Henning Strauss: "Wir sind das Ben & Jerry’s der Arbeitswelt"

Vom Bürstenhändler zur bekanntesten deutschen Workware-Marke: Der Juniorchef über den rasanten Aufstieg von Engelbert Strauss – und die Marketing-Strategie dahinter

Inhalt
  1. Eine B2B-Marke wird zur Lifestyle-Brand
  2. Größte Kundengruppe für Schnittschutzhosen: Zahnärzte
  3. Eine Hose, um sich kompetenter zu fühlen
  4. "Wir haben kein Sponsoring-Budget"
  5. Der eigene Name auf der Bande
  6. Die Themen des Podcasts mit Henning Strauss:

Die Marke Engelbert Strauss ist viel zu sichtbar, als dass man den Workware-Produzenten aus dem hessischen Biebergemünd noch als Hidden Champion bezeichnet sollte. Nicht nur auf jeder Baustelle ist das ikonische Vogel-Strauss-Logo omnipräsent. Durch selbstbewusste Sponsoring- und Lizenz-Deals – die Reihe der Partner reicht von Bayern München über die Uefa bis zum aktuellen NFL-Champion Kansas City Chiefs – ist der Name Engelbert Strauss selbst denen ein Begriff, die niemals Arbeitskleidung anziehen würden. Bei denen, die es tun, genießt die Brand Kultstatus. Welche Rolle dabei Community-Building spielt, warum es auf die Emotionalisierung der Produkte ankommt und wie das Familienunternehmen den US-Markt erobern will, davon berichtet Juniorchef Henning Strauss in der aktuellen OMR Podcast-Episode.

Henning Strauss leitet zusammen mit Bruder Steffen und Vater Norbert das Familienunternehmen, das nach seinem Großvater Engelbert benannt ist. Doch die Tradition reicht weiter zurück. Strauss' Ahnen verdienten einst ihr Geld mit dem Handel der in der Region östlich von Frankfurt hergestellten Bürsten und Besen. In dieser Tradition sieht Strauss einen wesentlichen Grund, weshalb seine Firma ihre Kund*innen so gut versteht: Als Händler brauche man ein Gespür für Wünsche der Kund*innen. Darum habe Engelbert Strauss "den Anwender immer im Fokus", so Henning Strauss. 

Mindestens so bedeutend wie das Wissen um den Bedarf nach diesem oder jenem Feature einer Arbeitshose, dürfte der enge Austausch mit den Kund*innen sein. Engelbert Strauss war schon immer eine D2C-Brand. Als die Mitbewerber noch Kataloge verschickten, startete Engelbert Strauss Ende der 90er bereits seinen Online-Store. Heute macht das Unternehmen fast seinen kompletten Umsatz über digitale Vertriebswege. Zwar unterhalte man ein paar Stores und alle seien profitabel, so Strauss. Doch für den Umsatz seien sie nicht wirklich relevant. 

Eine B2B-Marke wird zur Lifestyle-Brand

Für das massive Wachstum von Engelbert Strauss in den vergangenen Jahren entscheidend war eine Erkenntnis: Arbeitsbekleidung muss nicht nur nützlich sein, sondern auch modisch. Außerdem: Auch eine B2B-Marke kann zu einer Lifestyle-Brand werden. Maßgeblich verantwortlich für diese Evolution ist Henning Strauss selbst, der sich sich im Familienunternehmen um Innovations- und Marketing-Themen kümmert.   

Vor seinem Einstieg in das Familienunternehmen war er längere Zeit in den USA. Diese Zeit habe sein Verständnis von Brandbuilding geprägt, so Strauss im OMR Podcast. Die Vertikalisierung der Marke, die Positionierung der B2B-Brand gegenüber den Endverbraucher*innen, die Eröffnung von Flagship-Stores – das sei "natürlich auch von meinen Erfahrungen und Erlebnissen an der Westküste geprägt", so Strauss.

Größte Kundengruppe für Schnittschutzhosen: Zahnärzte

Die frühe Adaption von Retail-Strategien aus den USA hat sich auf jeden Fall bezahlt gemacht. In den vergangenen 20 Jahren konnte Engelbert Strauss den Jahresumsatz auf über eine Milliarde Euro Umsatz mehr als verzehnfachen. Rund 1.700 Leute arbeiten heute am Stammsitz. Produziert wird in zwei eigenen Manufakturen, vor allem aber bei Auftragsfertigern in Fernost. 

Hinter diesen Zahlen steckt ein anderes Verständnis von Workwear. Engelbert Strauss sei eine Marke für Arbeitsbekleidung, sagt Strauss, lade die Produkte allerdings emotional auf. Diese Interpretation erschließe neue Kundensegmente. Plastisches Beispiel: Die größte Kundengruppe für Schnittschutzhosen von Engelbert Strauss seien nicht etwa Forstarbeiter – sondern Zahnärzte, die offenbar eine besondere Leidenschaft fürs "Holz machen" haben, mutmaßt Henning Strauss.

