Get-Rich-Quick-Ideen: Wie Glücksritter mit AI-Tools reich werden wollen

Martin Gardt23.7.2024

Mit KI generierte Musik, Kunst, Produkte und Videos: Steckt hier wirklich viel Umsatz bei minimalem Einsatz?

Get-Rich-Quick-Ideen gibt es schon fast so lange wie das Internet. Und weil neue Trends immer erstmal einen Wilden Westen der Reichtums-Ideen erzeugen, tummeln sich derzeit unzählige Glücksritter rund um das Thema Künstliche Intelligenz. Wir zeigen, welche Ideen hier schlummern, um mit vermeintlich minimalem Aufwand ganz viel Geld zu verdienen.

Das Thema AI ist derzeit ein riesiger Hype. Firmen wie OpenAI (ChatGPT) oder Anthropic sind viele Milliarden US-Dollar wert. Richtige Umsatz-Höhenflüge gibt es aber auch bei den Top-Unternehmen in dem Bereich noch nicht und der großen AI-Usecase fehlt ebenfalls noch. Offenbar gibt es aber lukrative Strategien, um als Einzelunternehmer*in KI einzusetzen. Das versprechen zumindest unzählige Youtube-Creator.

Spotify mit KI-Musik fluten

Eine der beliebtesten Get-Rich-Quick-Ideen rund um AI im Netz? Get-Rich-Quick-Glücksritter erstellen mit Hilfe von KI-Musik-Startups wie Suno oder Udio unzählige Songs und laden diese bei Spotify und anderen Musikstreaming-Services hoch. Youtuber Eric Lamideas berichetet in seinem Video von knapp 35.000 Plays seiner mit KI erstellten Alben (einmal Dubstep, einmal Baby-Einschlaflieder) auf Spotify in den ersten 30 Tagen. Das bedeute eine Auszahlung von etwas mehr als 80 US-Dollar.

Das klingt im ersten Moment nicht viel, zeigt aber durchaus das Potenzial der Idee. Die Songs bleiben online, generieren passiv weiter Einkommen. Und es muss ja nicht bei zwei Alben bleiben. Die Erstellung eines Songs auf den KI-Plattformen dauert nur wenige Sekunden. Beide verlangen für einen Pro-Plan, der für die Flutung von Spotify Sinn macht, zehn US-Dollar pro Monat. Damit können Nutzende 500 Songs im Monat erstellen. Eric Lamideas verzeichnet in seinem 30-Tage-Experiment pro Song etwa 875 Plays pro Monat. Würde er 500 Songs pro Monat mit dieser Erfolgsquote hochladen, läge er bei über 430.000 Plays und mehr als 1.000 US-Dollar Umsatz.

Einzelne Coaches, die Kurse rund um KI oder einfach zum Thema Get-Rich-Quick verkaufen wollen, sprechen auf Youtube zum Teil von 25.000 US-Dollar Umsatz pro Monat. Es entstehen erste "Labels", die mehrere KI-Künstler*innen verwalten, Musik in unterschiedlichen Genres erstellen, bei Spotify & Co. unter deren Namen hochladen und dann 100 Prozent der Auszahlung einbehalten können. Das Geschäftsmodell scheint durchaus eine Zukunft zu haben.

Spotify-Gründer Daniel Ek sagte vor kurzem gegenüber der BBC, dass KI-Musik auf der Plattform nicht verboten werde. Nur das Imitieren echter Künstler*innen und deren Stimmen sei nicht okay. Die Musikindustrie sieht das ganze Thema naturgemäß anders. Jeder Spotify-Dollar, der an KI-Glücksritter geht, landet nicht in den Taschen der großen Labels. Deshalb hat der Branchenverband RIAA jetzt die KI-Musik-Tools Suno und Udio in den USA verklagt. Während die Gerichte sich damit beschäftigen, sind die Programme aber weiter uneingeschränkt nutzbar.

