Dugout.com: Wie Fußball-Clubs digitalen Plattformen Konkurrenz machen wollen

Torben Lux6.2.2017

Sind die Plattform-Pläne von FC Bayern & Co. eine gute Idee?

Dugout.com
Dugout.com will "the ultimate digital football platform" werden.
Inhalt
  1. Ist dugout.com wirklich eine innovative Onlineplattform?
  2. Einseitige Kommunikation statt Social Network und Community
  3. Cross-Promotion soll den Traffic von dugout.com steigern

Der FC Bayern, Chelsea London, Juventus Turin und andere bringen im Jahr 2016 gemeinsam ein neues soziales Netzwerk auf den Markt. Was für manche nach einem absurden Witz klingt, ist Realität: Mit Dugout.com wollen sich die Clubs offenbar langfristig gegenüber den großen digitalen Plattform-Playern behaupten können. Wir haben uns das Projekt genauer angesehen und mit Bayern Münchens Mediendirektor Stefan Mennerich gesprochen.

Das Netz stellt Fußball-Clubs, Vereine anderer Sportarten und Verbände, die meistens die Rechteinhaber an Bewegtbildern sind, vor große Herausforderungen. Videos, Bilder und Content in allen Variationen werden auf den großen Plattformen Facebook, Instagram, Twitter & Co. geteilt und millionenfach geklickt – bisher allerdings ohne, dass Rechteinhaber und Clubs daran verdienen. Neben den Vereinen sind es auch die Spieler selbst, die den Plattformen helfen, enorme Reichweiten aufzubauen und diese zu vermarkten. In der Top 10 der im Jahr 2016 erfolgreichsten Instagram-Postings deutschsprachiger Influencer stammen alleine fünf von Fußballspielern wie Mario Götze und Manuel Neuer. Und die Social-Media-Riesen wollen es nicht dabei belassen; sie sind längst in den Wettbewerb um Sport- und Übertragungsrechte eingestiegen, können noch mächtiger und für Clubs zum Gatekeeper werden.

Dugout.com

Die Startseite von dugout.com

Die Verantwortlichen einiger der relevantesten europäischen Fußball-Clubs sind sich dessen offenbar sehr bewusst. Mit dugout.com haben sie vor einigen Wochen eine eigene Plattform gegründet, auf der sie Fotos und Videos hochladen und die Reichweite selbst vermarkten. „Wir wollen selber mitentscheiden können, wie die Plattform gestaltet ist, auf der wir unseren Content ausspielen. Und das können wir in Abstimmung mit den anderen Clubs auf Dugout“, sagt Stefan Mennerich, Direktor Medien, Digital und Kommunikation bei der FC Bayern München AG.

„Dugout ist eine innovative Onlineplattform, die es Fans ermöglicht, mit ihren Lieblingsvereinen und -Spielern abseits der vielen sozialen Netzwerke und Nachrichtenseiten verbunden zu sein“, heißt es in der Pressemitteilung von Bayern München zum Start von Dugout am 29. November 2016. Im offiziellen Statement von Dugout selber ist die Rede von „the ultimate digital football platform“ und „high-quality original content“. Große Worte, die trotz sehr prominenter Gründungs-Vereine verhältnismäßig wenig Berichterstattung in den Medien nach sich zogen. Der Mediendienst Horizont greift die PM sachlich und kurz auf, die Wiener Zeitung schreibt Anfang Januar etwas voreilig und aufgeregt vom „Frontalangriff auf Facebook“. Der Guardian nennt unter anderem Medienpartner wie Allianz und Coca Cola. Ansonsten ist bisher wenig zu lesen und zu hören.

Ist dugout.com wirklich eine innovative Onlineplattform?