Eine Hose, um sich kompetenter zu fühlen

Der Sweet Spot, den die Biebergemünder abseits ihres B2B-Stammgeschäfts seit einigen Jahren so erfolgreich bespielen, ist das Bedürfnis nach physischer Arbeit im authentischen Equipment. "Wenn ich mir ein neues Paar Turnschuhe hole, dann habe ich plötzlich das Bedürfnis, auch mal joggen zu gehen", sagt Strauss. "Genauso muss es bei uns auch sein. Wenn ich mir eine Strauss-Arbeitshose anziehe, dann muss mich das Gefühl begleiten: Ich bin jetzt plötzlich kompetenter und habe jetzt mal Spaß, mit meinen Händen was zu tun."

Das Aufladen der eigenen Produkte mit diesen Emotionen sei das Ziel. Als Familienunternehmen mit langer Tradition und glaubhafter Expertise genießt die Brand ein authentisches Image, das inzwischen bis tief hinein in Lifestyle-Zielgruppen reicht. Henning Strauss fasst diesen gelungen Transfer in einen ebenso unerwarteten wie plausiblen Vergleich: "Wir sind sowas wie das Ben & Jerry’s der Arbeitswelt."

"Wir haben kein Sponsoring-Budget"

Image ist aber immer nur eine Bedingung, um zum Household-Name zu werden. Bekanntheit die – vielleicht zwingendere – andere. Dafür sind bei Engelbert Strauss Lizenzdeals, Partnerschaften und Sponsorings von zentraler Bedeutung. Inzwischen ist die Marke bei allen AAA-Sportevents in Deutschland präsent. Als nächstes steht die Fußball-Europameisterschaft an. Für den meisten Buzz innerhalb der Marketing-Bubble hat jedoch die 2023 verkündete Partnerschaft mit den Kansas City Chiefs gesorgt. Seit Anfang 2023 ist der Workwear-Anbieter offizieller regionaler Ausstatter in Deutschland des NFL-Teams, das gerade zum zweiten Mal in Folge den Super Bowl gewann.

Was Engelbert Strauss sich seine Sponsorings kosten lässt, verrät Henning Strauss nicht. "Wir haben kein Budget", sagt er stattdessen. Vor allem bei den Leuchtturm-Projekten wie der Partnerschaft mit Metallica oder auch bei den Chiefs habe man auf Angebote reagiert, die sich passend angefühlt hätten. Das gelte vor allem für die Anfangsjahre. 

Der eigene Name auf der Bande

Inzwischen gebe es Kolleg*innen im Unternehmen, die sich professionell um diese Themen kümmerten. Doch auch eine individuelle Qualität betrachtet Hennings Strauss als großen Vorteil im Sponsoring-Geschäft. Fußball sei ihm schon immer ziemlich egal gewesen. Er sei nie Fan einer Mannschaft gewesen. Denn die Wirksamkeit dieser Sponsorings ließe sich ohnehin schwer messen. Und als Fan sei man spätestens dann ziemlich ziemlich befangen, sobald man den eigenen Familiennamen auf einer Bande sehe.

Die Themen des Podcasts mit Henning Strauss:

  • (00:00:00) Ursprünge der Firma und Wandel zur Modemarke
  • (00:04:05) Studium, US-Aufenthalt und Einstieg ins Unternehmen
  • (00:07:47) Gründe für das massive Wachstum
  • (00:14:36) Status als Online-Pionier und Umsatzrelevanz heute
  • (00:18:53) Engelbert Strauss als D2C-Brand mit einer Community
  • (00:25:35) Grenzen des Pricings im Kontext von Berufskleidung
  • (00:28:39) Stärke der Brand und Marken, an denen er sich orientiert
  • (00:33:18) Produktionsstandorte und Breite der Produktpalette
  • (00:40:05) wichtigste Märkte, US-Expansion und Sponsorings
  • (00:47:21) Emotionalisierung der Produkte
  • (00:51:46) Blick auf andere B2B-Nischenplayer wie Fix
  • (00:53:15) Bedeutung von Sportsponsoring und -werbung
  • (01:00:36) Marketingmix und -ausgaben von Engelbert Strauss
  • (01:03:50) warum es trotz hoher Profitabilität nur wenige Stores gibt
  • (01:07:21) das Interesse von Investoren am Unternehmen
  • (01:10:14) Hintergrund der Partnerschaft mit den Kansas City Chiefs
  • (01:11:52) ein Flagship-Store in Venice Beach
  • (01:14:10) hohe Beständigkeit im Team
  • (01:16:40) welche Sportarten er selbst schätzt
  • (01:16:56) Austausch mit anderen Unternehmer*innen
  • (01:17:54) Blick auf Investments und Übernahmen
  • (01:21:05) größte Risiken und Fehler als Unternehmer
  • (01:23:20) besondere Erfolge und Produkte
  • (01:24:44) Abhängigkeit von der Konjunktur

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Christian Cohrs
Autor*In
Christian Cohrs

Editor & Content Strategist bei OMR und Host des FUTURE MOVES-Podcasts. Zuvor war er Redaktionsleiter des Wirtschaftsmagazins Business Punk in Berlin, Co-Autor des Sachbuchs "Generation Selfie".

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