Dieser Bratschist zieht mit Websites zur Bundestagswahl über Google Millionen von Aufrufen

Johannes Eva betreibt nebenher die vielleicht besucherstärkste private Info-Website zu Wahlen

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Johannes Eva (Foto: privat)
Inhalt
  1. 13 Millionen Aufrufe mit der Website für 2017
  2. „Lieber Inhalte erstellen, statt SEO machen“
  3. Die Schwiegermutter liest Korrektur
  4. „Linkbuilding ist lästig“
  5. Bis zu 20 Prozent mehr Traffic mit der neuen Seite?
  6. Bis zu 30.000 Euro Umsatz?

Wer in Googles Suchmaschine Begriffe wie „bundestagswahl 2021“, „kanzlerkandidaten 2021“ oder „wahlprognose“ eingibt, würde vielleicht erwarten, bei den Suchergebnissen ganz oben Seiten vom Bundeswahlleiter, von der Bundeszentrale für politische Bildung, von Wikipedia oder vielleicht auch von großen Medienmarken zu finden. Häufig stößt man dort aber auch auf die Website Bundestagswahl-2021.de – nicht selten sogar auf Platz 1 der Ergebnisliste. Hinter der Seite steckt keine öffentliche Einrichtung und kein Verlag, sondern Johannes Eva, ein Orchestermusiker aus der Nähe von Nürnberg. Im Gespräch mit OMR hat der 39-Jährige erklärt, wie er es hinbekommen hat, dass seine Seite bis nach der Wahl vermutlich an die 15 Millionen Seitenaufrufe generiert.

„Das ist im Grunde genommen eine banale Website mit Inhalten, die man alle auch an anderen Stellen finden kann, und die aus SEO-Sicht zu hoch gerankt ist. Mir macht die Seite Spaß, aber man sollte sie auch nicht überbewerten“, sagt Johannes Eva gegenüber OMR am Telefon über seine Seite Bundestagswahl-2021.de. Er habe vor 20 Jahren Informatik und Mathematik studiert, bis zum Vordiplom. „Dann wollte ich doch lieber Musik machen.“

Zu Keywords wie diesen rankt Bundestagswahl-2021.de auf einer der ersten drei Positionen (Screenshot: Sistrix)

13 Millionen Aufrufe mit der Website für 2017

Warum betreibt Eva dann trotzdem heute – als studierter Bratschist – eine Website mit Informationen zu Wahlen? Wäre er nicht Musiker geworden, wäre er Umwelt-Aktivist, grüner Politiker (gegenüber OMR erklärt er, nicht Mitglied einer Partei zu sein) oder Verfechter freier Software geworden, schreibt Eva in seinem Profil auf der Website seines Orchesters. Das Interesse für freie Software hat er sich aus der Zeit seines Informatikstudiums erhalten. Er betreibt schon damals einige Websites zum Thema und sichert sich auch einige Domains. Eine davon lautet Bundestagswahl-2017.com. Offenbar taucht die Seite zu dieser Zeit hin und wieder in Googles Suchergebnissen auf – möglicherweise wegen des Keywords im Domain-Namen. „Ich habe nach einiger Zeit gesehen, dass die Domain Aufrufe verzeichnet, obwohl darauf nur Platzhaltertexte zu finden waren“, so Eva. Dieser Umstand motiviert ihn dazu, nach und nach Inhalte für die Seite zu erstellen, wodurch sich auch die Google Rankings kontinuierlich verbessern.

Schon da erreicht er zu relevanten Keywords gute Platzierungen in den Suchergebnissen. Die Folge: Am Abend der Bundestagswahl ist der Besucherandrang auf der Seite so hoch, dass immer wieder der Server in die Knie geht und die Seite nicht erreichbar ist. Und am Ende des Superwahljahrs 2017 mit einer Bundestagswahl und drei Landtagswahlen (auch zu diesen stellt der Musiker auf seiner Seite Informationen bereit) hat die Seite nach Evas Angaben rund 13 Millionen Aufrufe angesammelt. „Es liegt schon ein gewisser Reiz in den hohen Besucherzahlen, und darin, dass das ganze so funktioniert, wie es das tut.“

