Der Holle-Effekt: Dieser Youtuber kann einen Döner-Laden über Nacht erfolgreich machen

Torben Lux21.11.2023

Wie der Fast-Food-Tester mit seinen Deutschland-Rankings Hypes kreiert

Holger Schweitering aka Holle21614 hat sich vor allem mit seinem Döner-Ranking eine treue Community aufgebaut (Screenshot: Youtube, Holle21614).
Holger Schweitering aka Holle21614 hat sich vor allem mit seinem Döner-Ranking eine treue Community aufgebaut (Screenshot: Youtube, Holle21614).
Inhalt
  1. Dreizehn Mal mehr Aufrufe und der Startschuss als Food-Youtuber
  2. "Ich habe den besten Döner Deutschlands gefunden!"
  3. Der Holle-Effekt: Hype, Schlangen und viel Druck
  4. Inkognito ohne Soße
  5. Der Döner-Königs-Macher
  6. Guide Michelin für die Gen Z

Für die einen ist der Döner nur eines von vielen Fast-Food-Angeboten, das in Deutschland an jeder Straßenecke angeboten wird. Für die anderen, und dazu zählt auch Holger Schweitering aka Holle, ist das türkische Fleisch-Sandwich eine Delikatesse. Deshalb hat der aus Buxtehude stammende Youtuber auch das Döner-Ranking ins Leben gerufen. Damit begeistert er nicht nur seine über 300.000 Abonnent*innen – er entscheidet mit seinen Bewertungen auch über Erfolg und Misserfolg im Döner-Game. OMR hat mit Holle über seinen Einfluss und das Geschäftsmodell "Guide Michelin für die Gen Z" gesprochen.

Ein laut genuscheltes "Moin Ihr Lieben! Schön, dass Ihr am Start seid!", ein paar Verhaspler und Lacher, verschmitztes Grinsen und einige schnelle Schnitte – so beginnt fast jedes Video von Holger Schweitering. Auf 308.000 Abos kommt sein Youtube-Kanal "Holle21614" derzeit, die Zahlen-Kombination ist die Postleitzahl seiner Heimatstadt Buxtehude. "Wir haben eine Mission!", heißt es in der Beschreibung des Channels. "Wir suchen die besten Döner, Pizzen, Burger etc. ganz Deutschlands! Dafür fahre ich durch das ganze Land." Genau das ist sein Konzept: Er isst und bewertet Fast Food.

So richtig angefangen habe er damit, als der Rapper Xatar (hier im OMR Podcast zu Gast) aus seinem Köfte-Knast-Meme ("Haval, gib mir einfach nur einen Köfte-Spieß") ein Geschäftsmodell machte. Nach der öffentlichkeitswirksamen Eröffnung der ersten Haval-Grill-Filiale in Bonn im Sommer 2020 macht sich auch Holle auf den Weg, um die Hackfrikadellen des Hip-Hop-Unternehmers zu probieren. "Ich dachte, dass sich daraus bestimmt ein guter Vlog machen lässt", erinnert er sich im Gespräch mit OMR. Als er ankommt, habe er direkt die Aufmerksamkeits-Mechanismen erkannt. "Es wurden viele prominente Creator eingeladen – und natürlich fanden die Köfte alle super", so Holle. Die überwiegend positive Resonanz konnte er nicht wirklich teilen – im Gegenteil: "Ich fand die ziemlich bescheiden."

Dreizehn Mal mehr Aufrufe und der Startschuss als Food-Youtuber

Dank dieses Kontrasts zwischen öffentlicher Wahrnehmung und eigenem Geschmack macht es bei Holle Klick. "Es fehlte damals einfach noch ein Format mit neutralen Bewertungen auf Youtube", sagt er rückblickend. "Wo es nicht um Kollaborationen und Gefallen geht, sondern ohne Kompromisse um eine knallhart ehrliche Bewertung." Die Performance auf das Video zu seinem Köfte-Test scheint ihm Recht zu geben. Schon vorher hatte er auf dem Kanal Content hochgeladen; auf einem Baumstumpf sitzend erzählte er seine Lebensgeschichte. "Ein paar Storys von früher, als ich ein bisschen auf die schiefe Bahn geraten war. Das war mein Herzensprojekt", sagt Holle. Während die sehr persönlichen Clips, die heute nicht mehr online sind, im Schnitt auf 10.000 Aufrufe kommen, geht das Video zum Haval Grill schnell auf 130.000 Plays. Auch die anschließenden Tests einiger "Döner-Imbisse um die Ecke" landen bei Aufrufen um die 70.000. "Da dachte ich: Alles klar, die Leute feiern das. Das muss ich verfolgen."

