Immo-Influencer Mr. Unreal Estate: "Ich bin kein Makler, ich will unterhalten"

Wie der Berliner Immobilien-Influencer Leon Sandhowe über Roomtouren eine Luxus-Entertainment-Brand aufbaut

Inhalt
  1. Kalkulierte Cringyness
  2. "Oh, über die kann man Immobilien verkaufen"
  3. Von der Lachnummer zum Kult-Format
  4. "Es muss nicht immer teuer sein"
  5. Plan einer eihenen Produktlinie
  6. Österreich, Italien, Dubai
  7. Roomtour in der Glamping-Area

Schon als Kind faszinierte Leon Sandhowe die Frage, wie es sich hinter den vielen beleuchteten Fenstern der Stadt so lebt. Inzwischen ist daraus sein Job geworden. Als Mr. Unreal Estate stellt er luxuriöse Immobilien vor und erzielt damit nur ein Jahr nach dem Start auf Instagram und YouTube beachtliche Reichweiten. Der Berliner hat bereits die "Jerks"-Villa getourt, Deutschlands teuerste Mietwohnung und demnächst die Glamping-Area von "Rock am Ring". Die Vision hinter der Marke ist aber größer: Mr. Unreal soll zu einer Luxus-Entertainment-Brand werden.

"Am Anfang gab es extrem viel Hate", sagt Leon Sandhowe. Die Vorlage war aber auch zu dankbar: Sein Alter Ego Mr. Unreal Estate ist ein fast 1,90-Meter großer Typ im weißen Hemd, mit Hosenträgern, Fliege und – damals noch – gelber Sonnenbrille. "So läuft doch niemand rum", sagt Sandhowe selber. Wenn dieser "Clown" sich dann von einer Drohne dabei filmen lässt, wie er im roten Mercedes-Cabrio durch den Garten einer Villa rollt und seine folgende Roomtour mit den stark berlinerisch eingefärbten Worten "Wanna see samzing unreal?" einleitet, dann sind hämische Kommentare einkalkuliert.

Kalkulierte Cringyness

Die bewusste Cringyness erfüllte ihren Zweck. Die vor rund anderthalb Jahren auf der Couch geborene Idee, die in den USA schon länger populäre Mischung aus Immobilien-Touren mit Storytelling-Elementen für den deutschen Markt zu adaptieren, hat sich zu einem profitablen Business entwickelt. Inzwischen arbeiten fünf Leute für die Marke Mr. Unreal Estate. Auf Tiktok erzielen die Clips solide sechs- bis siebenstellige View-Zahlen. Der Instagram-Kanal hat über 200.000 Follower*innen und Aufrufe im Millionenbereich. Auf YouTube, wo Langversionen der Roomtouren erscheinen, haben bald 13.000 Menschen den Immo-Influencer abonniert. 

Die Pipeline für kommende Drehs ist laut Sandhowe voll. "Wir lehnen aktuell viel mehr ab, als wir annehmen." Das sah damals im Herbst 2022 noch ganz anders aus. Sandhowe und Niklas Körber, sein Mitgründer hinter der Kamera, klickten sich auf der Suche nach teuren, aber schlecht fotografierten Objekten durch Immoscout und riefen die Makler an. Denen pitchten sie einen Deal: gutes Foto- und Videomaterial kostenlos, und im Gegenzug die Möglichkeit, eine Roomtour für Mr. Unreal Estate drehen zu dürfen. "Ich habe bestimmt 100 Telefonate am Tag geführt", sagt Sandhowe. Viele Makler hätten überhaupt nicht verstanden, was er von ihnen wollte. 

"Oh, über die kann man Immobilien verkaufen"

Offenere Ohren hatte einer der Sponsoren des Berliner Oberligisten, für den Sandhowe seit ein paar Jahren kickt. Dem gefiel die Idee des unkonventionellen Immobilienformats und die beiden konnten ihre ersten Clips produzieren. Langsam erarbeiteten sie sich in der Berliner Immo-Szene Aufmerksamkeit und erste Nachfrage. Denn die Makler*innen hätten gemerkt: "Oh, über die kann man Immobilien verkaufen", so Sandhowe.

Trotzdem seien zunächst immer alle nervös gewesen, wenn er in seinem Mr.-Unreal-Outfit auflief und vor dem Dreh mögliche Storylines durchging, sagt Sandhowe. Denn nur Quadratmeter und Features der Objekte runterbeten, das hätte ihn nie interessiert. Stattdessen sinniert Mr. Unreal Estate in den Clips darüber, ob eine Villa am Teich das Zeug zu Peter Fox' "Haus am See" hat, streut Anspielungen auf die "Geissens" ein oder bemüht gewollt schräge Vergleiche und Beschreibungen – "Sylt (…) ein Ort, der das Leben zwischen Mensch und Pferd verbindet".

Von der Lachnummer zum Kult-Format

"Ich hatte nie das Interesse, Makler zu werden oder Immobilen zu verkaufen, sondern Leute zu unterhalten", sagt Sandhowe. Und er sieht sich inzwischen in seiner Annahme bestätigt, dass der anfängliche Spott, den seine Kunstfigur triggerte, das Fundament für eine wachsende Reichweite schuf. Irgendwann sei es umgeschlagen, so Sandhowe, "von dem Typen mit der falschen englischen Aussprache und dem lückenhaften Immobilienwissen, zu einem Format, das ganz cool ist und ein bisschen Kult-Status in der Community hat."

