Der erste Exit einer deutschen Amazon-Agentur: Zahlt Dept achtstellig für factor-a?
Der nächste Coup der E-Commerce-Clique rund um Alexander Graf und Nils Seebach
- Gesamtvolumen von 14 Millionen Euro?
- Mehr als 100 Marken auf der Kundenliste
- Rasantes Wachstum innerhalb von nur zwei Jahren
- WPP-Übernahme hat die Marktentwicklung angefeuert
- Private-Equity-Kapital eröffnet neue Möglichkeiten
- Gelingt jetzt weiteren Amazon-Agenturen der Exit?
Das niederländische Agenturnetzwerk Dept kauft die deutsche Amazon-Agentur factor-a, offenbar zu einer achtstelligen Bewertung. Die Kölner Agentur war zuvor innerhalb von nur zweieinhalb Jahren auf knapp 100 Mitarbeiter angewachsen. OMR hat mit factor-a-Geschäftsführer und -Mitinhaber Marc Aufzug über den Deal gesprochen, hat sich in der Branche über den möglichen Verkaufspreis umgehört und ordnet die Übernahme in die Entwicklung des Gesamtmarktes ein.
„Das Unternehmen selbst wird aktuell achtstellig bewertet am Markt“, heißt es über factor-a in der Pressemitteilung zum Deal. Genauer wird es nicht, denn: „Über die genaue Höhe der Transaktion haben beide Parteien Stillschweigen vereinbart.“ Im Gespräch mit OMR wollte sich factor-a-Geschäftsführer Marc Aufzug dementsprechend weder zu Verkaufspreisen noch zu Umsatz- und Ergebniszahlen äußern.
Gesamtvolumen von 14 Millionen Euro?
OMR hat sich deswegen in der Branche umgehört: Unbestätigten Gerüchten zufolge soll Dept factor-a auf Basis einer Bewertung von 14 Millionen Euro übernommen haben. Das entspreche angeblich einem äußerst beachtlichen 15-fachen EBIT-Multiple, da factor-a im vergangenen Geschäftsjahr 3,1 Millionen Euro Umsatz und weniger als eine Million Euro EBIT erwirtschaftet habe. Vermutlich ist der Kaufpreis nicht komplett in Cash geflossen: Wie es in der Pressemitteilung heißt, halten die beiden factor-a-Geschäftsführer Marc Aufzug (CEO) und Dominik Bors (CTO) nach der Übernahme nun auch Anteile an Dept; beide bleiben bei der Agentur vorerst an Bord.
Ein Blick in die letzte beim Handelsregister vom Zeitpunkt vor der Übernahme verfügbare Gesellschafterliste zeigt: Aufzug und Bors hielten vor dem Exit beide jeweils 12,5 Prozent der Anteile an factor-a. Drei weitere Gesellschafter hielten jeweils 25 Prozent: Markus Fost, Adrian Hotz sowie die von Alexander Graf, Tarek Müller und Nils Seebach gegründete Wald und Wiese Holding (ehemals eTribes Framework). Graf, Müller und Seebach hatten in Vergangenheit u.a. die E-Commerce-Agentur Netimpact gegründet und diese an die Otto Group verkauft. Netimpact bildete die Keimzelle für das spätere Projekt Collins, heute About You. Zuletzt hatten Graf & Co. für ihr Shop-System Spryker ein Investment von 22 Millionen US-Dollar eingesammelt.
Mehr als 100 Marken auf der Kundenliste
„Wir haben factor-a 2015 aus der Not heraus gegründet, weil wir so viele Anfragen bei eTribes zum Thema Beratung im operativen Amazon-Geschäft bekommen haben“, sagte Alexander Graf im Februar im OMR Podcast. „Nils Seebach und ich haben das dann ausgegründet und Markus Fost und Adrian Hotz als Partner dazu genommen. Die beiden und Nils und ich zusammen haben sicherlich die meisten Kontakte zu Herstellern in Deutschland, die genau diese Amazon-Herausforderung haben.“
„factor-a bietet Herstellern und Marken durch die Kombination aus intelligenter Software und Agenturleistung den entscheidenden Vorsprung für mehr Umsatz auf Amazon“, beschreibt die Agentur ihr Angebot auf ihrer Website. In der Pressemitteilung zur Übernahme heißt es, factor-a betreue mehr als 100 internationale Marken auf Amazon, darunter Montblanc, BIC sowie Fissler. Zudem verwalte die Agentur Europas größtes Budget für Amazon Marketing Services.
Rasantes Wachstum innerhalb von nur zwei Jahren
Die Agentur ist offenbar innerhalb der vergangenen zwei Jahre extrem schnell gewachsen: „Als ich mit Dominik Bors im April 2016 die Geschäftsführung übernommen habe, waren wir vier oder fünf Mitarbeiter. Heute, rund zwei Jahre später, sind es fast 100“, so Geschäftsführer Marc Aufzug im Gespräch mit OMR. Dabei seien knapp 30 Mitarbeiter für Produktdaten und Content verantwortlich. „Wir erstellen für unsere Kunden Content in nahezu allen europäischen Sprachen“, so Aufzug. Danach folge mit etwa 25 Prozent des Teams unser Consulting und Projektmanagement. Das Paid-Advertising-Team besteht mittlerweile aus 15 Leuten. „Daneben wichtig ist unser Entwicklerteam mit zehn Mitarbeitern.“ Der Rest verteile sich auf die Themen Sales sowie Unternehmensfunktionen wie Marketing, Design, Finanzen und HR.