„Lieber Inhalte erstellen, statt SEO machen“

Als das Wahljahr 2017 vorüber ist, versucht er, den Traffic von der Bundestagswahl-Info-Seite auf die allgemeine Seite Wahlen.info weiterzuleiten – doch das funktioniert zunächst nicht so gut. Er sichert sich die Domain Bundestagswahl-2021.de und beginnt, für diese Inhalte zu erstellen. „Mit der bin ich in puncto Traffic und Rankings aktuell quasi wieder auf demselben Level wie mit der vorherigen Seite“, so Eva. Um ein verbindendes Element zwischen allen Seiten zu schaffen, legt er unter edupolitics.info eine schlanke Infoseite an, auf der alle aktuellen Projekte verlinkt sind.

Die Entwicklung des Sichtbarkeitsindexes von Johannes Evas drei deutschsprachigen Wahl-Info-Seiten (Screenshot: Sistrix)

Warum nun rankt Eva mit seinen Seiten zu den relevanten Keywords so weit oben? Auf die Aufzählung der gängigsten SEO-Tools und die Frage, ob er diese für die Google-Optimierung der Website nutzt antwortet Eva: „Das sagt mir gar nichts.“ Die Entwicklung seiner Rankings beobachtet er mittels der kostenlosen Android-App SERP Mojo; über das WordPress SEO-Plugin Yoast hat er für einige Unterseiten das Google-Snippet bearbeitet. „Es wäre gut, wenn ich das für alle Seiten mache, aber dafür fehlt mir die Zeit.“ Weitere Tools nutzt der Musiker nicht. „Ich ranke besser, wenn ich meine Zeit statt für SEO darauf verwende, Inhalte zu erstellen.“

Die Schwiegermutter liest Korrektur

Und Zeit ist offenbar der größte kritische Faktor – auch, um seinen Anspruch gerecht zu werden, politisch so neutral wie möglich zu sein: „Es ist schwierig, alles aktuell zu halten. Damit habe ich wirklich zu kämpfen; die meisten Texte auf der Seite sind zu alt“, sagt Eva. Bei den Nürnberger Symphonikern hat er eine halbe Stelle als Bratschist und spielt jede zweite Woche. „In den anderen Wochen arbeite ich zu 100 Prozent an der Seite.“ Unterstützung erhält er dabei mittlerweile von einer Journalistin aus Hamburg, die gegen Bezahlung Texte für ihn verfasst. Seine eigenen Texte werden von seiner Schwiegermutter gelesen.

Aktuell, kurz vor der Wahl, sind die ersten drei Inhalte auf der Homepage: „Umfragen, Prognosen und Projektionen“, „Mögliche Koalitionen nach der Wahl“ und „Die Spitzenkandidaten der Parteien“. Hinzu kommen Verweise auf die Wahlprogramme, auf Online-Wahlhilfen wie den Wahl-o-maten sowie ein Newsticker, zwischen dessen Meldungen jedoch mehrere Wochen Abstand liegen. Alles, was es zur Wahl zu wissen gibt, auf einer Seite (eine Navigationsleiste weist jedoch den Weg in die Tiefe der Seite), aber auch viel Text, viel zu scrollen.

„Linkbuilding ist lästig“

Trotz der „Textwüste“, den einfachen Strukturen hinter dem Projekt und obwohl Eva das Thema Suchmaschinenoptimierung nach eigener Darstellung weitgehend ignoriert, „funktioniert“ die Seite. Matthäus Michalik, Suchmaschinenexperte von der SEO- und Content-Marketing-Agentur Claneo, sagt: „Solche Seiten wird es immer wieder geben und das Rezept wird immer wieder funktionieren: eine Keyword-Domain zu einem bestimmten Event, früh anfangen und dann Stück für Stück auf einer einfachen WordPress-Seite Inhalte aufbauen. So baut man zum richtigen Zeitpunkt mit der Website gegenüber Google die notwendige ‚Domain Authority‘ auf.“ Ein ähnliches Konzept verfolgt Nils Römeling mit Seiten zu großen Fußball-Turnieren (wir berichteten).