In über 270 Videos mit insgesamt mehr als 50 Millionen Aufrufen hat Holle seitdem probiert, getestet und bewertet. Der echte Erfolg habe sich allerdings erst eingestellt, als er mit dem Döner-Ranking ein wiederkehrendes Format startet. "Da habe ich meine Community aufgefordert, mir Lokale zu schicken und gesagt, ich fahre dann dahin und teste die", sagt Holle. "Damit war ich auch der erste. Das hat für mich alles verändert."

"Ich habe den besten Döner Deutschlands gefunden!"

Sein Ranking, er bewertet von Anfang an auf einer Skala von eins bis zehn, verändert allerdings nicht nur viel für ihn – mehr Plays, mehr Abos, mehr Aufmerksamkeit – es verändert mitunter auch das Leben von Lokalbetreibern, manchmal auch über Nacht. Wenn Holle plötzlich im Lokal steht, werfen Gastronomen alles in die Wagschale. Logisch, sie wollen sich und ihren Döner von der besten Seite zeigen, mit Spieß, Brot und Sauce – wobei Holle diese meistens weglässt – überzeugen und, wenn alles glatt läuft, vom "Holle-Effekt" profitieren. Wie stark der sein kann, erleben Ende September dann auch die Betreiber von Ya Medina Döner in Offenbach.

Die ersten Sekunden zum Video des Tests sind dann fast schon emotional. "Ich bin schockiert und unter Schock gerade", sagt Holle in die Kamera zu melancholischer Musik im Hintergrund. "Nach über drei Jahren ist es soweit: Wir haben den besten Döner Deutschlands gefunden. Das ist ein Herzensmoment." Mit einer 9,3 auf der Holle-Skala landet das Sandwich aus Offenbach vorerst auf dem zweiten Platz; für Fast-Food-Spezi Holger Schweitering absolute Champions League. Trotz allem Stolz ist Geschäftsführer Yakup Ülker sichtlich enttäuscht: "Wir haben keine Werbung gemacht, du solltest nicht kommen. Ich habe schon Muffe vor dir gehabt, der soll nach ein oder zwei Monaten kommen." Champions League scheint für ihn nicht genug, sein Anspruch ist klar der erste Platz. Den bekommt er etwas später dann auch – mit allen Vor- und Nachteilen.

Der Holle-Effekt: Hype, Schlangen und viel Druck

Denn Holle will zum neuen Vize-Meister noch einen direkten Vergleich haben und testet am selben Tag den bisherigen Spitzenreiter: das Grill- und Kebap-Haus Ton Bul in Frankfurt am Main. Der Chef habe ihn herzlich begrüßt, er gehöre zur Familie. Mehrfach hatte Holle den Döner in der Vergangenheit getestet, immer konnte das Lokal sein Ranking halten. Nicht aber dieses Mal. "Das tut so hart weh. Vielleicht war es auch nur Pech, aber der Test ist der Test und die Bewertung steht fest", sagt Holle in der Sequenz. Er sei erschreckt, erschüttert und enttäuscht, Ton Bul schaffe es nicht mehr in sein Ranking. "Ich habe den Kollegen reich gemacht mit meinem Video und den Wellen, die das geschlagen hat. Und er hat dadurch auch irgendwo viel bei mir bewegt", so Holle weiter im Video.

Im Umkehrschluss bedeutet das auch: Der ehrgeizige Yakup Ülker und der Ya Medina Döner aus Offenbach übernehmen den ersten Platz. Das Ergebnis ist das besagte Video. Fast eine Millionen Mal wird das bis heute aufgerufen; auf der Seite des Imbisses ist es unter der Überschrift "Nr. 1 in Deutschland" eingebettet. In der Folge bilden sich lange Schlangen vor dem Lokal. "Nach meinen guten Bewertungen gab es plötzlich drei Stunden Wartezeit", erzählt Holle im Gespräch mit OMR. Die zeigt er dann auch in einem weiteren Video, das er einige Tage später hochlädt; inklusive Screenshots von Instagram-Nachrichten, die von der Wartezeit handeln. Die ist allerdings nicht der einzige Nachteil, den der plötzliche Ruhm mit sich bringt.

Inkognito ohne Soße

Wie immer landet enorm viel Feedback in den Social-Media-Postfächern von Holle. Sein hartes Urteil gegen Ton Bul sei nicht gerechtfertigt, der neue Spitzenreiter Ya Medina auf keinen Fall so stark, wie in seinem Test berichtet. "Mein Vater war Koch und hat mir viel beigebracht", erzählt Holle im Gespräch mit OMR. Eine Ausbildung zum Koch oder Ähnliches habe er zwar nicht. Aber: "Wenn es darum geht, Burger, Pizza oder Döner zu beurteilen, kann mir auch kein Koch etwas vormachen." Auf die Rufe seiner Community hört er trotzdem, macht einen seiner berühmten Undercover-Tests und – relativiert sein Urteil. Shooting-Star Ya Medina ist raus, Ton Bul, so etwas wie der FC Bayern München von Holles Döner-Ranking, wieder drin. Wenn auch nicht auf Platz 1.

