- Das Prinzip der neuen Ebene
- Facebook Shops vs. andere Shopping-Feeds
- Facebook Shops vs. Amazon (Teil 1)
- Facebook Shops vs. Amazon (Teil 2)
- Facebook Shops vs. Andere Shopsysteme
- Facebook Shops vs. Google Ads und Amazon Advertising
- Fazit: Nicht DIE Zukunft, aber wohlmöglich ein Teil davon
Es war vergangene Woche die beherrschende News im E-Commerce: Facebook hat „Facebook Shops“ vorgestellt. Die neue Initiative, von der es bislang wenig mehr gibt als eine Pressemitteilung, ein Video und einige Bilder, wurde an vielen Stellen als DER neue Player im Online-Handel gesehen. Jan Bechler berät mit seiner Agentur Finc3 Commerce-Marken wie Unilever, Bahlsen und Bosch bei der Fragestellung, auf welchen E-Commerce-Plattformen sie aktiv werden sollen. Für OMR hat er einige Argumente für und gegen Facebook Shops gegeneinander abgewogen, um am Ende – wie in Mark Zuckerbergs erster App „Facemesh“ – das Urteil zu fällen: Hot or Not?
Vorab: Facebook Shops ist unbestreitbar eine deutliche Funktionserweiterung von Facebook beim Thema Shopping. Konnten bislang schon Privatanwender in der Haupt-App Facebook über den „Marktplatz“ Produkte verkaufen (ähnlich Ebay Kleinanzeigen) und Werbekunden bei Instagram „Shoppable Ads“ schalten (Produkte in Fotos so taggen, dass diese Tags direkt in den Onlineshop des Anbieters führen), baut Facebook nun ein komplettes Shop-Frontend – von der Auswahl der Produkte bis zum Checkout und Zahlung über Facebook.
Das Prinzip der neuen Ebene
Sich mit neuen Ebenen in bestehende Wertschöpfungsketten einzuklinken, ist ein Grundmuster in der Plattformökonomie. Einen ähnlichen Ansatz verfolgt Facebook auch mit Shops, das ja kein komplettes Shopsystem ist, sondern erstmal „nur“ ein etwas performanteres Frontend mit enger Anknüpfung an Facebooks Werbe-Ökosystem. Der Erfolg solcher Modelle hängt davon ab, wieviel Mehrwert sie Kunden bieten – klar. Flixbus und Airbnb haben sich zwischen Urlauber und Bus- oder Wohnungsanbieter eingeklinkt und so ein völlig neues Angebot geschaffen. Ganz so bahnbrechend ist Facebook Shops nicht.
Und dennoch hat es das Potenzial, die Position von Facebook im Kampf gegen Google, Amazon & Co. um die „Eyeballs“, die Aufmerksamkeit und das Zeitbudget der Nutzer, zu stärken. Und es kann, nachdem die letzten großen Innovationen von Facebook wie Workplace- oder Virtual-Reality-Angebote bisher nicht den Weg in den Massenmarkt gefunden haben, die benötigte neue Wachstums-Story für den Konzern aus Menlo Park sein. Aber wie kann sich das Angebot konkret gegen im E-Commerce-Markt behaupten?
Facebook Shops vs. andere Shopping-Feeds
Auch wenn es heute jede Menge Möglichkeiten gibt, mobil einzukaufen – wie Mobile Shopping tatsächlich zukünftig ablaufen wird, weiß niemand. Denn bislang sind die meisten Mobile-Shops im Grunde Desktop-Shops, die auf das kleine Display zugeschnitten wurden. Viele Experten, unter anderem E-Commerce-Ikone Jochen Krisch, sind der Meinung, dass in der mobilen Welt Feeds der Schlüssel zum Erfolg sein werden.
Denn die größten mobilen Erfolgsgeschichten (z.B. Instagram, Snapchat und TikTok) bauen auf Feeds auf. Facebook hat in seinen Apps bereits Feeds. Und das Unternehmen hat in der Haupt-App in den vergangenen Jahren schon bewiesen, dass es vom Freunde-Aktivitäten-Feed zum Nachrichten-Feed werden konnte. Gelingt so ein Wandel auch in Richtung Shopping, dann könnte diese Pressemitteilung der Start in eine neue Shopping-Welt sein.