Youtube-Kanäle mit KI-Content

Die zweite offenbar erfolgreiche KI-Glücksritter-Strategie: ganze Youtube-Kanäle nur mit KI-Content bespielen. Wie das funktioniert, lässt sich konkret an einem Beispiel zeigen: Der Kanal "Daily Facts Worth" hat über 430.000 Abonnent*innen und legt jeden Monat laut der Analyse-Plattform Socialblade im Durchschnitt etwa 9.000 obendrauf. Jeden Monat verzeichnet der Kanal um die fünf bis neun Millionen Views – in der Spitze auch mal fast 20 Millionen. Wie das geht? Der Macher oder die Macherin von Daily Facts Worth haut mit Hilfe von KI täglich mehrer Youtube Shorts raus. Insgesamt sind so seit Oktober 2021 über 5.000 Kurzvideos auf dem Kanal online gegangen.

Die sind qualitativ zwar nicht besonders stark, scheinen aber zumindest vom Youtube-Algorithmus immer wieder in die Feeds der Nutzenden gespült zu werden. Das liegt offenbar an der Aufbereitung der Shorts-Videos. Denn das typische Video bei Daily Facts Worth ist immer gleich aufgebaut: Im Hintergrund ein Schwenk über einen Strand bei Sonnenuntergang. Darüber gelegt als Überschrift "Deep Fact", "Psychology Fact" oder "Girls Fact" und darunter ein Satz wie "The best person in your life ist the one who..." nach wenigen Sekunden abgelöst durch: "Comes first in your mind after reading this sentence". Begleitet wird das Ganze von säuselnder romantischer Musik. Abgesehen vom nicht perfekten Englisch ist der Inhalt durchaus effektiv. Die Zuschauenden sollen das kurze Video mit ihrem Lieblingsmenschen teilen – und viele machen das auch.

Wie hier KI ins Spiel kommt? Vom Sonnenuntergang über die Beschriftung bis hin zu Videobeschreibung und Hashtags – alles hat KI erledigt. Mit ChatGPT lassen sich in kürzester Zeit Hunderte solcher "Facts" erstellen, mit dem Bilder-Tool Canva lassen sich dann KI-gestützt Templates bauen, die dann nur noch mit den Inhalten gefüllt werden müssen. In einem Video zeigt der Youtuber Jamil Verlji, wie er in unter 20 Minuten 1.000 solcher Shorts-Videos mit den beiden Tools erstellt. Laut Socialblade kann Daily Facts Worth über Youtube Ads bis zu 20.000 US-Dollar im Monat umsetzen – im Jahr seien 245.000 US-Dollar Erlös möglich.

Affiliate-Marketing auf Tiktok explodiert

Eine Strategie, die so derzeit (noch) nicht in Deutschland funktioniert, ist das Affiliate-Business auf Tiktok – natürlich KI-gestützt. Hierzulande ist das noch nicht möglich, weil die Strategie auf Tiktok Shop aufbaut. Die Einführung der Funktion hat Tiktok vor Kurzem aber erst auf unbestimmte Zeit verschoben. In den USA können Nutzende bereits direkt in der App Produkte kaufen – auch das Fullfilment erledigt Tiktok selbst. Was zeitgleich eingeführt wurde, sind Affiliate-Links auf Produkte, die über Tiktok Shop angeboten werden und deren Hersteller das Affiliate-Programm nutzen. Jeder kann also Werbung für Produkte machen und bei erfolgreichem Verkauf ausgehend vom eigenen Account Affiliate-Provision einsacken.

Und genau diese Funktion nutzen KI-Glücksritter jetzt für sich. Accounts wie Stellar Health erstellen mit KI-Unterstützung unzählige Videos und bewerben darin z.B. Nahrungsergänzungsmittel, die zum Teil 25 Prozent Provision zahlen. Laut dem Analyse-Tool Kalodata hat Stellar Health für das Produkt Clean Nutra über 5.600 Produktverkäufe und 332.000 US-Dollar Umsatz ausgelöst. Das macht eine Provision von über 83.000 US-Dollar.

