Warum spanische Singles im Supermarkt die Liebe suchen – und wie Ananas dabei hilft

Der Trend zum Dating abseits der Apps beschert der Kette Mercadona eine Menge Gratis-Marketing. Auch große Datingplattformen bieten Offline-Events an

Inhalt
  1. Trend zum Dating außerhalb der Apps
  2. Erkennungszeichen Ananas
  3. Polizeieinsatz in Filiale in Bilbao

Statt zu Tinder greifen spanische Singles aktuell vermehrt zu Einkaufswagen und Ananas. Denn in den Filialen der Supermarktkette Mercadona treffen sich abends zwischen 19 und 20 Uhr junge Menschen auf der Suche nach Liebe, oder zumindest einer guten Zeit. Spaniens größter Supermarktkette beschert der Trend eine Menge Gratis-Marketing. Die Filialen werden zum Dating-Treffpunkt in der realen Welt – seinen Ursprung hat der Trend aber auf Social Media. Und auch die großen Online-Dating-Plattformen wie Bumble merken offenbar, dass ihre User*innen sich Treffen in der echten Welt wünschen – und reagieren darauf.

Wie war das noch gleich mit dem Dating, bevor es Tinder, Bumble, Hinge und Co. gab? Ach ja, man begegnete sich in der echten Welt. Vielleicht durch Zufall beim Lebensmittel-Einkauf vor der Kühltheke. Ein kurzer Blick, ein schüchternes Lächeln, dann eine Verabredung zum gemeinsamen Kaffee. In Spanien lassen junge Menschen diese vergangenen Zeiten aufleben und treffen sich zum Dating im Supermarkt. Als Treffpunkt dienen die Filialen des spanischen Marktführers Mercadona, immer abends zwischen 19 und 20 Uhr.

Für Mercadona bedeutet das eine Menge Gratis-Marketing: Nicht nur auf Tiktok gibt es unzählige Beiträge zu dem spanischen Phänomen. Auch internationale Medien wie die New York Times berichten darüber, die BBC tauft das Ganze gleich "Piñagate", auf Deutsch: Ananasgate. Der Impuls dazu soll von der spanischen Comedian Vivy Lin gekommen sein, schreibt El País, die größte Tageszeitung Spaniens. Denn Lin hatte in einem ihrer Videos auf Tiktok Ende August erzählt, sie habe beobachtet, dass die Supermarktgänge bei Mercadona zu einer speziellen Zeit am Abend, nämlich zwischen 19 und 20 Uhr, mit jungen Singles gefüllt seien, und damit die "Dating-Stunde in Mercadona" ausgerufen.

Trend zum Dating außerhalb der Apps

Der spanische Dating-Trend ist nur ein Beispiel dafür, dass Singles als Ergänzung oder Alternative zum Swipen auf Tinder oder Bumble Interesse daran haben, potenzielle Matches im echten Leben kennenzulernen. Ein weiterer riesiger Trend sind sogenannte Single Run Clubs. In vielen Großstädten werden die Lauf-Clubs immer populärer, bei denen sich Menschen beim gemeinsamen Workout kennenlernen können. Die Dating-App Lunge ist darauf ausgelegt, Menschen zusammenzubringen, die an einem Trainingsstandort Sport machen und bietet unter anderem in New York unter der Marke "Lunge Run Club" regelmäßig Lauf-Events an, an denen Tausende teilnehmen. Wer Schwarz trägt, ist Single – so die Regel. Die US-Medien finden: "This running club is the hottest dating app in NYC" oder: "NYC's Lunge Run Club: The new hotspot for singles to connect".

Ähnliche Angebote gibt es in Sydney, Chicago, aber auch in deutschen Großstädten: Die Dating-Plattform Bumble organisiert beispielsweise in Berlin und Köln aktuell sogenannte "Bumble Run Club Takeovers". In Köln hat sich Bumble dafür mit dem Run-Club Offtrack und der Sportbekleidungsmarke Ryzon zusammengetan. Knallgelbe Bumble-Socken dienen hier als Erkennnungszeichen zwischen Flirtbereiten. Wenn's gut läuft, werden die hoffentlich rechtzeitig wieder ausgezogen.

Erkennungszeichen Ananas

Beim spanischen Supermarkt-Dating ist die Sache mit den Erkennungszeichen ein wenig komplexer. Hier gilt: Wer mitmachen will, sollte die Spielregeln kennen, sonst könnte es leicht zu Missverständnissen kommen. Als Erkennungszeichen nutzt die Mercadona-Dating-Community nämlich eine Ananas, die umgedreht in den Einkaufswagen gelegt wird. Man trifft sich dann in der Weinabteilung. Ein Anstupsen mit dem Einkaufswagen soll aussagen, dass man sich gefällt. Mit der Zeit sind einige recht detaillierte Symbole hinzugekommen. So soll etwa eine Packung Linsen neben der Ananas bedeuten, dass man auf der Suche nach einer richtigen Beziehung ist, während Salat und Tiefkühlpizza verschlüsselte Botschaften dafür sind, dass der- oder diejenige eher auf der Suche nach einem kurzen Intermezzo ist. Nicht zu verwechseln mit der Melone, die einen Kinderwunsch symbolisieren soll.

