Immer mehr Empfehlungen im Feed: Kommt jetzt das Comeback des Facebook-Traffics?

Publisher können wegen der vorgeschlagenen Posts auf neue Viral-Erfolge hoffen

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Auf etwa 30 Prozent will Facebook den Anteil der empfohlenen Inhalte (also von Accounts, denen man nicht folgt) im Newsfeed bis Ende kommenden Jahres ausbauen. In den vergangenen Jahren hatte die Relevanz von Facebook als (organischem) Traffic-Kanal für viele Publisher langsam, aber stetig abgenommen. Birgt nun die Umstellung des Feeds auf Empfehlungen neue Chancen? OMR-Chefredakteur Roland Eisenbrand hat seinen eigenen Feed analysiert, zeigt ein Beispiel eines viralen OMR-Posts und sich unter anderen Publishern umgehört.

„Besteht Euer Facebook-Feed auch aus  einem bis zwei Posts von Freunden und dann kommen nur ‚Vorschläge für Dich‘-Posts?“, fragt ein Twitter-Nutzer verwundert Anfang Juli. Er ist nicht der Einzige, der diese Beobachtung anstellt. Diverse Tweets zeigen, dass viele Facebook-Nutzer:innen gerade feststellen, dass immer mehr Empfehlungen in ihrem Feed ausgespielt werden.

„Wollen die Empfehlungen verdoppeln“

„Eine der wichtigsten Veränderungen in unserem Geschäft besteht darin, dass soziale Feeds nicht mehr in erster Linie von den Personen und Accounts, denen man folgt, angetrieben sind, sondern zunehmend auch von KI, die Inhalte empfiehlt, die man auf Facebook oder Instagram interessant findet, selbst wenn man diesen Creatorn nicht folgt“, hatte Meta-Gründer Mark Zuckerberg im Juli im Rahmen des jüngsten Earnings Calls des Konzerns (und später in einem eigenen Post auf Facebook) erklärt.

Inhalte von Freunden und Bekannten blieben weiter eine wichtige Komponente, aber algorithmische Empfehlungen würden eine immer stärkere Rolle in den Feeds einnehmen, so Zuckerberg weiter. „Im Moment werden etwa 15 Prozent des Facebook-Feeds und etwas mehr des Instagram-Feeds einer Person durch unsere künstliche Intelligenz empfohlen und kommen dadurch von Menschen, Gruppen und Accounts, denen man nicht folgt. Wir rechnen damit, dass sich dieser Anteil bis Ende des kommenden Jahres verdoppelt.“

Bild- und Video-Posts dominieren

Ich habe in den vergangenen Wochen meinen Facebook-Feed beobachtet und festgestellt, dass auch ich immer mehr Empfehlungen ausgespielt bekomme. Häufig handelt es sich dabei um Posts von englischsprachigen Seiten, die augenscheinlich nicht von professionellen Medienmacher:innen betrieben werden: Meme-Seiten, die einfach Screenshots von lustigen oder „nachdenklichen“ Tweets recyclen, Fanseiten für Star Wars, für bestimmte Musikrichtungen und andere popkulturelle Phänomene. Einige der Posts drehen sich um aktuelle, aufmerksamkeitsstarke Ereignisse, wie das Tribute-Konzert für Taylor Hawkins, den verstorbenen Schlagzeuger der Rockband Foo Fighters.

Beispiele von Posts, die mir in meinem Facebook-Feed empfohlen worden sind

Jackass-Witze, Star Wars und Foo Fighters: An den Themen der empfohlenen Posts in meinem Facebook-Feed kann man mein Alter relativ gut ablesen…

Beachtlich ist das Engagement der Posts: Einige von ihnen weisen eine vier- bis fünfstellige Anzahl an Likes und Kommentaren auf. Ein Cartoon zum Thema Selbstwertgefühl, den die Seite „Nerdlerd“ gepostet hat, weist mehr als 50.000 Likes und andere Reaktionen, fast 48.000 Shares und knapp 3.000 Kommentare auf – obwohl der Seite nur etwas mehr als 13.000 Menschen folgen. Ein Screenshot eines Tweets zum Thema „persönliche Entwicklung“, den die angebliche Autorin „Jesica Nodarse“ gepostet hat, kommt gar auf 320.000 Reaktionen, 258.000 Shares und mehr als 4.000 Kommentare. Die Zahl der Impressions des Posts dürfte vermutlich im siebenstelligen Bereich liegen. „Jesica Nodarse“ folgen knapp 141.000face Menschen.

