Martin Kind: Ein Unternehmer-Leben zwischen Hörgeräten, Brillen und der Fußball-Bundesliga

Torben Lux5.6.2022

Im OMR Podcast spricht Martin Kind über Herausforderungen im Hörgeräte-Markt und seine Arbeit als Hannover-96-Chef

Martin Kind OMR Podcast
Martin Kind (r.) und Philipp Westermeyer in der Kind-Firmenzentrale in Burgwedel.

Für Fußball-Fans ist Martin Kind vor allem eins: der Boss des aktuellen Zweitligisten Hannover 96. 1997 übernahm der heute 78-Jährige das Amt des Präsidenten – und rettete den Verein vor der Pleite. Weil er ein erklärter Gegner der 50+1-Regel ist und Clubs für Investoren öffnen möchte, halten viele Fans dennoch nicht viel von ihm. Dass er vor 53 Jahren aus dem kleinen Laden seines Vaters und zwei Mitarbeitenden ein Hörgeräte- und Optik-Unternehmen mit 4.000 Mitarbeitenden und Filialen auf dem gesamten Globus gemacht hat, ändert daran wenig. Im OMR Podcast spricht Kind über diese zwei Welten und deren Vereinbarkeit, sein Image als Reizfigur und Tennisrunden mit Dirk Rossmann.

„Ich habe das mit meinem Chef bei Siemens damals lange diskutiert. Versuche ich bei Siemens Karriere zu machen oder gehe ich den Weg im Unternehmen meines Vaters?“, erklärt Martin Kind im Gespräch mit Philipp Westermeyer eine der wohl wichtigsten Entscheidungen seines Lebens. Kind ist mit 25 Jahren schon Hörgeräteakustikmeister und seine Perspektiven bei Siemens seien nach der Stammhauslehre gut gewesen. Er entscheidet sich gegen den Konzern und für den Laden seines Vaters, „mit ein oder zwei Mitarbeitern“, wie er sagt.

53 Jahre ist diese Entscheidung heute her und aus den ein oder zwei Mitarbeitenden sind rund 4.000 geworden. Alleine in Deutschland hat die Kind GmbH & Co. KG etwa 650 Filialen, im Rest der Welt kommen noch einmal rund 150 dazu. „Unsere Läden haben drei verschiedene Größen“, erklärt Kind. „Der größte ist in Göttingen und hat eine Fläche von 600 Quadratmetern“. Die Eröffnung eines solchen Flagship Stores koste inzwischen deutlich mehr als eine Million Euro, setze dann aber auch mehrere Millionen Euro im Jahr um.

Von Hörgeräten über die Digitalisierung zu Brillen

Als Martin Kind im Akustikmarkt beginnt, ist der noch komplett analog. „Die Digitalisierung hatte sich aber schon angedeutet und es war klar, dass das daraus ein Wachstumsmarkt wird“, so Kind. Heute sind Hörgeräte vollgepackt mit moderner Software, für Kind vom 2004 übernommenen Unternehmen Audifon gefertigt, das inzwischen von Deutschland aus in 66 Länder liefert. Noch sei der Handelsumsatz aber größer als der Produktionsumsatz. Weil die Technik immer schneller überholt ist und Entwicklungszyklen kürzer werden, steigen die Kosten. „Alle unsere Wettbewerber produzieren nicht mehr in Deutschland. Das ist so“, stellt Kind fest. Es scheint nicht ganz ausgeschlossen, dass das auch bald bei Kind und Audifon der Fall sein könnte.

2016 wurde aus dem reinen Hörgeräte-Unternehmen auch ein Augenoptik-Unternehmen. „Das ist ein anderer aber spannender Markt. Und beide, das Ohr und die Augen, sind Sinnesorgane“, erklärt Martin Kind. Da gebe es häufig Synergien. Seit kurzem ist auch der passende Online-Shop live, die Besucherzahlen seien gut. „Die Bestellungen sind aber noch überschaubar“, sagt Kind.

