Marketing Hole-in-one: Wie Golf-Nobody Michael Block der PGA Millionenreichweiten beschert
Das starke Abschneiden des Golflehrers ist auch ein Triumph über die Elite-Konkurrenz LIV Golf
- Wahrscheinlichkeit für einen Hole-in-one: 0,01 Prozent
- Mit „Why not“-Attitüde in die Top 10
- Sechsstelliges Preisgeld
- Achtstellige Abrufe für Block-Videos auf Tiktok
- Die PGA Tour setzt auf Blocks Beliebtheit auf
- Die PGA Tour macht Aschenputtel-Geschichten möglich
- Zwei große Turniere laden Block ein
- Geht die „Block Party“ auf Netflix weiter?
Es ist eine Geschichte wie ein Märchen: Beim Golfturnier PGA Championship hält der bis dahin quasi unbekannte Golflehrer Michael Block bis zum Ende mit den Weltbesten der Sportart mit, schlägt am viertletzten Loch ein spektakuläres Hole-in-one und belegt schließlich einen unglaublichen 15. Platz – noch vor dem zu diesem Zeitpunkt Führenden der Weltrangliste. Blocks Erfolg beschert dem Turnier weltweit enorme Aufmerksamkeit und ist ein Marketing-Lottogewinn nicht nur für den US-Verband PGA. OMR zeigt das Ausmaß des Phänomens und erklärt, warum der Erfolg noch weitaus mehr bedeutet.
138 Meter beträgt auf dem Golfplatz des Oak Hill Country Club in Pittsford im Bundesstaat New York der Abstand vom Abschlag bis zum 15. Loch. Als Michael Block am Nachmittag des 21. Mai mit einem 7er Eisen den Ball drischt, fliegt dieser in einem perfekten Bogen direkt ins Loch – ohne die Rasenfläche auch nur zu berühren. „Slam Dunk“ nennen Golfspieler*innen diese noch seltenere Variante des Hole-in-one (in USA auch „Ace“ genannt) in Anlehnung an den Basketballsport.
Wahrscheinlichkeit für einen Hole-in-one: 0,01 Prozent
Laut dem „National Hole-in-One Registry“* liegt die Chance von Durchschnitts-Golfer*innen, einen Hole-in-one zu schlagen bei eins zu 12.500. Das heißt: Bei 12.499 Schlägen landet der Ball nicht direkt im Loch. Dass der 46-jährige Michael Block während seiner sportlich bislang erfolgreichsten Woche (die er vielleicht bis an sein Karriereende nicht mehr toppen können wird) ein Hole-in-one gelingt, und dann auch noch als „Slam Dunk“, ist nicht weniger als ein Wunder. Und es ist nur der Höhepunkt einer ganzen Reihe von fast absurden Ereignissen.
Denn eigentlich spielen bei der PGA Championship fast ausschließlich Vollzeitprofis. Michael Block nimmt zwar auch regelmäßig an höherklassigen Turnieren teil. Er ist jedoch ein „Golf Pro“ und kein „Pro Golfer“: Der 46-Jährige verdient sein Brot als Golflehrer in Südkalifornien und ist damit einer von 28.000 „PGA Professionals“*. 20 dieser Professionals können sich zunächst über regionale und dann über nationale Turniere für die PGA Championship qualifizieren. Block ist einer derer, denen das gelingt.
Mit „Why not“-Attitüde in die Top 10
Eine Golfstunde bei Block kostet 150 US-Dollar. Bei der PGA Championship tritt der Golflehrer gegen einige der Weltrangenlistenbesten an, von denen manche Werbeverträge im dreistelligen Millionenbereich abgeschlossen haben. Beeindrucken lässt sich Block davon nicht: Seit einem Turnier im Jahr 2007 lautet sein Mantra „Why not?“. Und das hat er sogar auf seine Golfbälle drucken lassen. Warum sollte er nicht versuchen, zu gewinnen?