Der Single-Geheimkodex ist natürlich auch für Content Creator aus dem Comedybereich gefundenes Fressen: Auf Tiktok gibt es Tausende Beiträge, die den Trend mit Humor begleiten, so wie @miguelmenaia, der sich für den Supermarkteinkauf extra aufgebrezelt hat, euphorisch einen Einkaufswagen voller Salat anstupst, um dann erst festzustellen, dass der zu einer sehr, sehr, sehr viel älteren Dame gehört. Ups. Auch Vivy Lin selbst sagt in einem Interview mit der New York Times, aus ihrer Sicht stehe bei dem Phänomen der Humor im Vordergrund, nicht so sehr die Liebe: "Ich glaube, der Vorwand des Datings war für die Leute ein Anlass, um auszugehen und Spaß zu haben, um Memes zu machen und Videos aufzunehmen.“

Als Inspiration für ihren Aufruf zum Flirten im Supermarkt diente Lin übrigens nach eigener Aussage eine mehrere Jahre alte Folge der spanischen Version des TV-Formats "First Dates": Dort habe ein Teilnehmer erklärt, die beste Zeit, seine Seelenverwandte in Supermärkten zu finden, sei zwischen sieben und acht Uhr abends, wenn Singles ganz einfach anhand von Bier und Chips in ihren Einkaufswagen erkannt werden könnten, erklärt die Komikerin.

Polizeieinsatz in Filiale in Bilbao

Wie ernst die Absichten der einzelnen tatsächlich sind, lässt sich natürlich nicht pauschal sagen. Aber seitdem Vivy Lins ursprüngliches Video viral ging, strömten Tausende Teenager und junge Erwachsene in die Mercadona-Filialen in ganz Spanien. Die Bekanntheit der Marke Mercadona dürfte durch den unbeabsichtigten Hype einen riesigen Sprung gemacht haben – die Marketingabteilung sei aktuell quasi überflüssig geworden, scherzen einige Medien. Das deutschsprachige Portal aus Spanien, Costa Nachrichten, schreibt, es gebe in Spanien sogar Gerüchte, wonach Mercadona-Leute den Trend selbst angeschoben hätten, weil 19 bis 20 Uhr eine schwach frequentierte Stunde war. Vivy Lin sagt, auch sie sei inzwischen bereits mehrfach gefragt worden, ob es sich bei ihrem Video um eine Marketingkampagne handele. Darauf entgegnet sie: "Schön wär's. Dann wäre ich wenigstens bezahlt worden."

In einzelnen Filialen war die Freude über die Besucher*innen mit hoher Flirtbereitschaft und gleichzeitig geringer Kaufabsicht allerdings nicht ganz so groß. In einer Filiale in Bilbao brach durch das Merca-Dating so großes Chaos aus, dass der private Sicherheitsdienst sogar die Polizei rief, um den Andrang junger Menschen unter Kontrolle zu bekommen. In Madrid soll es zu einem ähnlichen Vorfall gekommen sein. Von Seiten Mercadona hieß es dazu, es handele sich um Einzelfälle. In anderen Märkten soll Ananas zur Dating-Stunde so schnell vergriffen gewesen sein, dass viele leer ausgingen. Wobei an dieser Stelle vielleicht auch nachgeholfen wurde, um dem Trend ein wenig Einhalt zu gebieten: Ein Tiktok-Video zeigt einen Supermarkt-Angestellten, der eine große Menge Ananas aus dem Verkaufsraum Richtung Lager schiebt. "Sie entfernen die Ananas bei Mercadona zwischen 19 und 20 Uhr", heißt es auf dem Account. Doch von solchen Nichtigkeiten lassen sich junge Menschen auf der Suche nach der großen Liebe natürlich nicht aufhalten: Alternativ sind auch Dosenananas oder Anananssaft akzeptierte Flirtsignale in der Merca-Dating-Community.

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Tanja Karrasch
Autor*In
Tanja Karrasch

Tanja Karrasch ist Redakteurin bei OMR. Vor ihrem Wechsel arbeitete sie für die TV-Produktionsfirma Bavaria Entertainment und war als Redaktionsleiterin für zwei ZDF-Shows zuständig. Sie hat bei der Tageszeitung Rheinische Post volontiert und anschließend als Redakteurin gearbeitet.

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