Ranker.com schmuggelt Links in die Caption

Ein Screenshot eines lustigen oder kuriosen Tweets, ein Verweis auf ein Listicle und fertig ist der Engagement-starke Post für Ranker.com

Ein Screenshot eines lustigen oder kuriosen Tweets, ein Verweis auf ein Listicle und fertig ist der Engagement-starke Post für Ranker.com

Bietet sich hier also eine Chance für mehr oder minder seriöse Publisher, wieder mehr Traffic über Facebook zu generieren? Auffällig ist, dass viele der empfohlenen Posts Fotos/Bilder oder Videos sind – Link-Posts werden offenbar seltener ausgespielt und weisen in der Regel auch nicht diese hohen Engagement-Zahlen auf. Über solche Content-Empfehlungen wirklich Besucher:innen auf die eigene Seite zu ziehen (wo sie dann auch besser monetarisierbar sind) ist also offensichtlich immer noch schwer.

Einem US-Publisher gelingt es jedoch offenbar, über einen Umweg zumindest eine hohe Sichtbarkeit zu generieren und trotzdem in seinen Posts Links zu platzieren. Die vor allen durch Listicles bekannte Seite „Ranker“ (hier unser Porträt aus dem Jahr 2017) betreibt auf Facebook mehrere Seiten zu popkulturellen Themen und anderen Nischen: „Weird History“ (neun Millionen Follower), „Watchworthy“ (hier geht es um Filme und Serien, sieben Millionen Follower), „Super News Horror“ (Horror & Filme, 4,6 Millionen Follower) und „Total Nerd“ (der Name ist selbst erklärend, 2,8 Millionen Follower) heißen einige der Seiten. Und deren Posts werden mir immer wieder in meinem Empfehlungen ausgespielt – zwar als Foto-Posts, aber in der Caption (Bildbeschreibung) findet sich häufig auch ein anklickbarer Link zu Ranker.com.

„Auch als kleine Seite noch Millionenreichweite generieren“

Wie viel Traffic-Potenzial Facebook immer noch bergen kann, haben wir mit OMR vor Kurzem selbst erleben können. Ein Post unserer Facebook-Seite zu einer Folge des OMR Podcasts mit dem erfolgreichen Gastronomen Herbert Seckler von der Sylter Sansibar ist von Facebooks Algorithmus offensichtlich vielen Menschen in ihrem Feed empfohlen worden. Das Ergebnis: knapp 700 Reaktionen, 175 Kommentare und 55 Shares. Fast 600.000 erreichte Personen weist Facebook für den Post auf. Die Zahl unserer Follower beträgt aktuell rund 89.000.

Fast 600.000 erreichte Menschen: Ein Beispiel für einen viralen Post der OMR-Seite auf Facebook

Fast 600.000 erreichte Menschen: Ein Beispiel für einen viralen Post der OMR-Seite auf Facebook

Mehrere von mir befragte Social-Media- und Audience-Management-Verantwortliche von großen deutschsprachigen und von Verlagen betriebenen General-Interest-Medien sehen bislang keinen Unterschied in der Entwicklung ihres Facebook-Traffics. Dass einzelne Posts „durch die Decke gehen“ sähen sie immer noch, das habe es aber auch vorher gegeben. Social-Media-Experte Jakob Strehlow, der seit vielen Jahren in Eigenregie und Kundenauftrag Facebook-Seiten betreibt, erklärt gegenüber OMR, er habe häufiger beobachten können, dass seine Posts in die Empfehlungen gelangt seien. „Den genauen Code dafür haben wir noch nicht geknackt. Es hilft aber in jedem Fall, wenn man früh Engagement auf die Posts bekommt, indem man sie in großen Gruppen teilt oder von befreundeten Seiten teilen lässt“, so Strehlow. „Das ist zwar nicht ganz dasselbe Game wie es beispielsweise noch 2015 war, aber trotzdem kann man es so auch als kleine Seiten noch schaffen, auf Facebook eine Millionenreichweite zu generieren.“

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Roland Eisenbrand
Autor*In
Roland Eisenbrand

Roland ist seit mehr als zehn Jahren als Journalist in der Digitalbranche aktiv. Seit 2014 verantwortet er als Head of Content (und zweiter Mitarbeiter) alle inhaltlichen Komponenten von OMR, darunter vor allem den OMR Blog und redaktionelle Arbeit rund um das OMR Festival.

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