Mit dieser Chuzpe gelingen Block bei der diesjährigen PGA Championship von Anfang an immer wieder „Birdies“, bei denen er einen Schlag weniger benötigt, als es die Vorgabe beim jeweiligen Loch ist. Auf diese Weise rollt der Underdog bereits am ersten Tag die Rangliste des Turniers von hinten auf und dringt zwischenzeitlich bis auf Platz 6 vor. Obwohl er den zweiten Tag mit einem Fehlschlag beginnt, schafft Block am Ende den „Cut“, übersteht also als einziger der 20 PGA Professionals die am Ende des zweiten Tages übliche Reduzierung des Teilnehmerfeldes um rund die Hälfte der Spieler. Als eine Journalistin Block bei einer Pressekonferenz darauf aufmerksam macht, dass er in der Turnier-Rangliste vor dem Weltranglistenersten Jon Rahm liegt, löst das eine emotionale Reaktion aus:
Sechsstelliges Preisgeld
Den dritten Turniertag verbringt Block an der Seite von Justin Rose, aktuell Nummer 33 der Weltrangliste. Denn bei Golfturnieren spielen die Teilnehmer*innen in der Regel in Zweierpaaren. Dabei bilden die Veranstalter*innen jeden Tag aufs neue Paare aus Spieler*innen, die von ihren Ergebnissen her nahe beieinander liegen. Vor dem vierten und letzten Turniertag erfährt Block, dass er Rory McIlroy zugewiesen wurde: Nummer drei der Weltrangliste und nach Tiger Woods aktuell der populärste Golfspieler der Welt.
An McIlroys Seite gelingt Block dann auch der spektakuläre Hole-in-one-Schlag an Loch 15. Am Ende landet Block im Gesamt-Turnier-Ranking auf Rang 15, womit er sich nicht nur automatisch für die nächstjährige PGA Championship qualifiziert, sondern auch fast 300.000 US-Dollar Preisgeld einheimst. Auf Rang 1 liegt Brooks Koepka, der aktuell auf Platz 44 der Weltrangliste liegt und die PGA Championship zuvor schon zweimal gewinnen konnte. Subjektiv schlägt Block für seinen Erfolg noch mehr Begeisterung entgegen; er wird als Volksheld gefeiert. Laut Google Trends wird nach Block zwischenzeitlich sogar häufiger gesucht als nach dem Gewinner Koepka.
Achtstellige Abrufe für Block-Videos auf Tiktok
Die „Professional Golfers Association of America“ (PGA), Veranstalterin der PGA Championship, schlachtet die enorme Popularität von Michael Block auf Social Media offenbar gezielt aus: Obwohl Block ja nie ganz vorne liegt, setzt die PGA über die offiziellen Championship-Accounts auf Instagram und Twitter während und nach dem Turnier immer wieder Posts zu dessen Erfolg ab. Auf Twitter verzeichnen alle PGA-Championship-Posts zu Michael Block mehr als 13 Millionen Impressions. Auf Instagram ist das mit weitem Abstand erfolgreichste Reel des Accounts jenes, das Blocks „Slam Dunk“ zeigt – mit 1,4 Millionen Views.
Diese Zahlen mögen auf Anhieb erst einmal nicht über die Maßen beeindruckend klingen, insbesondere wenn man sie mit den Reichweiten der erfolgreichsten Zuschauer-Sportarten wie Football, Fußball oder Basketball vergleicht. Aber als Zuschauersport ist Golf immer noch eine Nischensportart. Und die Posts des PGA Championship Accounts zu Michael Block verzeichnen überdurchschnittliches Engagement, 43.000 und 76.000 Likes anstatt wie sonst nur im vierstelligen Bereich.
Und natürlich schlägt Blocks Erfolg weit über die PGA Accounts hinaus Wellen: Die großen US-TV-Sender CBS und ESPN erkennen schon früh im Turnierverlauf das Potenzial der Geschichte des Underdogs; ESPN führt beispielsweise „Walk and Talk“-Interviews mit ihm durch. Und nicht nur in den traditionellen Medien, sondern auch generell auf Social Media erfährt Block enorme Aufmerksamkeit: Auf Tiktok verzeichnen alle Videos mit dem Hashtag #michaelblock 12,3 Millionen Views. Auf Twitter lassen sich unzählige Tweets zu Michael Block mit vierstelligen Like- und sechs- bis achtstelligen Abrufzahlen finden.
Die PGA Tour setzt auf Blocks Beliebtheit auf
Zu den großen Gewinnern gehören dadurch auch die Golfmarke Taylormade sowie Sportartikler Nike – beide seit mehreren Jahren offizielle Ausrüster von Michael Block. Vor allem profitiert aber auch die PGA Tour – die größte und renommierteste Golf-Turnier-Reihe der Welt. Die ist 1968 als eigenes Unternehmen von der PGA ausgegliedert worden und bildet seitdem eine eigene, komplett unabhängige Spitzen-Organisation für die erfolgreichsten Tour-Spieler. Trotzdem sind beide Organisationen noch (und nicht nur) über die Marke PGA miteinander verbunden.