Das, was beim Anschauen der Videos und Lesen der Kommentare in Sachen Dramatik entfernt an die Nominierungs-Runden im Dschungelcamp erinnert, scheint Holles Erfolgs-Rezept zu sein. Er ist immer emotional, seine Community scheint das zu lieben. "Ihr seid die Heftigsten, Ihr seid so sympathisch", sagt er im Video nach seinem Undercover-Test; gemeint ist das Team von Ya Medina. Freunde gebe es aber trotzdem keine, wenn es um die Bewertungen geht. Die dürfe es nicht geben. Holle konzentriere sich bei seinen Tests ausschließlich auf seine Ehrlichkeit, sagt er gegenüber OMR. "Währenddessen denke ich nicht daran, was welche Bewertung für Auswirkungen haben könnte. Oder was meine Zuschauer vielleicht hören wollen. Oder die Community des Ladens, den ich teste. Das blende ich alles aus."

Der Döner-Königs-Macher

Seine Glaubwürdigkeit ist Holles Markenkern, das weiß er. "Ich muss neutral bleiben, damit habe ich mir so viel aufgebaut und genau deshalb schauen die Leute meine Videos." Er weiß aber auch um seine Macht, wenn es darum geht, Gastronomen mit nur einem Video über Nacht etliche zahlende Kunden zu liefern. "Bei den Lokalen, die ich richtig gut bewertet habe, kann man im Schnitt schon so von einer anschließenden Vervierfachung des Umsatzes sprechen", verrät er. "Die müssen dann teilweise einen neuen Kühlanhänger holen, den Laden umbauen, mehr Spieße anbieten und so weiter. Das ist echt ein wahnsinniger Einfluss."

Über herkömmliche Marketing-Kanäle wäre das so vermutlich nicht möglich, ein Geschäft macht er für sich selber aber nur indirekt daraus. Zwar bekomme er hin und wieder Angebote, gegen entsprechende Bezahlung gute Bewertungen zu verteilen. "Weil die Leute natürlich sehen, was danach passieren kann", sagt er. Das sei für ihn aber ausgeschlossen. "Das würde meinen Kanal kaputt machen. Das wäre verdammt dämlich." Trotzdem ist der Kanal sein Beruf. Feste Werbepartner wie die Nahrungsergänzungsmittel-Marke Zec+ (Gründer Matthias Clemens war 2018 bereits im OMR Podcast zu Gast), kurzfristige Deals und die Einnahmen über Youtube Ads sorgen für sein Einkommen. Auch Projekte außerhalb von Youtube seien bereits geplant.

Guide Michelin für die Gen Z

Dass sich Food-Themen in den sozialen Medien und natürlich auch auf Youtube extremer Beliebtheit erfreuen, ist keine Neuigkeit. Und natürlich ist Holle national wie international längst nicht der einzige Creator, der sich auf Fast-Food-Content spezialisiert. Unzählige Kanäle zeigen, wie man kocht, backt, frittiert, brät und isst. Und viele Kanäle gehen ebenfalls zu aufstrebenden oder bereits gehypten Lokalen und verstärken so die Aufmerksamkeit. Goldies, die derzeit vielleicht angesagteste kleine Burger-Kette aus Berlin, ist so ein Beispiel. In Holles Burger Ranking belegt der Smashburger von Goldies den ersten Platz.

"Da waren sämtliche Youtuber, der Laden wurde enorm gepusht, unter anderem auch von Lukas Galgenmüller. Der hatte da deutlich mehr Einfluss. Insgesamt hat Goldies Influencern schon sehr viel zu verdanken", sagt Holle mit Blick auf den Food-Youtuber. Ganz ähnlich sei es bei Ferhat Döner in Wien, der für viele als Döner-Blaupause gilt. Trotzdem sieht Holle, der hin und wieder auch gemeinsame Videos mit Branchen-Größen wie Montana Black macht, seine Rolle anders. "Das soll nicht abgehoben klingen. Aber meine Tests haben häufig doch noch eine größere Bedeutung für Gastronomen, als die Videos anderer", erklärt er gegenüber OMR. "Weil ich heute das mache, was früher ein Restaurant-Kritiker in einer Zeitschrift gemacht hat. Und das machen andere so in der Art, bis auf ein paar Nachzügler, einfach nicht."

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Torben Lux
Autor*In
Torben Lux

Torben ist seit Juni 2014 Redakteur bei OMR. Er schreibt Artikel und Newsletter, plant das Bühnenprogramm des OMR Festivals, arbeitet an der "State of the German Internet"-Keynote, betreut den OMR Podcast und vieles mehr.

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