Luxus-Influencer Marc Gebauer: All In in Sin City

Als "Uhrenhändler der Influencer" wurde Marc Gebauer berühmt – in Deutschland. Jetzt zieht er in die USA, um die Frage zu klären: Kann man eine Karriere wie seine internationalisieren?

Uhren- und Luxus-Influencer Marc Gebauer
Uhren- und Luxus-Influencer Marc Gebauer (Foto: Marc Gebauer)

Montana Black, Inscope, Gzuz, Rin – die Kundenliste von Luxusuhrenhändler Marc Gebauer wird die meisten Verkäufer*innen hinter den Tresen von Wempe oder Christ ratlos zurücklassen. Doch auf Youtube ist der Düsseldorfer der schillernde Star der Zunft. Rapper, Influencer, Twitch-Streamer kaufen ihre zehntausende Euro teuren Uhren bei Gebauer. Und knapp 450.000 Abonnent*innen schauen ihm dabei auf Youtube zu. Mittlerweile macht seine Firma einen Jahresumsatz im mittleren zweistelligen Millionenbereich. Neben Uhren verkauft Gebauer Parfüms, Mode, Edelmetall, aber auch Kaffee und Hot Sauce. 2023 eröffnete er einen Concept Store in Düsseldorf, die Kö ist gleich um die Ecke. Nun aber plant Gebauer seinen nächsten, gewagtesten Karriereschritt. Er wandert in die USA aus, um sein Luxus-D2C-Playbook ein paar Ligen weiter oben erneut durchzuspielen. Wie das gelingen soll, darüber hat der Influencer-Unternehmer mit OMR gesprochen.

Für jemanden, der sein Geld mit Bling-Bling und den Insignien des einen, obersten Prozent verdient, ist Marc Gebauer ein ziemlich illusionsloser Mensch. "Wenn wir mal ehrlich sind", sagt er, "da drüben kennt mich keiner". Mit "da drüben" bezeichnet Gebauer seine neue Heimat: die USA. Am 19. März verlässt er Deutschland Richtung Las Vegas ohne Rückflugticket. In Sin City erwartet ihn eine Fünf-Millionen-Dollar-Villa, die zum Headquarter seiner US-Expansion werden soll. Die Miete war ein Jahr im Voraus zu entrichten, erzählt Gebauer. "Der Sprung ist gemacht. Das Geld ist es schon weg." In seiner Stimme schwingt viel Dramatik mit, ohne die man bei Youtube nicht weit kommt. Auch im Interview mit OMR lässt Gebauer es daran nicht mangeln: "Ey, wenn ich das nicht schaffe, das wird auf jeden Fall ein Desaster."

Das Playbook des Luxus-Influencers

Natürlich ist Gebauer Geschäftsmann genug, dass er sich nicht völlig unvorbereitet in den Neuanfang in den USA stürzt. Im Gegenteil: Zwei Jahre Planung liegen hinter ihm, erste Drehs mit Größen der amerikanischen Uhren-Youtuber-Szene sind bereits ausgemacht, Ware ist bestellt, der Webshop geht demnächst live, weitere Schritte sind längst skizziert. Dazu später mehr. Denn zunächst einmal muss man erklären, wie das Playbook von Marc Gebauer eigentlich aussieht. 

Vor etwas mehr als zwei Jahren hat Gebauer seine Karriere vom gelernten Herrenausstatter zum Luxus-Influencer mit angeschlossenem Onlineshop im OMR Podcast erzählt. Für alle, die es an dieser Stelle nicht nachhören möchten, hier die Zusammenfassung: Nachdem er einen Job bei einem Kölner Uhrenhändler bekommen hatte – und großes Interesse an luxuriösen Zeitmessern, aber wenig Ahnung von deren Details besaß – begann Gebauer damit, sich anhand der Besprechung einzelner Uhrenmodelle in die Materie einzuarbeiten. Und weil er sicher nicht der Einzige mit Wissenlücken sein würde, filmte Gebauer das Ganze ab und stellte die Clips auf Youtube.  

"Licht in den undurchsichtigen Uhrenmarkt bringen"

Das wiederum habe dazu geführt, dass der damals sehr bekannte Food-Influencer Emrah den Weg in den Uhrenladen fand, in dem Gebauer arbeitete. Und so nahmen die Dinge ihren Lauf. Bald galt Gebauer in Influencer-Kreisen als Plug, der in der Lage ist jede Wunschuhr zu beschaffen. Fündig wird er auf dem Graumarkt, in seinem Netzwerk, in geschlossenen Whatsapp-Gruppen, in denen Uhrenhändler ihre Ware einander anbieten. Der Ruf des Händlers, der immer liefert, ist hart erarbeitet – durch Disziplin und die wortwörtliche Extrameile. Um die passende Schachtel zu einer Uhr zu bekommen, fliegt Gebauer auch schon einmal auf einen anderen Kontinent.