Entgegen den öffentlichkeitswirksamen Beschreibungen fällt Dugout.com bisher auch weniger mit Innovationen, als mit altbekannten Mechaniken auf. Es gibt eine Art News-Feed und man kann Profilen von Clubs oder einzelnen Spielern folgen – soweit, so bekannt. Die Auswahl ist bisher zudem noch übersichtlich: 27 Fußballvereine haben heute, rund zwei Monate nach Launch, ein eigenes Profil auf dugout.com. Darunter befinden sich aber immerhin die größten Clubs der europäischen Ligen wie Real Madrid, FC Barcelona, Bayern München, Paris Saint-Germain, FC Porto, Galatasaray Istanbul, Juventus Turin, Manchester City und Chelsea London. Zusätzlich gibt es Profile von insgesamt 55 Spielern, die im Schnitt aber nicht die Prominenz der Clubs erreichen. Zwar sind Weltklasse-Spieler wie Gareth Bale von Real Madrid und Edinson Cavani von Paris St. Germain (führt mit 22 Treffern die Torschützenliste in der Ligue 1 an) vertreten, der Großteil besteht allerdings aus unbekannteren Spielern und Altstars, deren Karriere bald zu Ende gehen dürfte (Gianluigi Buffon, John Terry, Patrice Evra, Robbie Keane). Brasiliens Legende Pelé hat ebenfalls ein Profil erhalten, Sky Sports ist auch vertreten.

dugout.com

Einige der auf dugout.com vertretenden Clubs.

Neben der angekündigten digitalen Innovation hält sich also auch der inhaltliche Mehrwert bisher in Grenzen. Die von den Club- und Spieler-Profilen geteilten Inhalte beschränken sich häufig auf Fotos mit nur knapper oder komplett ohne Beschreibung und kurzen Videos. Am 17. Januar veröffentliche Bayern München beispielsweise ein knapp zwei Minuten langes Video von der Vertragsverlängerung von Arjen Robben und der Verpflichtung von Niklas Süle und Sebastian Rudy. Dasselbe Video, allerdings mit deutscher Vertonung, konnte schon einen Tag vorher auf fcbayern.tv angeschaut werden. Ein Clip von Stürmer-Star Robert Lewandowski wiederum war zuerst auf dugout.com zu sehen und vier Tage später und dazu etwas kürzer auf der Facebook-Seite von Bayern München verfügbar. Während der Großteil der Clubs regelmäßig, teilweise täglich postet, ist die Aktivität bei Spielern deutlich geringer. Der letzte Beitrag von Dante stammt beispielsweise vom 18. November 2016.

Außerdem scheint die Seite noch mit einigen technischen Kinderkrankheiten zu kämpfen haben. Auf der Desktop-Version kommt es immer wieder vor, dass Beiträge einzelner Profile nicht richtig geladen werden. Öffnet man Posts auf einem iPhone in Apples Safari-Browser und kehrt danach wieder zum Newsfeed zurück, friert die Seite häufig sogar komplett ein. Erst nach einem erneuten Laden der Seite ist diese dann wieder benutzbar.

Einseitige Kommunikation statt Social Network und Community

Noch fallen bei Dugout außerdem einige große Unterschiede im Vergleich zu Social Networks wie Facebook auf: Es gibt keine öffentlichen Zahlen, die zeigen, wie viele Follower ein Profil hat. Außerdem kann man Beiträge weder liken noch teilen. Eine Kommentar-Funktion ist zwar vorhanden – vorausgesetzt, man meldet sich mit einem Account von Facebook, Twitter, Google, Linkedin, Yahoo oder Microsoft an – Diskussionen unter Beiträgen finden aber nicht statt. Wir haben stichprobenartig die Beiträge der letzten Wochen angeschaut – keiner wurde bisher kommentiert. Wenn man den Worten von Gründer Elliot Richardson Glauben schenken darf, ist ein Dialog auch gar nicht vorgesehen. Er sieht es als Mehrwert, dass man auf das Wirrwarr an User-Generated-Content verzichtet.

