Größer als Amazon in der Schweiz: Wie Galaxus in Deutschland Milliarden-Umsätze anpeilt

Martin Gardt2.3.2021

Mit einer aggressiven Content-Strategie will das Schweizer E-Commerce-Unternehmen jetzt auch die deutsche Käuferschaft gewinnen

Die Galaxus-Story
Inhalt
  1. Das Schweizer Playbook
  2. Gibt es einen Weg am Preiskampf vorbei?
  3. Lässt sich um die Themen eine Community bauen?
  4. Marktplatz-Business auch in Deutschland
  5. Ist die Milliarde drin?

1,8 Milliarden Schweizer Franken: So viel Umsatz macht die Digitec Galaxus AG in ihrer Schweizer Heimat. Damit ist der Online-Händler dort umsatzstärker als Amazon. Der deutsche Ableger ist seit 2018 hierzulande am Start und hat sich ebenfalls einen Milliarden-Umsatz als Ziel gesetzt. Wir haben mit dem Deutschland-Geschäftsführer darüber gesprochen, wie Galaxus das Fachhandelsgefühl in die digitale Welt übertragen will, warum das Unternehmen sich eine 20-köpfige Redaktion leistet und wie das Marktplatz-Business beim Wachstum helfen soll.

Auf den ersten Blick ist Galaxus ein typischer Online-Shop – offenbar mit Fokus auf Elektronik. Hier gibt’s Monitore, Smartphones, PC-Gehäuse, Games. Spannend wird es vor allem bei einem Blick auf die Herkunft des Shops. In der Schweiz ist das Mutterunternehmen ein riesiger Player mit Milliarden-Umsatz. „Wir wollen das Playbook, unser Schweizer Modell, auf weitere Märkte ausrollen“, erklärt Frank Hasselmann gegenüber OMR. Er führt das Deutschland-Geschäft von Galaxus und sagt über das angesprochene Playbook: „Der erste wichtige Punkt ist Kompetenz. Der zweite sind echte Menschen im echten Leben und der dritte ist Fairness.“

Das Schweizer Playbook

Frank Hasselmann von Galaxus

Frank Hasselmann, Geschäftsführer Galaxus Deutschland

In der Schweiz ist Galaxus als Digitec Galaxus AG bekannt und betreibt dort elf Filialen für Elektronik-Bedarf unter dem Namen Digitec. Auch online bietet der Unternehmensteil die Elektronik-Artikel an, Galaxus verkauft im Nachbarland in Sparten wie Haushalt, Wohnen, Spielwaren, Beauty, etc. Auf dem deutschen Markt ist das Unternehmen 2018 mit galaxus.de gestartet. Laut eigenen Angaben kommt der deutsche Ableger mittlerweile auf über eine Million User pro Monat. Mehr als 300.000 Kunden hätten bereits bestellt. „Alles, was wir uns für die Europa-Expansion vorgenommen haben, wurde bisher deutlich übertroffen“, sagt Deutschland-Chef Hasselmann.

Dass so viele Kundinnen und Kunden bei Galaxus landen, liege am angesprochenen Playbook: „Wir wollen die Kunden viel früher abholen und über Beratung dabei helfen, das richtige Produkt zu finden. Wir übertragen den stationären Fachhandel auf das Online-Geschäft“, so Hasselmann. Ein Beratungsprodukt von Galaxus ist etwa die Kaufberatung, bei der ein Mitarbeitender erklärt, worauf es bei einer bestimmten Produktkategorie ankommt – zum Teil mit passendem Youtube-Video. „Eine wichtige Komponente ist unsere unabhängige Redaktion“, erklärt Frank Hasselmann. Wir haben über 20 Technik- und Lifestyle-Journalisten fest angestellt. Die testen Produkte und schreiben Reviews ohne Rücksicht auf Umsatzeinbußen.“ In Zukunft werde das Unternehmen vor allem in Deutschland noch stärker in Content investieren und baue derzeit eine interne Videoproduktion auf.