Facebook Shops vs. Amazon (Teil 1)
Schaut man sich die mediale Berichterstattung zu Facebook Shops an, gab es in der Presse nur eine Frage: Wird Facebook mit „Shops“ Amazon vom Thron stoßen? Und diese Frage lässt sich in dieser Verallgemeinerung zweifelsfrei beantworten mit „Nein!“. Das aber liegt vor allem an Amazon. Wer glaubt, der Riese aus Seattle sei nur eine Webseite mit Produkten drauf, unterschätzt das Imperium von Jeff Bezos genauso wie es klassische Händler jahre- oder sogar jahrzehntelang getan haben. In Wirklichkeit ist Amazon viel mehr als ein Webshop-Front-End. Was Amazon krass macht, sind die Mega-Auswahl, die extreme Zuverlässigkeit sowie die perfekte Logistik – plus die Lockin-Effekte über Dienste wie Prime. Insbesondere bei der Logistik werden die vielen einzelnen Anbieter, die Facebook Shops potenziell nutzen, nicht mit Qualität und Geschwindigkeit von Amazon mithalten können.
Hinzu kommt: Nirgendwo erhalten Käufer eine größere Produktauswahl als bei Amazon. Schon heute finden Studien zufolge über 50 Prozent aller Produktsuchen nicht mehr auf Google oder Bing, sondern direkt in der Suchmaschine von Amazon statt. E-Commerce ist in großen Teilen durch spezifische Suche getrieben – hier aber wird die Facebook Shop-Welt mehr aus einem Flickenteppich einzelner Angebote mit eigenem Checkout bestehen. Über diese fragmentierte Landschaft von einzelnen Shops und Angeboten eine übergreifende Produktsuche zu legen, dürfte schwerlich gelingen. Für den großen, von der Suche getriebenen Anteil des E-Commerce wird Facebook Shops daher vermutlich wenig Relevanz bekommen.
Facebook Shops vs. Amazon (Teil 2)
So beeindruckend die Leistung von Amazon auch ist: Höre ich mir bei meinem letzten Argument selbst zu, kommen mir als Digitalisierungs-Aficionado schon Zweifel. Schließlich wissen wir doch, dass Disruptoren die Platzhirsche nur selten in deren Kernkompetenz angreifen. Stattdessen schauen sie, wo die „alten Unternehmen“ am meisten nerven – und finden hier eine bessere Lösung.
Und siehe da, bei Amazon hakt es gewaltig beim Thema Inspiration. Die Plattform ist hervorragend, um schnell das richtige Produkt zu finden und zu vergleichen. Sie ist aber nicht besonders sexy, um sich zu Trends, Modestilen oder Einrichtungswünschen inspirieren zu lassen. Und Facebook hat hier eine enorme Stärke – insbesondere mit Instagram. Feed-basiert stets die neuesten Produkte und Angebote von den Marken, denen User ohnehin schon folgen, zu sehen, ist wie der permanente Schaufensterbummel an meinen Lieblingsläden vorbei. Firmen wie About You haben das schon vor einigen Jahren erkannt und richten ihre Angebote ebenfalls konkret in diese Richtung aus. Und mit den angekündigten Formaten wie dem „Live Shopping“ wird Instagram fast zum Wettbewerber für das klassische Teleshopping. Insofern stößt Facebook Shops Amazon nicht vom Thron, aber es könnte ein gutes Stück vom „discovery-getriebenen“ E-Commerce-Markt erobern, das Amazon nicht adäquat bedient.
Facebook Shops vs. Andere Shopsysteme
Die größte Aufruhr dürfte der Launch von Facebook Shops vermutlich in den Markt für Shop-Systeme bringen, die sich an die von Zuckerberg beim Launch genannten kleinen Läden „um die Ecke“ richten. Hier kann Facebook Shops tatsächlich ein Kanal werden, der simple Shop-Lösungen mit einfachem Kundenzugang auch für kleine Anbieter zugänglich macht. In der Ankündigung von Shops heisst es, dass Facebook mit Partnern wie Shopify, Woocommerce & Co. zusammenarbeite.
Und tatsächlich ist die Anbindung von Facebook Shops an diese Tools vorgesehen. Händler wie die Mutter von Philipp Westermeyer mit ihrem Geschenkartikel-Laden Jam Pot könnten sich in Zukunft jedoch die Frage stellen, ob sie die Komplexität mehrere Kanäle tatsächlich managen können oder dann wohlmöglich nur auf einen Facebook Shop setzen. In so einer Situation könnte tatsächlich eine neue Wettbewerbssituation zwischen Facebook und den verschiedenen Shop-Baukästen entstehen.
