welche Rolle Tiktok heute im Hip Hop spielt und worauf es am Ende bei der Zusammenarbeit von Marken mit Rappern ankommt, hört Ihr in der aktuellen Folge des OMR Podcasts.

Unsere Podcast-Partner im Überblick:

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Philipp hat es am Anfang des Podcasts schon erwähnt: Nicht nur Niko war bei ihm zu Gast, sondern Philipp war auch bei Niko zu Gast. Im Format „Was ist Rap für Dich“ trifft Niko nämlich regelmäßig Menschen, die auf den ersten Blick erst einmal nichts mit Rap zu tun haben. Zu Gast waren unter anderem schon Felix Lobrecht, Sibylle Berg, Lars Klingbeil und jetzt eben auch Philipp Westermeyer. Diese und alle anderen Folgen könnt Ihr hier anhören.

Alle Themen des OMR Podcasts mit Niko Backspin in der Übersicht:

  • Niko Backspin erklärt, was die Backspin eigentlich ist und weshalb er sich mit seinem Beruf einen Kindheitstraum erfüllt hat (ab 03:30)
  • Selbstvermarktung, Storytelling, Kollaborationen: Die Überschneidungen von Rap und Marketing (ab 06:10)
  • Wann funktioniert die Zusammenarbeit zwischen Rappern und Marken besonders gut? Und weshalb ist Capital Bra auch auf dem Gebiet so erfolgreich? (ab 08:00)
  • Die ersten Annäherungen von McDonald’s an Hip Hop, unter anderem mit Cro, haben dem Künstler eher geschadet. Warum sind Kooperationen heute viel akzeptierter? (ab 09:45)
  • Niko Backspin erkennt im Erfolg von Influencer-Marketing einer der Gründe für die Akzeptanz von Werbedeals im Hip Hop (ab 12:00)
  • Was passiert, wenn Rapper die Macht ihrer eigenen Marke realisieren und statt Koops mit Dritten eigene Marken für bspw. Merch aufbauen (ab 13:45)
  • Die Geschichte von Lacoste und der 187 Strassenbande (ab 15:45)
  • Wie Shindy einmal einen solchen Hype um einen orangenen XXL-Sweater aufgebaut hat, dass ähnliche Modelle auf Amazon komplett ausverkauft waren (ab 17:00)
  • Über Instagram können Rapper längst sehr schnell eine extreme Nachfrage für Produkte erzeugen. Jetzt haben einige auch Tiktok für sich erkannt (ab 20:00)
  • Welchen Einfluss hat Spotify mit seinen Playlisten auf Rap? (ab 23:30)
  • Weshalb ist der Output aktueller Rapper häufig deutlich höher, als vor einigen Jahren noch? (ab 25:50)
  • Welche Rolle spielt Youtube heute für Hip Hop? (ab 30:15)
  • Hip Hop hat in den vergangenen Jahren gefühlt alle anderen Genres komplett abgehängt. Woran liegt das? (ab 32:15)
  • Über Erfolg und Werdegang von und Betrugsvorwürfe an Loredana (ab 34:30)
  • Der riesige Erfolg von Hip Hop hängt stark mit der Kultur und deren Kern zusammen: einer Randgruppe eine Stimme zu geben (ab 35:30)
  • Rap und Verschwörungstheorien (ab 42:00)
  • Über gezielte Provokationen, öffentliche Streits und das Spiel mit den Medien (ab 44:30)
  • Der Fall vom US-Rapper 6ix9ine als Musterbeispiel für die Funktionsweisen im Rap (ab 46:00)
  • Ist die Geschichte von Busidho und dem Abou-Chaker-Clan ein Einzelfall oder gang und gäbe im deutschen Straßenrap? (ab 49:00)
  • Welche Auswirkungen hat Corona auf Rap? (ab 50:30)
  • Welche Rolle spielt Twitch inzwischen? (ab 52:45)
  • Was hat Niko Backspin bei den ersten Releases von Apache 207 gedacht? Und welcher nächste große Act steht bereits in den Startlöchern? (ab 59:15)
Hip HopMusik-MarketingRapSpotify
Torben Lux
Autor*In
Torben Lux

Torben ist seit Juni 2014 Redakteur bei OMR. Er schreibt Artikel und Newsletter, plant das Bühnenprogramm des OMR Festivals, arbeitet an der "State of the German Internet"-Keynote, betreut den OMR Podcast und vieles mehr.

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