Dass Eva mit Bundestagswahl-2021.de – er klärt im Footer und im Impressum darüber auf, dass es sich um keine offizielle Website, sondern um eine „in­offizielle, un­abhängige, gewerblich betriebene Seite“ handelt – mittlerweile mehr als 6.000 Backlinks ansammeln konnte, darunter u.a. von den Websites renommierter Medienhäuser oder Ortsverbänden von Parteien, dürfte den Google Rankings ebenfalls zuträglich gewesen sein, so Michalik. Nach eigener Darstellung hat Eva nie aktives Linkbuilding betrieben, also Links bei anderen Seiten angefragt oder sogar gekauft. „Das ist mir viel zu lästig“, so Eva.

Bis zu 20 Prozent mehr Traffic mit der neuen Seite?

In den Jahren vor dem unmittelbaren Wahlkampf ist die Konkurrenz für Wahlthemen gering. Aber kurz vor der Wahl nehme der Wettbewerb zu, weil ja auch die Berichterstattung der Medien nochmals zunimmt, so Eva. „Ich verliere jeden Tag bei einigen Keywords ein paar Rankings. Die Besucherzahlen steigen trotzdem, weil das Gesamtinteresse am Thema natürlich noch steigt.“ Der 39-Jährige räumt aber auch ein, dass es wohl fair und gerechtfertigt sei, wenn Seiten wie die des Bundeswahlleiters, der Bundeszentrale für politische Bildung oder von Wikipedia vor ihm auftauchen. „Die Seite des Bundeswahlleiters war vor vier Jahren noch eine Katastrophe, mittlerweile ist die viel besser und rankt auch höher.“

Trotzdem rechnet Eva damit, dass er mit Bundestagswahl-2021.de noch einmal zehn oder 20 Prozent mehr Aufrufe verzeichnet als mit seiner 2017er Seite. Das wären dann im Idealfall mehr als 15 Millionen. Wie viele es letztendlich genau werden, hängt auch davon ab, wie gut seine Seite im Zeitraum unmittelbar um die Wahl herum rankt. „Am Samstag, Sonntag und Montag passiert noch einmal richtig viel.“ Im Jahr 2017 habe er in der Zeit, als die ersten Hochrechnungen veröffentlicht wurden, viele Rankings an renommierte Medien verloren. „Da hängt dann alles von der Willkür Googles ab“, sagt Eva.

Die Traffic-Entwicklung von Bundestagswahl-2021.de (Screenshot zur Verfügung gestellt von Johannes Eva)

Bis zu 30.000 Euro Umsatz?

Diese Reichweite monetarisiert Eva mit Google Adsense-Anzeigen und der Google Marketing Plattform. „Ich schätze, dass die Seite über alle Jahre hinweg zwischen 20.000 und 30.000 Euro an Werbeeinnahmen eingebracht haben wird“, so Eva. Weil derzeit der Wettbewerb größer wird, rechnet er jedoch damit, dass die finale Summe sich eher am unteren Ende des Spektrums bewegen wird. „Davon muss ich dann Texte bezahlen und natürlich gehen noch Steuern ab. Klar, da bleibt schon noch was übrig, aber wenn man es auf dreieinhalb Jahre umrechnet, lohnt es sich eigentlich fast nicht.“

Dass bescheidene Aufwand-Nutzen-Verhältnis scheint ihn jedoch mit seinen Plänen für die Zukunft nicht auszubremsen. Nach der Wahl will er zunächst einmal die aktuelle Seite erneut mit der Seite Wahlen.info verschmelzen. „Vielleicht kann ich daraus ja eine Art Marke machen“. Trotzdem kauft er weiterhin passende Keyword-Domains ein: „Bis 2030 habe ich mir schon für alle Wahlen die relevanten Domains gesichert.“

PublishingSEO
Roland Eisenbrand
Autor*In
Roland Eisenbrand

Roland ist seit mehr als zehn Jahren als Journalist in der Digitalbranche aktiv. Seit 2014 verantwortet er als Head of Content (und zweiter Mitarbeiter) alle inhaltlichen Komponenten von OMR, darunter vor allem den OMR Blog und redaktionelle Arbeit rund um das OMR Festival.

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