Tatsächlich wird man auf der Startseite von Galaxus nicht von aktuellen Angeboten, sondern von Produkttests im Stile eines Technik-Blogs begrüßt. Über den Content sollen Nutzende organisch auf der Seite landen und dann bestenfalls die getesteten Produkte auch kaufen. Gleichzeitig soll ein Austausch zwischen Galaxus-Redakteuren und der Community entstehen. „Kundinnen und Kunden haben es bei uns mit echten Menschen zu tun und nicht mit einer voll automatisierten E-Commerce-Maschinerie“, so Hasselmann.

Der Online-Shop von Galaxus Deutschland

Im Galaxus-Shop stehen erst einmal Produkttests im Mittelpunkt

Gibt es einen Weg am Preiskampf vorbei?

Galaxus kann aber nicht nur darauf hoffen, mit ein paar Monitor-Tests so viele Menschen anzusprechen, dass jeden Monat Millionen aus freien Stücken auf die Seite kommen. Der Weg scheint nach außen hin aber zumindest der richtige zu sein. Nach Schätzungen des Analyse-Tools Similar Web landen knapp 60 Prozent der Galaxus-User derzeit direkt auf der Seite. Jeweils knapp zehn Prozent kommen über Referrals, Display Ads, organische sowie bezahlte Suche. Und bei den Referrals dominieren Preissuchmaschinen wie Idealo oder Geizhals – kein Wunder bei der umkämpften Elektronik-Kategorie.

Traffic-Quellen Galaxus

Die Traffic-Quellen von Galaxus Deutschland laut Similar Web

„Wir wollen nicht über den Preis wachsen. Aber der Preis darf auch kein Grund sein, warum jemand nicht zu Galaxus geht“, sagt Frank Hasselmann. „Preisvergleichsseiten und auch Google Shopping spielen für uns eine große Rolle. Der Traffic-Anteil reduziert sich aber von Monat zu Monat, weil andere Kanäle, die früher im Einkaufsprozess unserer Kunden ansetzen, immer stärker werden.“ Damit sei das Ziel ganz gut formuliert: Langfristige Beziehungen aufbauen, statt in eine Preisschlacht zu gehen. „Faires Angebot heißt bei uns, dass wir keine Produktplatzierungen oder Banner im Shop haben. Wir wollen Produkte nach vorn stellen, die relevant sind und durchgängig gute Preise statt Lockangebote bieten.“

Lässt sich um die Themen eine Community bauen?

Im Zeichen des Markenaufbaus steht auch die Social-Präsenz von Galaxus. „Wir bewerben unseren Content über Social: Facebook, Instagram, Twitter, LinkedIn. Das konvertiert vielleicht nicht so stark wie im Performance Marketing. Wir sehen das aber als Möglichkeit, die Marke Galaxus aufzubauen“, so der Deutschland-Chef. Weder der schweizer noch der deutsche Instagram-Kanal können aber bisher viele Follower vorweisen. Auf Facebook hat der deutsche Ableger zwar über 46.000 Fans, die Beiträge sammeln aber meist keine Likes und Kommentare, was auf keine aktive Community auf der Plattform schließen lässt. Als Online-Shop, der Homeoffice-Equipment verkauft, ist es offenbar nicht so einfach, echtes Engagement zu entfachen. 

Vielmehr scheinen Facebook und Instagram, wie von Hasselmann angesprochen, als Werbekanäle zu dienen. Laut Facebooks Werbebibliothek schaltet Galaxus derzeit sieben Werbeanzeigen auf Facebook, Instagram und im Facebook Messenger. Die zielen jeweils klar auf einen Produktkauf ab und zeigen einfach das beworbene Produkt vor weißem Hintergrund.

Tatsächlich ist Frank Hasselmann vor allem auf die Community auf der eigenen Seite stolz: „Wir haben eine starke Technik-Community mit vielen Fans in der Schweiz, die sich auf Augenhöhe mit den Mitarbeitenden von Galaxus und Digitec sehen.“ Da finden sich unter einem aktuellen Monitor-Test auch mal über 50 Kommentare unter dem Artikel. In der Schweiz sei die Community bereits so stark, dass Kundinnen und Kunden vor allem organisch auf die Seite kämen. Ob es Galaxus gelingt, die Kunden des deutschen Ablegers ähnlich stark zu aktivieren, bleibt abzuwarten.