Richardson, der ursprünglich aus dem Finanzbereich kommt, ist President der Dugout Limited. Der zweite Co-Founder und laut companieshouse.gov ebenfalls Director ist James Hilton. Laut Linkedin-Profil war er von 2000 bis 2002 Head of Digital Marketing bei der renommierten britischen Tageszeitung Guardian, danach drei Jahre Marketing Director bei Weight Watchers Online, gründete 2006 die Mobile-Sparte der Werbeagentur M&C Saatchi und ist dort bis heute CEO. Die Seite listet noch achte weitere Directors der Dugout Limited auf, die zeigen, welche Clubs beteiligt sind: Bruce Buck, Anwalt und Chairman bei Chelsea London, Federico Palomba, Co-Chief Revenue Officer Marketing & Digital bei Juventus Turin, Vinai Venkatesham, Chief Commercial Officer bei Arsenal London, Tom Glick, Chief Commercial & Operating Officer bei Manchester City, Jean-Claude Blanc, ehemaliger CEO von Juventus Turin und heutiger Geschäftsführer von Paris Saint-Germain , Matthew Baxter, Chief Media Officer bei Liverpool und Stefan Mennerich von Bayern München. Außerdem ist David Avery-Gee aufgeführt. Er ist Partner der Wirtschaftskanzlei Linklaters, deren Anschrift in London ebenfalls die offizielle Anschrift Dugout Limited ist. Der britische Unternehmer und Investor beim Premiere-League-Club FC Everton Sir Philipp Green soll als Investor an Board sein.

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Welcome to Dugout

The behind-the-scenes of the behind-the-scenes, get exclusive access to all of your favourite club and global stars with Dugout. #footballinsideout

Posted by Dugout on Monday, November 28, 2016

 

Beim FC Bayern zeigt man sich mit der bisherigen Entwicklung von Dugout aller Startschwierigkeiten zum trotz zufrieden. Stefan Mennerich betont gegenüber Online Marketing Rockstars die noch frühe Phase des Projektes: „Dugout ist erst seit wenigen Monaten live und wird ständig weiter optimiert. Der FC Bayern war seit der Gründung beteiligt und bisher sind wir sehr zufrieden.“ Der Verein sei schon sehr aktiv auf der Plattform, die sich vor allem an die Millenial-Zielgruppe und deren Bedürfnisse richte. Genaue Traffic-Zahlen möchte Mennerich zwar nicht nennen, erklärt aber, dass man auch in dem Punkt zufrieden sei und ihn durch exklusiven Content und weitere Promotionen weiter ausbauen wolle. „Insgesamt soll Dugout ein weiterer, bedeutender Bestandteil im Content-Mix des FC Bayern sein. Wir sehen es als Vorteil für unsere Fans an, dass wir bei Dugout zusammen mit anderen Vereinen auf einer reinen Fußball-Plattform vertreten sind“, sagt Stefan Mennerich. Der FC Bayern sei im selben Umfang wie die anderen „Shareholder Clubs“ am Betreiberunternehmen beteiligt – was das in konkreten Zahlen heißt, möchte Mennerich allerdings nicht kommentieren.

Cross-Promotion soll den Traffic von dugout.com steigern

Vor allem das Verlinken auf den sehr reichweitenstarken Social-Media-Profilen von Bayern dürfte für wachsenden Traffic auf dugout.com sorgen. Regelmäßig weist der Verein bei Facebook und Twitter auf das Dugout-Profil hin, teasert zum Beispiel Videos an und habe damit laut Mennerich schon sehr gute Erfolge erzielen können.

Das Video von Robert Lewandowski, das im eingebetteten Tweet zu sehen ist, hat es zusätzlich auch in die ARD Sportschau geschafft, inklusive dugout.com als Quellenangabe. Und auch andere Vereine versuchen, die Reichweite von dugout.com mit Hilfe von Cross-Promotion zu pushen. Das bestätigt auch ein Blick auf die Zahlen vom Statistik-Tool SimilarWeb. Demnach wurde im Dezember 2016 (aktuellere Zahlen sind noch nicht verfügbar) rund 60 Prozent des Gesamt-Traffics von dugout.com durch Social Media generiert. Die restlichen Zahlen sind – was sicher auch der frühen Phase geschuldet ist – noch ein wenig ernüchternd: rund 1,3 Millionen Visits (davon über 85 Prozent Mobile), eine hohe Bouncerate von über 85 Prozent und eine durchschnittliche Besuchszeit von 41 Sekunden. Jeweils rund 14 Prozent der Nutzer kommen aus Großbritannien und Portugal, Deutschland steht mit zwei Prozent an achter Stelle – zwischen Indien und Ungarn. Laut Stefan Mennerich sind die User von dugout.com größtenteils unter 25 Jahre alt und männlich, rund 80 Prozent würden die Seite mobil nutzen.

Dugout.com

Ein Video von Robert Lewandowski bei der ARD Sportschau. Als Quelle: Dugout.com.