"Ich habe immer versucht, in den sehr undurchsichtigen Uhrenmarkt etwas Licht zu bringen." So beschrieb Gebauer im OMR Podcast die ursprüngliche Motivation, die ihn zu Youtube brachte. Weil er sein Geschäft der Aufklärung auf sehr unterhaltsame Weise betreibt, wurde sein Kanal schnell zu Marketing-Maschine in eigener Sache. Getrieben vom Uhren-Boom der vergangenen Jahre wuchs seine Reichweite rasant. Und Gebauer weiß sie zu nutzen. Etwa in Form von Black-Friday-Aktionen, wo er 100 hochpreisige Uhren an einem einzigen Tag verkauft. 

Krusty neben Chronometer? "Weil ich das so möchte"

Neben Uhren nahm Gebauer bald weitere Artikel ins Sortiment auf: Parfüms von Nischenherstellern, scharfe Würzsaucen, Münzen aus Edelmetall, originalverschweißte Module legendärer Videospiele. Zuletzt kam eine eigene Mode-Linie hinzu, die seine Mutter verantwortet, eine ehemalige Vorständin eines großen deutschen Modekonzerns. Außerdem bietet er Portfolio-Management an für Menschen, die ihr Geld lieber in Rolex als in Aktien parken.

Klar, alles hochpreisig, aber doch ein wenig konsistentes Sortiment. Das fand auch ein Bewerber, der in Gebauers Ladengeschäft vorstellig wurde und ihn gefragt habe, wie man das machen könne: eine Krusty-der-Clown-Sammelmünze neben eine 500.000-Euro-Uhr zu stellen? "Weil ich das so möchte", habe er geantwortet, so Gebauer – und den jungen Mann selbstverständlich nicht eingestellt. Wenn man das Geschäftsmodell von Marc Gebauer in einem Begriff zusammenfassen möchte, käme dabei ein Wort etwas heraus, das so krude ist wie das Sortiment in seinem Laden. One-Man-Concept-Store-D2C-Entertainment-Brand vielleicht.

Mittlerweile ist der Uhren-Hype etwas abgeebbt. Die Umsätze seines Shops seien jedoch stabil, so Gebauer. Die Warenkörbe sind heute mit im Schnitt 400 Euro zwar deutlich kleiner als auf der Höhe des Luxusuhren-Runs – im Februar 2022 waren es 1.950 Euro – dafür wickelten seine mittlerweile über 30 Beschäftigten inzwischen nicht mehr 50, sondern 200 bis 300 Bestellungen am Tag ab. "Unser Gewinn ist deutlich gestiegen, unser Umsatz nicht", erklärt Gebauer. Der Grund dafür ist Parfüm. Das habe er damals bei der Gründung gar nicht im Businessplan gehabt, sagt Gebauer. Denn: "Wer bitte soll ein Parfüm, das er nicht kennt, im Internet kaufen."

"Das ist quasi wie Drogenhandel"

Doch die Spezialisierung auf hochpreisige Nischendüfte erwies sich als clever. "Mittlerweile haben wir bei gewissen Marken Douglas überholt", sagt Gebauer. Treiber sind hier sogenannte Abfüllungen der Düfte in fünf Milliliter fassende Zerstäuber. So kommen seine Kund*innen für 30 Euro an einen Duft, der im 125-ml-Flakon 265 Euro kosten würde. Und wer jetzt mitgerechnet hat, weiß, warum Gebauer dieses im Frühjahr 2023 gestartete Business in einem seiner Videos begeistert feiert: "Das ist quasi wie Drogenhandel."

"Affordable Luxury" nennt Gebauer diese vergleichsweise preisgünstige Ecke in seinem Luxus-Gemischtwarenladen. Die Kernzielgruppe der 18- bis 30-jährigen Männer greift begeistert zu. Gebauers unfairer Vorteil: Die Credibility seiner Personenmarke hebt ihn dabei vom Marktumfeld ab. Denn auch was das Strecken der Ware angeht, orientieren sich mache Mitbewerber im Business mit den Abfüllungen am Drogenmarkt.  

Gold kaufen, mit Paypal zahlen

Die jüngste Sortimentserweiterung verdankt Gebauer einem Zufall. Während eines Streams mit einem Goldhändler hatte er Edelmetalle in den Shop aufgenommen. Eigentlich sollte das nur für die Dauer der Show sein. Doch die Gold- und Silbermünzen seien schon während des Streams komplett ausverkauft gewesen, so Gebauer. "Da habe ich gesagt: Okay, lass doch einfach mal weiterlaufen." Anders als bei Uhren müsse er nichts erklären, Edelmetall verkaufe sich quasi von allein. "Unsere Zielkundschaft sind junge Leute. Die gehen nicht in die Stadt zu Degussa an den Schalter und kaufen sich das", sagt Gebauer. Diese Gruppe wolle einfach online shoppen und mit Paypal bezahlen. "Das war ein Glückstreffer." 