Marktplatz-Business auch in Deutschland

Wie so viele große Handelsplattformen (Otto, Zalando & Co.) kommt auch Galaxus nicht am Marktplatz-Geschäft vorbei. „Wir sind in der Schweiz sehr lange ohne den Marktplatz groß geworden. Die eigene Supply-Chain unter Kontrolle zu haben, hat ja auch seine Vorteile. Das ist auch ein Stück weit unser Erfolgsrezept“, sagt Frank Hasselmann zwar. „Um in der Breite den Longtail der Produkte abdecken zu können, brauchen wir aber den Marktplatz. Als ergänzendes Element ist das wichtig, um einzelne Produktnischen effektiv abdecken zu können.“ Zumindest im Heimatmarkt können Dritthändler ihre Produkte bei Galaxus listen. Auf der deutschen Seite wird auch schon um „Lieferanten“ geworben

„In naher Zukunft wollen wir die ersten deutschen Händler auch hier mit auf die Plattform nehmen. Deren Vorteil: Sie können ihre Produkte dann auch direkt mit in der Schweiz anbieten“, erklärt Hasselmann. Wie Amazon auch, bietet Galaxus die Möglichkeit, dass Partner ihre Ware an das Lager des Unternehmens schicken, von wo aus es dann an die Kaufenden geht. Die zweite Variante ist eine Direktsendung aus dem eigenen Lager. Ob deutsche Händler auf dem Marktplatz mitspielen wollen, wird sich jetzt zeigen müssen. Die eigene Brand dürfen sie dabei nicht im Kopf haben, für Kundinnen und Kunden soll nicht sichtbar sein, dass Ware von einem Dritten bei ihnen ankommt. 

Ist die Milliarde drin?

„Unser ursprüngliches Ziel war es, zu den Top-5 E-Commerce-Playern auf dem deutschen Markt zu gehören. Das wäre mehr als eine Milliarde Euro Umsatz. Und an diesem Ziel halten wir auch weiter fest“, so Frank Hasselmann. Aktuell listet das Unternehmen in Deutschland nach eigenen Angaben über 500.000 Produkte und sei auch aufgrund des Digitec-Einflusses aus dem Heimatmarkt im Elektronikbereich am stärksten. Beim weiteren Wachstum soll jetzt die Einführung weiterer Kategorien wie Sport und alles rund ums Kind helfen. 

Am Ende wird entscheidend sein, wie gut Galaxus seine zwei großen Trümpfe Content Marketing mit der Test-Redaktion und Community auf der eigenen Webseite ausspielt. Wir hatten in der OMR Keynote 2020 unter anderem die immer wichtigere Rolle von Bewertungen betont. Nischenplayer wie das Musikhaus Thomann schaffen es, durch eine Community voller Experten, viele ausführliche Reviews im eigenen Shop zu generieren. Das schafft Vertrauen und organische Reichweite. Wer kurz vor einem Produktkauf steht, schaut vielleicht doch mal auf eine Bewertung bei Thomann und kauft dann das Produkt direkt dort. 

Galaxus.de Bewertungen

Bewertungen unter einem Produkt auf galaxus.de

Galaxus hat durch die aktive Community selbst unter Joysticks oder Druckern über 40 zum Teil extrem ausführliche Bewertungen generiert. Vielleicht ist es so möglich, die große Konkurrenz in Deutschland zumindest ein wenig zu ärgern.

Community BuildingE-CommerceOnline-Shop
MG
Autor*In
Martin Gardt

Martin kümmert sich vor allem um neue Artikel für OMR.com und den Social-Media-Auftritt. Nach dem Studium der Kommunikations- und Medienwissenschaft ging er zur Axel Springer Akademie, der Journalistenschule des Axel Springer Verlags. Danach arbeitete er bei der COMPUTER BILD mit Fokus auf News aus der digitalen Welt und Start-ups. Am Wochenende findet Ihr ihn auf der Gegengerade im Millerntor.

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