Zugverkehr, Indien, USA: Wo Flixbus die größten Wachstumschancen sieht
Im OMR Podcast spricht Co-Gründer Jochen Engert über den Weg von Flix von der fixen Idee zum globalen Milliarden-Business. Und über die Visionen für die Zukunft.
Ein Halbsatz im Koalitionsvertrag der schwarz-gelben Bundesregierung bringt Jochen Engert, Daniel Krauss und André Schwämmlein 2009 auf eine Idee, mit der sie heute über zwei Milliarden Euro Jahresumsatz erwirtschaften: die Gründung von Flix. Im OMR Podcast verrät Jochen Engert, wo er die größten Wachstumpotenziale für das Unternehmen sieht, welche Rolle die Flixtrain-Sparte dabei spielt und wie er auf die politische Situation in den USA blickt.
Springen oder nicht? Mit dieser Frage beginnt die Flixbus-Geschichte vor rund 15 Jahren. Denn anfangs muss das spätere Gründer-Trio für seine Idee einiges einstecken. Alle, denen sie davon erzählten, hätten sie für verrückt erklärt, erinnert sich Jochen Engert – Familie, Freunde, Partnerinnen inklusive. Doch im damaligen Koalitionsvertrag wird die Liberalisierung des Fernbusmarktes in Aussicht gestellt. Und ihre Euphorie, das Fernreisen-Business mit Technologie und Marketing zu revolutionieren, ist noch größer als die Skepsis ihrer Mitmenschen. "Für uns war es so: Wenn wir das jetzt nicht machen, jemand anderes macht es und es funktioniert, werden wir uns den Rest unseres Lebens ärgern. Und dann hab ich gesagt: Komm, was soll's? Lass springen."
Innerhalb weniger Jahre entwickelt sich Flixbus zum größten Fernbusanbieter Europas und darüber hinaus: Mit der Expansion in die USA geht Flix 2018 eine spannende Wette ein und kauft während der Pandemie sogar das auf dem amerikanischen Markt ikonische, aber schwer in die Jahre gekommene Fernbus-Unternehmen Greyhound Lines. Inzwischen haben sich die USA zum größten Markt entwickelt. Jochen Engert verfolgt die politische Lage in den Vereinigten Staaten daher besonders aufmerksam. Er schaue mit sehr viel Sorge auf das, was mit der US-Demokratie passiere, sagt er. Auf der Geschäftsseite hingegen macht er sich weniger Sorgen: "Wir sind ja eher antizyklisch, was Rezessionssituationen angeht. Wenn sich die Leute Gedanken machen und das Gefühl haben, sie können oder wollen sich das Auto oder Flugticket gerade nicht leisten, fahren sie lieber mit einem günstigeren Busticket."
Grüne Flixbusse fahren auch durch Indien
Insgesamt gibt es die grünen Flixbusse mittlerweile in 45 Ländern. Aus dem Münchner Startup ist ein globales Business mit rund 5.500 Mitarbeitenden geworden, das Jahresumsätze von "gut nördlich der zwei Milliarden" macht, wie Engert es formuliert, und 80 bis 90 Millionen Passagiere pro Jahr von A nach B befördert. Vor rund einem Jahr sind die ersten Flixbusse auch in Indien gestartet. Indien sei ein Markt, den man schon lange auf der Agenda gehabt habe, sagt Engert, der 2022 vom operativen C-Level bei Flix ins Board gewechselt ist. "Weil es ein riesiger Markt ist, wahnsinnig viel dort passiert und eigentlich das Fernverkehrssystem massiv an Kapazität mangelt." Bei seinem letzten Besuch vor Ort habe ihn vor allem die Mentalität der Menschen fasziniert. "Das ist diese Energie des Landes: Alle wollen was bewegen. Alle wollen was bauen. Das ist ein fantastisches Gefühl dort. Und auch, muss man ja leider sagen, sehr anders, als in Deutschland und Europa gerade die Stimmung ist."
Doch auch der deutsche Kernmarkt hat für das Unternehmen nicht an Bedeutung verloren. Hier wird mit Flixtrain eine Sparte erprobt, für die das Gründer-Trio große Visionen hat. Aktuell machten Zugreisen zwar nur einen einstelligen Prozentsatz des Umsatzes aus, sagt Jochen Engert. Doch die Zug-Sparte sei "ein sehr, sehr langfristiges Wachstumsthema". Sie soll über die nächsten Jahre bis Jahrzehnte kontinuierlich ausgebaut werden. Das Potenzial in diesem Bereich sei riesig: "Der Zugmarkt in Europa ist Faktor 10 vom Busmarkt."
Wie Low-Budget-Airlines, nur für den Zugverkehr?
Bislang liegt der Fokus dabei allein auf Deutschland, perspektivisch hält Engert es für möglich, einen "pan-europäischen privaten Schienenspieler" zu bauen, wie das vor vielen Jahren die Low-Cost-Airlines neben den klassischen Flagship-Fluggesellschaften gemacht hätten. "Wir sind, aus meiner Sicht, die einzige Plattform, die das wirklich könnte, weil wir in jedem Markt groß genug sind, schon was Marketing, Bekanntheit, Vertriebsreichweite und Co. angeht."
Im OMR Podcast verrät Jochen Engert außerdem, was er von der neuen Bundesregierung erwartet, was für ihn bei Investment-Entscheidungen die größte Rolle spielt und wann mit dem Einsatz von autonom fahrenden Fernbussen zu rechnen ist.