Mit 53 zu 96

Wie gut es ganz konkret läuft, will Martin Kind nicht verraten. Die letzten öffentlichen Zahlen sind von 2017, damals machte das Unternehmen 270 Millionen Euro Umsatz. „Wir sind seitdem auch gewachsen“, so Kind zu Philipp Westermeyer. „Wir sind zufrieden.“ Das „Wir“ steht in dem Fall vermutlich auch für ihn und seinen Sohn, der inzwischen das operative Geschäft des Familienunternehmens leitet, das – trotz häufiger Anfragen von Investoren – zu 100 Prozent den beiden gehöre. Ob das immer so bleibt? „Im Moment sind wir gut aufgestellt, aber ich schließe nicht aus, dass wir in fünf oder zehn Jahren erkennen müssen, dass wir andere und neue Entscheidungen treffen müssen, um die Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten“, erklärt Martin Kind. Einen Börsengang allerdings schließe er aus – zumindest für ihn. „Mein Sohn könnte das, ich bin allerdings nicht bereit, mit die doofen Fragen von Aktionären anzuhören“, so der Unternehmer. „Aber ich schließe nicht aus, dass mein Sohn mal entsprechende Gedanken haben muss. Denn klar: Unsere Wettbewerber sind im Wesentlichen börsennotierte Kapitalgesellschaften.“

Als wirtschaftlichen Wettbewerb sieht Martin Kind auch das Geschäft des Profifußballs. 1997 kommt er als Präsident zum angeschlagenen Drittliga-Verein Hannover 96 und rettet ihn vor der finanziellen Pleite. „Sie haben – ich sage das mal sehr plakativ – einen Doofen gesucht, von dem sie glauben, dass er 96 vielleicht sanieren kann. Und dann haben sie mich überredet.“ Die Rettung gelingt. Und auch wenn Hannover seit inzwischen drei Spielzeiten nicht mehr in der ersten Bundesliga spielt, wäre es nicht übertrieben, sein Engagement als Erfolgsgeschichte zu bezeichnen.

Im Doppel mit Dirk Rossmann

Ein Aber gibt es trotzdem. Martin Kind gilt als Reizfigur. Und sein wirtschaftlicher Fokus auf das Fußballgeschäft, vor allem seine Bemühungen, die 50+1-Regelung abzuschaffen und Fußballvereine auch in Deutschland für Investoren zu öffnen, stößt bei Fans nicht gerade auf Gegenliebe. Im Gegenteil: Für Ultras ist Martin Kind das erklärte Feindbild. „Im Fußball gibt es keinen Dank“, stellt er fest. „Die stehen für die Kultur des Fußballs der Vergangenheit und der Tradition. Was ich auch akzeptiere. Aber ich sage persönlich, der Fußballmarkt ist eben auch ein Markt. Und Fußball-Bundesligisten sind Wirtschaftsunternehmen.“

Eines habe Martin Kind dennoch nie getan: die Arbeit an „seinen“ zwei Wirtschaftsunternehmen vermischt. „Wir haben es immer sauber getrennt“, betont er. „Und sie werden in keinem Gebäude hier etwas von 96 finden. 96 findet bei Kind nicht statt. Meine Leidenschaft, meine Liebe ist die Unternehmensgruppe Kind.“

Wie es für diese eine Liebe in Zukunft aussehen könnte, welche Hamburger Agentur das Unternehmen überhaupt erst zur Marke gemacht hat, was er der neuen DFL-Chefin Donata Hopfen rät und was er neben wöchentlichen Tennis-Doppel mit seinem besten Freund Unternehmer Dirk Rossmann noch so in seiner Freizeit macht, hört Ihr im aktuellen OMR Podcast.

Die Themen des OMR Podcasts mit Martin Kind im Überblick:

  • Martin Kinds Start ins Berufsleben, der Weg zum Hörgeräteakustikmeister und dann zum Marktführer (03:00)
  • Wie aus Kind Hörgeräten 2016 auch Kind Augenoptik wurde und wie eine typische Customer Journey aussieht (13:00)
  • „Ich habe ein Kind im Ohr“ – So wichtig war die Werbekampagne der Hamburger Agentur „Zum goldenen Hirschen“ (23:00)
  • Über Stellenwert und Zukunft der Innenstadt, die Produktion von Audifon (noch) in Deutschland und Umsatz (27:30)
  • Wie realistisch ist ein Kind-Börsengang? Und was denkt Martin Kind über die Startup-Szene und Unicorns? (37:30)
  • Welchen Stellenwert hat Hannover 96 im Vergleich zu seinem Unternehmen für Martin Kind? (43:50)
  • So steht Martin Kind zum modernen Fußball, 50+1 und seiner Rolle bei Hannover 96 (50:00)
  • Die wichtigsten Entscheidungen im Leben von Martin Kind und was er vielleicht hätte anders machen wollen (58:50)
  • Eine gemeinsame Tennishalle mit Dirk Rossmann (1:05:30)
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Torben Lux
Autor*In
Torben Lux

Torben ist seit Juni 2014 Redakteur bei OMR. Er schreibt Artikel und Newsletter, plant das Bühnenprogramm des OMR Festivals, arbeitet an der "State of the German Internet"-Keynote, betreut den OMR Podcast und vieles mehr.

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