25 Millionen US-Dollar Umsatz mit Angeber-Screenshots: Elon Musks Marketing-Meisterstück

War die Cybertruck-Panne inszeniert, um mit Memes kostenlose Werbung zu generieren?

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Elon Musk bei der Präsentation des Cybertruck, nach der Panne mit den zerbrochenen Fenstern (Quelle: Tesla auf Youtube)
Inhalt
  1. „Aus Raketenstahl gebaut“
  2. War das Zerbrechen der Fenster von Anfang an geplant?
  3. Meme-Lord Musk
  4. Ein zinsloser Kredit im Umfang 25 Millionen US-Dollar

Wir machen mal einen Test. Achtung, geht los: Cybertruck. Okay, wir sehen schon die ersten von Euch gähnen. Keine Frage, Teslas neues Pickup-Modell war in den vergangenen Tagen so allgegenwärtig, dass manche davon möglicherweise schon ermüdet sind. Vielleicht können wir Euch aber doch noch ein paar Gedanken dazu mitgeben, die Ihr in dieser Form noch nicht woanders gelesen habt. Beispielsweise: Ist es Elon Musks größte Leistung, einer Viertelmillion Menschen jeweils 100 US-Dollar dafür abgenommen zu haben, dass sie einen Screenshot posten und für Tesla Werbung machen dürfen?

Aber vorab eine Zusammenfassung für all jene von Euch, die bei den Posts und Medienberichten über den Cybertruck immer desinteressiert weitergescrollt haben: Elon Musk (der Typ, dessen Ruhm zu einem großen Teil daher rührt, dass er ein Leben führt, von dem Achtjährige träumen – er wandelt auf den Spuren seiner Helden und baut Raketen, die zum Mars fliegen sollen), dieser Elon Musk hat am 21. November in einer live im Netz gestreamten Show (deren Flair irgendwo zwischen Apple und Blade Runner lag) den Cybertruck vorgestellt.

„Aus Raketenstahl gebaut“

Der Cybertruck ist ein neues, äußerst ungewöhnlich designtes Pickup-Modell von Tesla, das seit vergangenem Donnerstag, dem 21. November, vorbestellbar ist. Die ersten Exemplare sollen im Jahr 2021 ausgeliefert werden. Der Pickup soll äußerst robust und angeblich aus dem selben Edelstahl wie Elon Musks Space-X-Raketen produziert sein. Die Fenster sollen eigentlich kugelsicher sein – doch bei einem Härtetest mit einer Stahlkugel während der Show-Vorstellung zerbarsten gleich zwei Fenster des Trucks auf der Bühne.

Nach der Vorstellung postete Musk auf Twitter ein Video, das zeigte, wie das Fenster vor der Show denselben Test ohne Kratzer bestanden hatte. Während der Show sei das Fenster zerborsten, weil ein Schlag mit dem Vorschlaghammer gegen die Autotür die Einfassung des Fensters zerstört habe, gab sich der Tesla CEO in einem weiteren Tweet betont entspannt.

War das Zerbrechen der Fenster von Anfang an geplant?

Schon während der Show hatte sich die Kunde vom Cybertruck wie ein Lauffeuer durch das Web verbreitet. Auf Social Media verglichen die Nutzer den Cybertruck mit alten Computerspielen mit ebenso kastiger Grafik. Ebenso beliebt der Vergleich mit Autozeichnungen von Kindern. Relativ bald erhielt der Cybertruck seinen eigenen Eintrag im Online-Meme-Lexikon KnowYourMeme.com.

War das bewusst an Blade Runner angelegte Design des Cybertrucks die Initialzündung, so stellten die während der Show zerbrochenen Fenster den Brandbeschleuniger dafür dar, dass bald nahezu das ganze Web über den Cybertruck sprach. Nicht nur, dass Lego einige Tage später auf Social Media scherzhaft ein Konkurrenzmodell ankündigte – „garantiert bruchsicher“, bald wurde auch an diversen Stellen die Theorie diskutiert, dass der Bruch der Fenster geplant gewesen sei, um noch mehr Reichweite und Aufmerksamkeit zu generieren.

Meme-Lord Musk

Dass Musk sehr sophisticated in puncto Internetkultur ist und diese clever für die eigenen Interessen nutzt, hat sich in den vergangenen Monaten immer wieder gezeigt. So war er unter anderem zu Gast in einem Video des weltgrößten Youtubers Pewdiepie, indem die beiden aktuelle Memes bewerten („Meme Review“). Zwei Tage nach der Vorstellung des Cybertrucks gab der Tesla CEO via Twitter bekannt, dass 146.000 Menschen das neue Modell vorbestellt hätten – „ohne Werbung oder bezahltes Endorsement“. Als ein Nutzer darauf antwortete „Memes sind die beste Art kostenloser Werbung“, stimmte ihm nachdrücklich Musk zu.

Das so genannte „Memebaiting“ hat sich in den vergangenen 24 Monaten als erfolgreicher Hebel dafür etabliert, kostenlose Aufmerksamkeit im Netz zu generieren. Der „Baiter“ legt einen Köder aus, damit die Nutzer diverse Memes generieren und über Social Media verbreiten und so eine enorme Reichweite generieren. Meister in dieser Disziplin ist Balenciaga-Chefdesigner Demna Gvasalia.

Ein zinsloser Kredit im Umfang 25 Millionen US-Dollar

Die Memes rund um den Cybertruck dürften entscheidend dazu beigetragen haben, dass Elon Musk sechs Tage nach der Vorstellung des Cybertrucks per Twitter verkünden konnte, dass 250.000 Menschen den Tesla-Pickup vorbestellt haben. In einem vorherigen Tweet hatte er bekannt gegeben, dass rund 80 Prozent der Vorbesteller jeweils das teuerste oder zweitteuerste Modell des Cybertrucks vorbestellt hätten (Preis: 69.900 bzw. 49.000 US-Dollar) und rund 20 Prozent das günstigste (39.900 US-Dollar). Überträgt man dieses Verhältnis auf 250.000 Vorbestellungen, hätte Tesla in weniger als einer Woche mehr als 14 Milliarden US-Dollar Umsatz eingesammelt.

Doch die Kunden mussten natürlich bei der Vorbestellung nicht den vollen Preis zahlen, sondern lediglich 100 US-Dollar, „fully refundable“, das heißt, die Vorbesteller können ihr Geld auch wieder zurückverlangen. Sie haben lediglich 100 US-Dollar hinterlegt, um einen Platz in der Schlange sicher zu haben. Wenn man es genau nimmt, hat Tesla also im schlechtesten Fall (!) einen zinslosen Kredit von 25 Millionen US-Dollar erhalten. Die Kunden haben im Gegenzug 100 US-Dollar gezahlt, um an einen Screenshot der Bestellbestätigung zu kommen, mit dem sie über ihre Social Media Accounts von ihrer Vorbestellung prahlen und damit für Tesla auch noch kostenlose Werbung machen können. Wer bei Twitter nach entsprechenden Begriffen sucht, findet Hunderte von Beispielen. Wir verneigen uns in Ehrfurcht vor Elon Musks bisherigem Marketing-Meisterstück.

Elon MuskMemebaitingTesla
Roland Eisenbrand
Autor*In
Roland Eisenbrand

Roland ist seit mehr als zehn Jahren als Journalist in der Digitalbranche aktiv. Seit 2014 verantwortet er als Head of Content (und zweiter Mitarbeiter) alle inhaltlichen Komponenten von OMR, darunter vor allem den OMR Blog und redaktionelle Arbeit rund um das OMR Festival.

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