Geld verdient die Agentur auf drei Arten: „Wir haben drei Erlössäulen“, so Aufzug. „Die erste besteht aus klassischen Agenturdienstleistungen: Content-Erstellung, Account Handling und Review Monitoring.“ Die Vergütung erfolge hier aufwandsbasiert abhängig von der Zahl der ASINs (Amazon Standard Identification Number; jedes Produkt auf Amazon trägt eine eigene Nummer). „Der zweite Bereich sind unsere Software-Lösungen factor-a suite und das Advertising-Tool amabid. Hier zahlen die Kunden wie im Software-as-a-Service-Bereich üblich eine monatliche Fee.“ Die dritte Säule bilde das Media-Geschäft: „Wenn wir für unsere Kunden über Amazon Marketing Services bei Amazon Werbung schalten, erhalten wir auf Basis der Höhe des Mediabudgets eine Provision.“
WPP-Übernahme hat die Marktentwicklung angefeuert
Im September 2016 hatten die factor-a-Macher ursprünglich ihr Portfolio um Dienstleistungen auf Ebay und chinesischen Marktplätzen erweitert und sich in „The Global Marketplace Group“ umbenannt. Doch offenbar sind die neuen Geschäftsbereiche bei Weitem nicht so schnell gewachsen wie jener von factor-a: „90 bis 95 Prozent unseres Geschäfts dreht sich um Amazon“, so Aufzug. „Wir haben festgestellt, dass da mehr Schwung im Markt ist als in den beiden anderen Bereichen. Deswegen haben wir uns erst einmal ganz darauf konzentriert, um uns nicht zu verzetteln.“
factor-a war mit Dienstleistungen rund um Amazon früh am Markt und ist gemeinsam mit dem Handelsgiganten gewachsen. Wegen der zunehmenden Wichtigkeit von Amazons Marktplatz im Verkauf an Endkunden haben sich in der Online-Marketing-Branche etwa im Jahr 2015 „Marktplatz-Optimierung“ und „Amazon SEO“ als eigene Disziplinen zu entwickeln begonnen („Nach SEO kommt MPO: Die Amazon-Trittbrettfahrer nehmen Fahrt auf“). Martin Sorrell, der mittlerweile ehemalige Chef von WPP, dem größten Agentur-Netzwerk Welt, hat sich in den vergangenen Jahren immer wieder über die steigende Relevanz Amazons und der davon ausgehenden Gefahr für die Agenturbranche geäußert. Im Mai 2017 hat eine WPP-Agentur die US-Amazon-Agentur Marketplace übernommen („WPP kauft eine Amazon-SEO-Agentur auf – Rollt die Welle jetzt erst so richtig los?“). „Das hat den Markt auf jeden Fall geöffnet“, bestätigte Aufzug gegenüber OMR.
Private-Equity-Kapital eröffnet neue Möglichkeiten
Nach Darstellung des factor-a-CEOs hätten „alle relevanten Agentur-Netzwerke“ Interesse an einer Übernahme von factor-a gezeigt. „Wir haben uns dann mit Dept nicht für den größten Player entschieden, sondern für den, den wir auch unternehmerisch am spannendsten fanden.“ Der Kontakt sei über die Berliner Performance-Marketing-Agentur Trust Agents zustande gekommen, die von Dept Anfang 2017 übernommen worden war. Marc Aufzug und die Trust-Agents-Gründer kennen sich aus gemeinsamen Rocket-Internet-Zeiten.
Dept ist von Paul Manuel, Gründer der niederländischen Digital-Agentur TamTam und ehemals Segelsportler bei den olympischen Spielen, gegründet worden. 2015 hat das belgische Private-Equity-Unternehmen Waterland in TamTam investiert, in Folge Dept als neue Dachmarke etabliert und weitere Agenturen aufgekauft. Nach eigener Darstellung erwirtschaftet Dept mit Hauptsitz in Amsterdam heute einen Umsatz von 100 Millionen Euro, beschäftigt 900 Mitarbeiter und ist in zehn europäischen Ländern und in den USA aktiv.
Gelingt jetzt weiteren Amazon-Agenturen der Exit?
In Deutschland hatte Dept außer den Trust Agents in diesem Februar außerdem die Hamburger E-Commerce-Agentur superreal übernommen, die für Marken wie Tom Tailor und Marc O’Polo Online-Shops erstellt. Gemeinsam mit superReal und anderen Partnern soll factor-a unter dem Dach von Dept künftig „eine internationale Achse für Plattformhandel und -werbung, die herausragt“, bilden. Gleichzeitig mit factor-a übernimmt Dept auch die Schweizer Online-Marketing-Agentur yourposition.
Zu beobachten wird sein, ob nach der Übernahme von factor-a weitere deutsche Amazon-Agenturen den Besitzer wechseln. Innerhalb der vergangenen zwei Jahre ist hier ein lukrativer, immer noch wachsender Markt entstanden, wie mehrere immer länger werdende Dienstleister-Listen im Netz zeigen. Mehrere davon sitzen in Hamburg: finc3 mit aktuell nach eigenen Angaben knapp 50 Mitarbeitern, ameo mit nach eigenen Angaben 20 Mitarbeitern sowie PrimeUp vom Branchen-bekannten Unternehmer Jens Jokschat. Gleichzeitig haben einige der traditionellen Performance-Agenturen ihr Portfolio um Amazon-Dienstleistungen erweitert, wie die zu Publicis gehörenden Performics-Gruppe mit der Unit Amazics sowie die zu Ad Pepper gehörenden schwäbische Agentur Ad Agents.
Disclosure: OMR-Gründer Philipp Westermeyer ist Beiratsmitglied von finc3.