Facebook Shops vs. Google Ads und Amazon Advertising
Mark Zuckerberg hat zum Launch von „Shops“ betont, dass das Angebot bis auf die Zahlungsabwicklung für Händler kostenlos sein soll. Für Facebook steckt das viel lukrativere Monetarisierungspotenzial auch nicht in Shop-Gebühren, sondern in der Veredelung seiner vermarktbaren Reichweite insgesamt.
Eine These, die man (auch von meinen Kollegen und mir) in den vergangenen Jahren immer wieder gehört hat, war, dass Amazon sich neben Google und Facebook zum dritten großen Werbe-Ökosystem entwickelt und dabei die wertvollsten Informationen über den User besitzt: Google weiß, was die Leute suchen. Facebook weiß, was ihnen gefällt. Aber Amazon weiß, wofür sie bereit sind, Geld auszugeben und was sie tatsächlich kaufen. Das ist die härteste Währung für das KPI-getriebene Online-Marketing. Und genau hier steckt der große Wert für Facebook. Mit der Einführung von „Facebook Shops“ besteht perspektivisch die Chance, Werbeangebote noch stärker auf den direkten Kauf auszurichten, ohne dass der User die Plattform verlassen muss. Facebook kann noch besser die Customer Journey bis zum erfolgreichen Kauf verfolgen und sammelt dabei die Daten, die dabei helfen, Werbeanzeigen noch zielgerichteter auszuspielen und entsprechend höher bepreisen zu können.
Fazit: Nicht DIE Zukunft, aber wohlmöglich ein Teil davon
Schaut man sich nun an, wie sich Facebook Shops beim OMR-Facemesh schlägt, entsteht ein gemischtes Bild. Will Facebook mit Shops ein wirkliches Shopping-Angebot werden, ist die entscheidende Frage, welche Rolle es zukünftig für die Kunden einnehmen wird. Auswahl und Preis bleibt bei Amazon, das habe ich schon erklärt. Ebenso, dass die Stärke von Facebook in der Inspiration liegt.
Was der Idee zusätzlich Rückenwind verleihen wird, ist der fundamentale Trend in Richtung Online-Handel. Kunden werden mehr online und vor allem mobile kaufen und Marken werden versuchen, in diesem Prozess die Abhängigkeit von Amazon nicht allzu sehr zu verstärken. Auf dem Weg in diese neue Shopping-Zeit wird Raum für neue Angebote entstehen, den Facebook Shops für sich nutzen kann. Es bietet die idealen Plattformen, um Influencer- oder Promiprodukte anzubieten – und auch Marken können hier eine neue, zusätzliche Arten der Ansprache entwickeln. Doch wie das Angebot für sie aussehen kann, ist noch gar nicht klar.
In der Ankündigung stellt Facebook sein neues Produkt vor allen Dingen als Angebot für kleine Unternehmen „von nebenan“ vor. So richtig spannend jedoch wird es für Facebook erst dann, wenn auch große Brands das Angebot nutzen und somit auf der Angebotsseite eine weitere Professionalisierung eintritt. Und große Marken wiederum werden sich sehr genau ansehen, wie Facebook Shops im Vergleich zum eigenen Onlineshop performt. Sind Warenkorbwerte auf einem ähnlich hohen Niveau? Welche Daten über die Performance ihres Shops und einzelner Produkte bekommen Betreiber von Facebook Shops künftig? Und können sie die Daten ihrer im Facebook Shop gewonnenen Kunden selber für weiteres CRM nutzen?
Insgesamt ist Facebook Shops daher deutlich eher „hot“ als „not“ – und verspricht noch viel Potenzial für „hotter“.
Über den Autor:
Jan Bechler berät mit seiner Agentur Finc3 Commerce-Marken wie Unilever, Bahlsen und Bosch bei der Fragestellung, auf welchen E-Commerce-Plattformen sie aktiv werden sollen. Jan ist OMR schon seit dem Start eng verbunden, hilft mit seinem Netzwerk und arbeitet während des OMR Festivals eng mit dem Team zusammen.