Die Immo-Videos werden wirtschaftlich immer relevanter für die junge Firma. Die Provisionen, an denen Mr. Unreal Estate im Verkaufsfall beteiligt werden, sind aber nur ein Teil des Businessmodells. Inzwischen lassen sich die Berliner von den Makler*innen für die Erstellung von hochwertigem Foto-und Videomaterial bezahlen. Außerdem verdiene man über die Beteiligung an Werbeumsätzen auf den Plattformen Geld. Wobei der Anteil am Gesamtumsatz immer kleiner wird. Wie sich dieser entwickelt, will Sandhowe nicht offenlegen. Nur soviel: "Wir kommen gut über die Runden."

"Es muss nicht immer teuer sein"

Neben Makler*innen würden sich vermehrt auch Privatpersonen melden, erzählt Sandhowe. Zum Beispiel der Verkaufstrainer Martin Limbeck, der sich von seiner Fünf-Millionen-Euro-Villa mit Seegrundstück trennen will und selbst einen kurzen Cameo-Auftritt auf dem Rasenmäher im Tiktok-Video hat. "Das ist, wo es hingehen soll", sagt Sandhowe über diese Produktion. Das zugegebenermaßen unkonventionelle Anwesen samt pyramidenförmigem Gartenpabillon mit Oma-Couchgarnitour darin ist hier vor allem Kulisse für eine Reihe schräger Sprachbilder und Slapstick-Einlagen. Mr. Unreal angelt auf dem See, boxt im Privatgym, rast mit dem Quad durch den Garten. "Ich habe Bock darauf, kurze Actionfilme zu machen", sagt Sandhowe, "da wo es passt."

Neben den Clips über Immobilien, die zum Verkauf stehen und die etwa 90 Prozent der gezeigten Objekte ausmachen, tourt Mr. Unreal Estate auch regelmäßig private Wohnungen. Er besucht Künstler*innen, Musiker*innen, Sportler*innen und Twitch-Streamer*innen. Da sind auch schon einmal 60 Quadratmeter-Buden für 600 Euro Warmmiete dabei. "Es muss nicht immer teuer sein, es muss besonders sein", sagt Sandhowe. 

Plan einer eihenen Produktlinie

Dabei bezieht er sich nicht nur auf das Interieur, sondern auch auf seine Protagonist*innen, in deren Kühlschränke er blickt und über deren persönliche Hintergründe er spricht. Auch seine Clips über die Luxus-Immobilien würde Sandhowe gerne mehr in diese Richtung entwickeln. "Am spannendsten finde ich die Gespräche mit den Eigentümern", sagt der Immo-Influencer. Doch bislang wagen die sich nur selten vor die Kamera.

Neben Ideen zur inhaltlichen Weiterentwicklung seines Formats beschäftigen ihn auch Strategien, wie sich das Business unter der Marke Mr. Unreal Estate ausbauen lässt. "Natürlich mache ich mir Gedanken, wie man weiter wachsen kann", sagt Sandhowe. Er arbeite bereits an einer eigenen Produktlinie – allerdings eher ein Langzeitprojekt. Konkreter seien Gespräche über Kollaborationen mit anderen Influencern aus dem Immobilien- und Luxus-Lifestyle-Bereich.

Österreich, Italien, Dubai

Naheliegend wären zudem Produkt-Placements in seinen Videos. Entsprechende Anfragen bekomme er jeden Tag, so der Immo-Influencer. Die Bandbreite reiche dabei von Handyhüllen über Teppiche bis zu – eher obskur – Betonpumpen. Bislang habe er alles abgelehnt. Eine Ausnahme, so Sandhowe, würde er vielleicht machen, käme der Küchenhersteller Bulthaup auf ihn zu. Wobei der auch ohne Partnerschaft immer euphorisch erwähnt wird, sobald Mr. Unreal Estate in einem Objekt eine Bulthaup-Einbauküche entdeckt.

Ganz konkret steht die Ausweitung des Radius an, innerhalb dessen Mr. Unreal Estate Objekte tourt. Im Verlauf des Sommers sind Drehs in Österreich, Italien und an der Côte d’Azur geplant, Ende 2024 dann in Dubai. Zum einen sei es in Deutschland nicht so einfach, in die wirklich "unrealen" Immobilien zu kommen, sagt Sandhowe über den Schritt zu Internationalisierung. Entscheidender aber: "Viele Häuser außerhalb von Deutschland sind schon viel krasser."

Roomtour in der Glamping-Area

Ein besonderes Projekt wird Anfang Juni abgedreht. Die Macher*innen des "Rock am Ring"-Festivals haben das Team von Mr. Unreal Estate eingeladen. Er darf das Gelände inklusive Camping-Areal touren und so ein Musikevent aus einem ungewöhnlichen Blickwinkel vorstellen. Sandhowe zögerte keine Sekunde, diese Anfrage anzunehmen, denn sie zahlt unmittelbar auf seine Vision der Marke ein. "Das Ding ist", sagt er, "wir wollen irgendwann raus aus Mr. Unreal Estate in Mr. Unreal".

Voyeurismus mag die Triebfeder hinter den aktuell boomenden Immo-Soaps wie "Selling Sunset" oder "Bying London" sein. Sandhowes Vision für seine Entertainment-Brand sei aber umfassender als der Blick hinter erleuchtete Villenfenster. Er könne sich auch vorstellen Sportwagen und Yachten zu touren – entsprechende Angebote gab es bereits – oder auch Privatjets, so Sandhowe. Denn Immobilien sind ja nur eine Facette des Lifestyles, den Mr. Unreal abbilden will: "Die Leute kriegen von mir einen Einblick, wie man im Luxus lebt."

ImmobilienContent Marketing
Christian Cohrs
Autor*In
Christian Cohrs

Editor & Content Strategist bei OMR und Host des FUTURE MOVES-Podcasts. Zuvor war er Redaktionsleiter des Wirtschaftsmagazins Business Punk in Berlin, Co-Autor des Sachbuchs "Generation Selfie".

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