Exklusive Uhren, bezahlbare Düfte und Edelmetall sollen auch zu den Eintrittskarten in die USA werden, sagt Gebauer. "Der Markt ist bei Parfüms in den USA unterentwickelt." Zwar würden die von ihm angebotenen Marken dort auch verkauft. Doch weit weniger als in Deutschland. Vor allem: Innerhalb der von Gebauer bespielten jungen Zielgruppe sei der Wunsch nach olfaktorischer Distinktion noch ausbaufähig.

Erste Drehs mit US-Influencern schon fix

Das gilt allerdings auch für den Anteil, den US-Follower*innen an Gebauers Community haben. Auch wenn er seit Beginn bei Youtube regelmäßig und auf Instagram ausschließlich englischsprachigen Content postet, stammt bislang nur ein Prozent seiner Abonnent*innen aus den USA. Das dürfte sich aber bald ändern. Denn an dieser Stelle muss man zurückblättern zu Kapitel eins des Marc-Gebauer-Playbooks: Videos mit Multiplikatoren, um seinen Namen und seine Dienste in der Luxusuhren-Community zu platzieren.  

Drei Drehs habe er bereits fix machen können, erzählt Gebauer. Mit Producer Michael, 1,6 Millionen Follower*innen starker Luxus-Influencer, den er kennt, weil er dessen Limited-Edition-Duft verkauft. Dann mit Roman Sharf, ebenfalls eine Größe in der Luxus-Youtuber-Nische und auch manchem außerhalb dieser bekannt, seitdem er kürzlich öffentlichkeitswirksam für 9.000 Dollar ein Paar der goldenen Donald-Trump-Sneaker erworben hat. Und mit TraxNYC, einem überaus schrillen Schmuck- und Uhrenhändler, "bekannt, weil er immer komplett ausrastet", wie Gebauer sagt. Und das vor drei Millionen Youtube-Follower*innen. 

"Ein guter Preis, ein bisschen Show"

"So haben wir den Uhren-Nischenmarkt abgedeckt. Das sind erst einmal die naheliegendsten Drehpartner", sagt Gebauer. Und hinter diesen drei wartet dann ein ganzer Kontinent voll mit potenziellen Videopartnern / Kunden. Denn neben Reichweite geht es natürlich auch darum, Business zu machen und sich auch in der Wahlheimat als Uhrenhändler der Influencer- und Creator-Bubble zu etablieren. Gebauer wittert viel Potenzial. "Montana Black verdient 'ne Menge Geld", so Gebauer. "Aber wenn du dir daneben Adin Ross anschaust, das sind andere Dimensionen."

Klar, Influencer dieser Liga als Kunden zu gewinnen, wird nicht leicht. Doch Gebauer ist optimistisch. Man könne nichts planen, aber es bestünden Kontakte. "Man muss schauen, dass man erstmal schöne Geschenke macht, damit der Erstkontakt zustande kommt, und dann muss man da einfach dranbleiben." Zwar warte in den USA niemand auf ihn. Aber er wisse, wie man Leute für gemeinsame Drehs oder Livestreams gewinnt, so Gebauer: "Die wollen einen guten Preis, die wollen ein bisschen Show", und dann verbinde er eben den Uhren-Deal mit einer Hot-Sauce-Challenge.

Bei US-Kunden punkten mit deutschen Tugenden

Helfen würden ihm auch die teutonischen Klischeetugenden: Verbindlichkeit und Pünktlichkeit. Wer einen Termin mit ihm habe, der könne sich darauf verlassen, dass der auch stattfindet und zur vereinbarten Zeit startet, so Gebauer. Bei manchem Celebrity-Uhrenhändler in L.A. sei das nicht unbedingt der Fall, habe er gehört.     

Auch wenn Marc Gebauer im Gespräch mehrmals betont, dass es keinesfalls ausgemachte Sache sei, dass sein USA-Plan aufgeht, dass er "Ökonom genug" sei, das Abenteuer abzubrechen, wenn das Experiment zum Verlustgeschäft wird – er lässt wenig Zweifel daran, dass er es schaffen will. Wobei er selbst das natürlich etwas dramatischer ausdrückt: "Alle Sachen, die ich mache, mache ich mit 'ner Brechstange."

LuxusuhrenLuxusD2C
Christian Cohrs
Autor*In
Christian Cohrs

Editor & Content Strategist bei OMR und Host des FUTURE MOVES-Podcasts. Zuvor war er Redaktionsleiter des Wirtschaftsmagazins Business Punk in Berlin, Co-Autor des Sachbuchs "Generation Selfie".

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