Obwohl Michael Block kein PGA-Tour-Spieler ist, postet auch die PGA Tour über ihre Social-Media-Accounts fleißig über dessen Siegeszug. Auf Twitter verzeichnen alle sich auf Block beziehenden Tweets 26,6 Millionen Impressions (12,3 Millionen stammen alleine vom Video des „Slam Dunks“). Auf Instagram kommen alleine die sechs (!) Kurzvideo-„Reels“ des PGA-Tour-Accounts zu Block auf 6,8 Millionen Views. In den Kommentaren auf Instagram fühlen sich manche Golf-Fans bemüßigt, die PGA Tour daran zu erinnern, dass nicht Michael Block, sondern Brooks Koepka der Gewinner der PGA Championship ist.
Die PGA Tour macht Aschenputtel-Geschichten möglich
Das ist durchaus pikant, denn Koepka ist im vergangenen Jahr von der PGA Tour zu LIV Golf gewechselt: einer neuen, konkurrierenden Golf-Tour-Serie, die nur die globalen Elite-Spieler vereinen will und die vom Saudischen Staatsfonds finanziert wird. LIV hat die Golf-Welt gespalten und in eine Krise gestürzt; der Ausschluss von LIV-Spielern durch die PGA und Kartellklagen von LIV-Spielern gegen die PGA Tour haben die Gräben zwischen beiden Lagern nur noch tiefer werden lassen.
Laut Google Trends war das Interesse an der PGA Tour zuletzt wieder deutlich größer als das für LIV Golf. Die große Aufmerksamkeit für den Erfolg von Michael Block könnte in den vergangenen Tagen mit dazu beigetragen haben. Zumindest deutet Blocks Erfolg auf einen grundsätzlichen Vorteil der PGA Tour hin: Denn während bei LIV Golf bislang nur eingeladene (also: von LIV unter Vertrag genommene) Spieler an den Turnieren teilnehmen können, ist die PGA Tour durchlässiger. Auch wenn die Wahrscheinlichkeit gering ist, könnte sich ein PGA Professional wie Michael Block theoretisch über einen Sieg bei einem so genannten Major Turnier wie die PGA Championship eines ist für die PGA Tour qualifizieren.
Zwei große Turniere laden Block ein
Dass bei der PGA Championship auch 20 „Professionals“ antreten dürfen, ist in der Vergangenheit kritisiert worden, schreibt beispielsweise der langjährige Golf-Channel-Kommentator Mike Ritz. Die Teilnahme der Nicht-Vollprofis hätte das Turnier abgewertet, so wohl das Argument der Kritiker. „Zum Glück ist die PGA hartnäckig geblieben“, schließt Ritz mit Blick auf das Golf-Märchen von Michael Block.
Der zum Star gewordene Golflehrer hat bereits Einladungen von weiteren renommierten Turnieren erhalten. Ein Video davon, wie Block am Telefon eine Einladung des Veranstalters der Charles Schwab Challenge annimmt, ging ebenso viral wie ein charmant formulierter Einladungs-Tweet der „RBC Canadian Open“. Er wolle jedoch nicht die PGA Tour spielen, sondern immer wieder zu seiner Familie zurückkehren können (Block ist verheiratet und hat zwei Söhne im Teenager-Alter), so der 46-Jährige in einem Interview. Andererseits erklärte Block auch in einem weiteren Interview: „Natürlich liebe ich meine Familie und alles andere und meinen Job und alles, aber Golf ist mein Leben.“
Geht die „Block Party“ auf Netflix weiter?
So oder so könnte es der PGA Tour gelingen, dank Michael Block noch weitere Aufmerksamkeit zu generieren — in der zweiten Staffel der Doku-Serie Full Swing. Mit der hat die PGA Tour im Frühjahr versucht, für Golf neue Zielgruppen zu erschließen und damit den Erfolg der Formel 1 mit „Drive to survive“ zu wiederholen. Darauf, dass dies gelungen sein könnte, deutet auch das laut Google Trends erstarkte Interesse an der PGA Tour hin.
Wie mehrere Beobachter*innen berichten, soll das „Full Swing“-Produktionsteam Block während seiner PGA-Championship-Teilnahme sehr eng begleitet haben. Die Folge dazu werde sicherlich ein oder zwei Tränen hervorrufen, tweetete Journalist Dan Rapaport, der schon in der ersten Staffel zu sehen war.
Danke an Klaas Butenschön für inhaltliche Unterstützung!
*Die Website der PGA ist vermutlich aus DSGVO-Gründen aus Deutschland heraus nicht aufrufbar. Wir haben deswegen eine archivierte der Version der Website verlinkt.