All das schafft der Account Stellar Health mit ziemlich verrückten KI-Videos, die zum Teil auf Tiktok viral gehen. Die Skripte, die Bilder, das gesprochene Word – alles in den Tiktok-Videos des Kanals ist mit KI erstellt. Auch hier kommt zum großen Teil ChatGPT zum Einsatz, um Skripte rund um die Inhaltsstoffe des Produkts zu erstellen und die typischen KI-Bilder zu generieren. Über ein Tool wie Elevenlabs wird das Skript dann mit einer AI-Stimme vertont. Bilder, Ton, Untertitel lassen sich dann einfach zusammenschneiden und schon steht das Tiktok-Affiliate-Video im KI-Look. Allein dieses Video von Stellar Health hat so über zwölf Millionen Views bei Tiktok gesammelt – und offenbar Tausende Produktverkäufe generiert.

KI-Kunst auf Etsy verschleudern

Was die bisherigen Beispiele zeigen: Dort, wo sich schon länger Glücksritter tummenln – auf Youtube, auf Tiktok, auf Spotify – da machen sie jetzt einfach mit KI-Unterstützung weiter. Und so ist es auch bei der Etsy-Strategie. Schon länger nutzen Dropshipper (hier erklärt) die Plattform, um günstige Produkte aus Asien als DIY-Ware umdeklariert und mit ordentlichem Aufschlag zu verkaufen. Im KI-Zeitalter verkaufen einige Etsy-Händler*innen jetzt mit noch weniger Aufwand ihre Produkte. Sie bieten einfach nur digitale Bilder an. Denn bei Etsy lassen sich auch Prints zum Download verkaufen, die Nutzende selbst ausdrucken müssen.

Auf der einen Seite erstellen Verkäufer*innen größere Kunst-Prints mit KI-Bildersoftware wie Kittl oder auch ChatGPT und verkaufen sie als selbst ausdruckbare Wandbilder für fünf bis zehn US-Dollar. Accounts wie ThatHipPrint, OliveandOakPrints oder NorthPrints haben so in kurzer Zeit Zehntausende und zum Teil Hunderttausende Verkäufe generiert. Ob sie für die Erstellung ihrer Prints KI einsetzen, ist nicht bewiesen – sie werden von KI-Glücksrittern aber immer wieder als erfolgreiche Beispiele für die Strategie genannt. Denn ohne das Versenden von physischen Produkten bleibt ein Großteil des Umsatzes als Gewinn im Unternehmen. NorthPrints macht wohl einen monatlichen Umsatz von über 66.000 US-Dollar nur auf Etsy.

Diesen Erfolg will die Get-Rich-Quick-Meute jetzt mit eigenen KI-generierten Wandbildern oder auch einfachen Cliparts etwa für Weihnachtskarten zum Selbstausdrucken nachbauen. Youtuber und Dropshipper Patryk Marketer berichtet von der Strategie, auf Etsy viele kleinere Bilder-Sammlungen mit zehn Motiven als Traffic-Hebel zu bauen und diese dann mit großen Bildersammlungen aus Hunderten Motiven für zehn bis zwanzig US-Dollar zu monetarisieren. In seinem Beispiel bringt eine größere Bildersammlung vom Account CitraGraphics monatlich knapp 16.000 US-Dollar Umsatz. Der Youtuber selbst zeigt in diesem Video, wie er mit mehreren Accounts durch den Verkauf von AI-Grafiken jeweils mehrere Tausend US-Dollar im Monat verdient.

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MG
Autor*In
Martin Gardt

Martin kümmert sich vor allem um neue Artikel für OMR.com und den Social-Media-Auftritt. Nach dem Studium der Kommunikations- und Medienwissenschaft ging er zur Axel Springer Akademie, der Journalistenschule des Axel Springer Verlags. Danach arbeitete er bei der COMPUTER BILD mit Fokus auf News aus der digitalen Welt und Start-ups. Am Wochenende findet Ihr ihn auf der Gegengerade im Millerntor.

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