Technische Probleme, kaum inhaltliche Mehrwerte und extrem hochgesteckte Ziele – aus neutraler Sicht lässt die Umsetzung von Dugout bisher zu wünschen übrig. Eine kurze Recherche im Karriere-Netzwerk Linkedin macht allerdings deutlich, dass die Dugout-Macher sehr gezielt erfahrenes Personal in der Digital-Branche akquiriert haben. Chief Content Officer Ian Nolen war vorher über vier Jahre lang Head of Yahoo Sports International, Launch Manager Kate Burns war unter anderem General Manager bei Buzzfeed Europe und CEO bei AOL Europe, Chief Marketing Officer Olga Puzanova war fast sieben Jahre Head of Marketing bei PlayStation Network, Lead Consultant Ad Product & Operation Ramy Yared war Chief Revenue Officer beim Mobil-Vermarkter Smaato – die Liste ließe sich noch lange so fortführen. Insgesamt haben 50 Mitarbeiter von Dugout ein Profil bei Linkedin.

Personalien von diesem Format, allesamt aus der digitalen Vermarktung, lassen erahnen, mit welchen Intentionen und Ambitionen Dugout gestartet wurde. Inhalte der Clubs, die eh „da sind“, werden auf der eigenen Plattform zweitverwertet und ohne zwischengeschaltete Mittelsmänner wie Facebook vermarktet. Verschiedene Bannerplatzierungen sind bereits eingebunden (unter anderem werben Konami mit dem Videospiel „Pro Evolution Soccer“ und Dazn), vor jedem kurzen Video spielt der Ooyala-Player eine Pre-Role-Ad aus und es soll exklusive Deals mit großen Brands geben. Das Browser-Plugin Ghostery zeigt verschiedenste Werbe-Pixel; neben Google und Facebook unter anderem AdRoll, Criteo, Rubicon und The Trade Desk. So sollen laut internen Rechnungen, die Sky News vorlagen, schon Ende dieses Jahres 75 Millionen US-Dollar umgesetzt werden – bei einem Gewinn von 30 Millionen US-Dollar.

Traffic-Statistik von dugout.com laut SimilarWeb.

Ob sich Dugout beim Erreichen dieser Ziele auf einem guten Weg befindet, lässt sich nach so kurzer Zeit natürlich nur schwer beurteilen. Mit den Millionen-Reichweiten, die viele der Vereine auf Facebook & Co. haben – alleine FC Barcelona, Real Madrid und Bayern München kommen auf rund 230 Millionen Facebook-Fans – dürften sich relativ einfach viele Nutzer auf dugout.com leiten lassen. Wenn noch mehr Clubs überzeugt werden können und tatsächlich eine einheitliche Plattform für Fußball-Fans geschaffen wird, könnte hier ein spannendes Medienprodukt entstehen. Das Problem wird bis dahin sein, User mit echten Mehrwerten auch langfristig zu halten, Netzwerk-Effekte zu erzielen und dafür zu sorgen, dass Spieler aus eigenem Antrieb häufig posten. Die SimilarWeb-Daten zu Aufenthaltsdauer und Absprungrate lassen allerdings befürchten, dass Dugout am Ende auch „nur“ ein weiterer digitaler Fußball-Publisher wird – und die tun sich schwer. Selbst die enorm reichweitenstarke Fußball-App „Onefootball“ aus Berlin hat es Gerüchten zufolge nicht leicht, eine neue Finanzierungsrunde zu starten. Möglich ist auch, dass sich Dugout in Rechte-Verhandlungen mit anderen Medien befindet und sich das als hilfreicher Hebel erweist. Wir glauben stand heute weniger an einen Facebook-Konkurrenten, als bestenfalls an eine Plattform, die eine direkte Beziehung zu Millionen von Fußballfans ermöglicht. Wenn das klappt, wäre schon viel erreicht. Was außerdem stark deutlich wird: Fußballvereine werden zu Medienunternehmen.

Social MediaSport
Torben Lux
Autor*In
Torben Lux

Torben ist seit Juni 2014 Redakteur bei OMR. Er schreibt Artikel und Newsletter, plant das Bühnenprogramm des OMR Festivals, arbeitet an der "State of the German Internet"-Keynote, betreut den OMR Podcast und vieles mehr.

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